B.A.g.O.
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- WARNUNG
In der folgenden Geschichte kommen Begriffe und Namen vor, die nicht
für jede Leserschaft geeignet sind. Insbesondere empfehlen wir allen
Gourmets und Freunden guter Eßkultur, die GROSS gedruckten Teile zu
überspringen oder wenigstens rasch zu überlesen. Dem Konsum dieser
Seiten vor dem Abendessen ist abzuraten!
Ich nehme einen tiefen Schluck aus der eisgekühlten Büchse und
lehne mich wohlig zurück. Seit drei Tagen streikt die B.A.R.T. ("Bay
Area Rapid Transit"), und die Chefin hat aus diesem Grunde allen Mitarbeitern
erlaubt, vorläufig von zu Hause aus zu arbeiten. "Telecomuting" nennt
man das hier. Ich würde es bezahlten Urlaub nennen.
Es war kein besonderes Kunststück, ein kleines Programm zu schreiben,
das sich in unregelmäßigen Abständen am Institut einloggt und
das System etwas durcheinanderbringt. Oberflächlich gesehen schaut das
so aus, als ob ich eifrig an der Arbeit wäre. In Wirklichkeit sitze ich
hier am Strand und betrachte mit halb geschlossenen Augen die neueste
kalifornische Strandmode. Ein Liegestuhl, eine schicke Sonnenbrille und ein
riesiger Cooler voller Sodas: was braucht ein gestreßter
Systemadministrator mehr, frage ich.
Ich nehme noch einen tiefen Schluck.
- "Das ist aber extrem ungesund, was du da machst, weißt
du!"
- Ich blinzele angestrengt nach schräg rechts hinten. Da sitzen zwei
Mädels und beobachten mich kritischen Blickes. Die eine hat dünne
lange blonde Haare, die nach Hennafärbung aussehen, eine spitze Nase mit
Sommersprossen und ein indisch angehauchtes Outfit. Die andere ist dunkelhaarig
und käsebleich - wie schafft man es in Kalifornien so bleich zu
bleiben? - und trägt einen Leopardenfell-Bikini. Beide sind
erstaunlich dürr und irgendwo in den Dreißigern. Schätze ich
zumindest; genau kann das heute niemand mehr sagen.
- "Wie bitte?"
- frage ich höflich.
- "Das ist EXTREM ungesund",
- wiederholt die schwarzhaarige im Leopardenfell und deutet auf die
Büchse Cola Light,
- "so'n kaltes Zeug in sich
hineinzuschütten ..."
"... weißt du", fügt die andere hinzu.
- Ich schaue verdutzt auf die leere Büchse und suche nach einer coolen
Antwort:
- "Oooops!"
- sage ich.
- "Wo kommt die denn her?"
- Aber das Ablenkungsmanöver wird ignoriert.
- "Es ist ganz, ganz schädlich, kalte Flüssigkeiten zu
trinken",
- doziert die indische Blonde.
- "Weißt du, in deinem Bauch ist ein großes VERDAUUNGSFEUER und
das wird durch das kalte Wasser GESCHWÄCHT ..."
"Aha",
- sage ich,
- "und was tut ihr gegen den Durst? Feuerschlucken?"
- Diese ignorante Bemerkung handelt mir nur zwei Blicke, Marke Was -
gibt - es - doch - für - dumme - Menschen,
ein.
- "Man trinkt natürlich heißes Wasser",
- erklärt die Blonde würdevoll.
- "Bei vierzig Grad im Schatten?"
- frage ich, von der Radikalität dieser Vorstellung unwillkürlich
fasziniert.
- "Immer!"
- bekräftigt die Leopardin, und wie um ihre Behauptung zu untermauern,
holt sie eine große Thermosflasche aus ihrer Strandtasche und
gießt sich und ihrer Gefährtin zwei Becher dampfender
Flüssigkeit ein. Die beiden schütten auf ex.
- "Weifft du, wenn daf groffe VERDAUUNGFFEUER gefwächt wird, bleiben
Verdauungsrückftände im gantfen Körper", erklärt die
Blonde weiter. Anscheinend hat sie sich die Zunge verbrannt. "Auferdem fmeckt
ef beffer, wenn ef tfehn Minuten gekocht hat."
"Dann werden die ganzen schädlichen Rückstände nach
draußen geschwemmt",
- bestätigt die Leopardin.
- "Aber noch besser ist natürlich
LEVITATIONSWASSER ..."
"Natürlich",
- sage ich und hole mir noch eine eiskalte Cola aus meinem
Cooler.
Die beiden Mädels betrachten mich ungefähr so, wie normale
Menschen einen Japaner beim Harakiri beobachten
würden.
- "LEVITATIONSWASSER ist von allen Erdstrahlen
gereinigt",
- fängt die Dunkle nach zwei Minuten wieder an.
- "Aber natürlich ist es viel zu teuer - 12 Dollars die
Gallone ..."
"Klar",
- sage ich.
Die Blonde holt zwei unappetitlich verklebte Plastik-Container aus ihrer
Tasche.
Darin gluckert es schmierig-weißlich. Dazu wickelt sie grünbraune
Fladen, die mich stark an die Verdauungsendprodukte bestimmter domestizierter
Wiederkäuer erinnern, aus fleckig-braunem
Packpapier.
- "Und was ist das?"
- frage ich interessiert.
- "INDISCHER LASSI und KARTOFFELSALAT MIT YOGHURTSOSSE UND FRISCHEM
KORIANDER. Mit REINEN BIOKARTOFFELN",
- erklärt die Leopardin stolz.
- "Dazu GRÜNKORNPLÄTZCHEN mit BÜFFELGRASEXTRAKT. Und echte
BIOÄPFEL!"
- Die verschrumpelten, braunen BIOÄPFEL schauen eher aus wie gewisse
andere Äpfel - naja, auch in gewisser Weise
Bioäpfel.
- "Und das Einwickelpapier ist aus recycle-ten
Klopapierrollen",
- füge ich hinzu.
Die beiden gucken verblüfft; erst auf mich, dann auf das grobe
Packpapier.
- "Woher weißt du das denn?"
- fragt die Dunkle.
Ich hatte nur geraten.
- "Außerdem seid ihr beide aus Berkeley, ihr geht einmal oder zweimal
in der Woche zur Meditation und habt einen Greenpeace-Sticker hinten auf dem
Auto. Fleisch kennt ihr nur aus der Werbung und Alkohol ist natürlich
Gift."
- Die beiden gucken noch mehr. Bevor sie sich noch erholen können, hole
ich meinen Organizer heraus und lasse ihn ein paarmal piepsen. Dann 'scanne'
ich die beiden mit den Organizer, so richtig professionell a la
Dr. Crusher von der Enterprise, und schaue stirnrunzelnd aufs
Display.
- "Na, dann schauen wir mal ... Tststs",
- sage ich sorgenvoll und schüttele den Kopf.
- "Deutlich angehobene Hydrogen-Ionen-Konzentration in den unteren
Extremitäten und dazu noch überhöhte Temperatur in vorderen
Cerebral-Hyper-Kortex-Lappen. Alles eine Folge des übermäßigen
Konsums von heißen Wassers, vermute ich ... Und, was haben wir denn
da?"
- Der Organizer piepst wieder bedrohlich um den Bauchnabel der Leopardin
herum.
- "Ganz offensichtlich Spuren von Schwermetallen, Cadmium, Blei, alles da,
wunderbar eingebettet in unverdaute Hülsenfrüchte ...
Popopopo ... hier:
Applekokken und Birnenkokken ... Ich an eurer Stelle würde das ja
nicht so lassen ..."
- Die beiden schauen entsetzt auf ihre mageren
Bäuchlein.
- "Oh Gott! Aber ... aber, was kann man denn da
machen ..."
- Ich überlege einen Moment.
- "Als erstes würde ich mal was gegen die zu hohe Körpertemperatur
unternehmen: am besten jeder einen Liter eiskaltes Cola - da hinten beim
Lifeguard ist eine Verkaufsbude. Dann irgendwas, damit die unverdauten
Hülsenfrüchte gleich wieder ausgetrieben werden. Wie wärs mit
ein, zwei richtig schweren Hamburgern, mit möglichst viel Pommes und
Catsup - das Fett ummantelt hoffentlich die Schwermetalle und verhindert
ein Übertreten in die Blutbahn ... Danach würde ich, nur um ganz
sicher zu gehen, ein kaltes Bad empfehlen - das unterbricht hoffentlich
die Teilung der Applekokken restlos und senkt zusätzlich die
Temperatur."
- Vorhin habe ich gesehen, daß das Wasser heute nur 15 Grad hat.
Wohl bekomm's!
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