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  BASTARD  ASS (I)  GOES  OVERSEAS von Florian Schiel
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TEIL 24
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B.A.g.O.

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Ich spiele gerade mit meiner neuesten Errungenschaft, einem programmierbaren Meßsender, herum, als natürlich das Telefon klingelt. 
Nie können sie mich in Ruhe lassen! Wie soll man da wissenschaftlich arbeiten können, frage ich! Die ganze Misere des Wirtschaftsstandorts Deutschland (Originalton!) rührt wahrscheinlich allein daher, daß heutzutage jeder dahergelaufene Idiot Zugang zu modernem Kommunikationsformen hat. Zum Beispiel eben das Telefon. 
Ich möchte nicht wissen, wieviel Zeit jeden Tag in unserer Volkswirtschaft mit absolut sinnlosen Telefongesprächen vergeudet wird; ganz abgesehen von den Dauertratschern, die es fertigbringen zwei Stunden am Stück an der Strippe zu hängen. 
Terrorismus ist das! Jeder Affenabkömmling, der in der Lage ist, sieben Tasten in der richtigen Reihenfolge zu drücken, darf mich einfach ungestraft von meiner Arbeit abhalten. Ungestraft? Naja, mal sehen ... 
Nach dem zwanzigsten Klingeln hebe ich ab. 
"Hallo." 
Kollege Jeff ist dran. 
"Hallo, Leisch? Weißt Du eigentlich, wie spät es ist?! Wir waren um 11 Uhr verabredet, um die Folien für das kommende 'CHATTER'-Meeting durchzusprechen! Jetzt ist es halb zwölf!!! Hast Du verschlafen?!" 
Verschlafen! Das mir, wo ich schon seit 22 Minuten an meinem Schreibtisch hocke! 
Tatsache ist, ich habe es nicht verschlafen. Obwohl ich mir alle Mühe gegeben hatte. Das 'CHATTER'-Projekt (das amerikanische Pendant zum deutschen 'SCHWAFEL') ödet mich schon lange an! Und die Meetings sind von einer so abgrundtiefen Langeweile erfüllt, daß wir das letzte Mal drei Todefälle unter den Teilnehmern zu beklagen hatten. Die Kollegen hatten vor Langeweile einfach vergessen weiterzuatmen ... 
Ich mime den Erstaunten: 
"Oh ... äh ... ist tatsächlich schon so spät ... <klickediklackedi> ... 
komisch, ich dachte ... aber auf meiner Uhr ist es erst halb elf ... und in meinem Computer auch ..." 
"Quatsch ...", sagt Jeff. 
Dann ein längeres Schweigen auf der anderen Seite. Im Hintergrund klappert eine Tastatur. Dann kommt ein lahmes: 
"Du hast ja recht ... merkwürdig, ich hätte schwören können ..." 
Anfänger! Wenn er genauer hinschauen würde, könnte er sehen, daß ich gerade die Zeitzone aller Rechner im Institut nach Hawaii verlegt habe. Aber wer beherrscht heutzutage noch die einfachsten UNIX-Befehle? Fast niemand! 
Deshalb haben ja Leute wie ich immer Oberwasser! 
"Weißt Du", 
sage ich, 
"es ist trotzdem ganz gut, daß Du schon jetzt anrufst. Ich hätte mir nämlich ganz gerne die Entwürfe für die Folien schon mal angeschaut, bevor wir uns zusammensetzen ..." 
Er sagt mir, wo die Dateien liegen! Einfach so!!! (No comment.)
<klickediklackedi ... insert Kim.Basinger.jpg ... klockkklocklockklock!> (Wenn es drauf ankommt, kann ich auch ganz schön schnell sein!) Ich füge noch ein paar besonders unanständige GIFs in die Folien ein - Bildchen, bei denen sogar Beate Uhse rot werden würde -, dann schicke ich das Ganze unter Jeffs Account mit der Bitte um konstruktive Kritik an die Chefin. Mal sehen, wie sich Jeff da wieder rauswinden wird ... 
Wenn ich Glück habe, zieht sich der Skandal über den Nachmittag hin, und ich habe genug Zeit für mein neues Spielzeug, das ich aus den Nachrichtentechnik-Praktikum geklaut habe. Normalerweise stehe ich ja nicht so auf echte Hardware - irgendwie behindert es die freie Entfaltung des Geistes, wenn man jeder Idee erst mit dem Lötkolben zur Realität verhelfen muß -, aber dieses Baby hier hat durchaus seine Reize. Ich schließe den programmierbaren Meßsender über die parallele Schnittstelle an einen alten PC an, den ich normalerweise dazu verwende, meine Videosammlung zu archivieren. Nach ein paar Probeläufen gelingt es mir schon mal, Gingers Transistorradio im Sekretariat mit abscheulichen Heultönen zu stören. So weit, so gut! 
Während Ginger noch wütend ihr Radio schüttelt, poke ich im Web herum, bis ich eine erstaunlich detaillierte technische Beschreibung bei einem Autoalarmanlagen-Hersteller entdecke. Natürlich sind die Codes der Funkgeber nicht angegeben, aber das Grundprinzip wird ganz gut dargestellt ... 
In Berkeley - und wahrscheinlich auch woanders an der Westküste - gibt es ganz bestimmte kulturelle Ausprägungen bei den Autobesitzern. Zum Beispiel fahren sämtliche Psychotherapeuten und gehobenen Akademiker grundsätzlich nur Volvos (es gibt hier eine Fülle von Volvo-Witzen, ähnlich den Manta-Witzen zu Hause!). Die Schwarzen fahren riesige amerikanische Schlitten, je größer desto besser, vorzugsweise mit irgendwelchem vergoldeten Firlefanz außen und roten Plüschsitzbezügen innen. Die weißen Studenten fahren europäische Marken oder - wer es sich leisten kann - tiefer gelegte Kleinlaster aus den 50iger Jahren. Die Studentinnen cruisen in billigen japanischen Zweisitzern herum, vorzugsweise Cabriolets, damit man echt cool die blonde Mähne in den Wind hängen kann, wenn man übers Golden Gate fährt. Die übriggebliebene 68iger-Generation (von der es hier eine Menge gibt!) fahren uralte knatternde VW-Busse, mit denen sie wahrscheinlich schon zu Anti-Vietnam-Demos nach Washington D.C. getuckert sind. Die Mex bevorzugen Pickups, weil sie in allen anderen Wagentypen mit ihren Cowboyhüten am Dach anstoßen würden. Die Chinesen - sparsam wie immer - fahren die billigen, alten Schlachtschiffe der 70iger Jahre, die ihnen viel zu groß sind. Das kann ab und zu einen merkwürdigen Effekt haben, wenn so ein Schlachtschiff scheinbar fahrerlos auf dich zu schlingert, und erst beim Vorbeifahren sieht man, daß da eine winzige Chinesin sich am Lenkrad hochzieht und mühsam über das Armaturenbrett späht. 
Und wer fährt die Mantas? Naja, echte Mantas gibts hier nicht mehr, aber die Rolle der Mannis und Sepps haben hier die asiatischen Youngsters übernommen. Da paßt wieder alles: tiefergelegte, aufgemotzte Billig-Japaner mit Rostspuren auf der Fahrertüre (Achselschweiß!), den Kennwood-Aufkleber quer über die Heckscheibe, etc. etc. 
Aber alle haben eines gemeinsam: jeder hat Panik, daß seinem geheiligten Kalb etwas passieren könnte. Und deshalb haben alle funkgesteuerte Alarmanlagen, die jedesmal kurz quäken, wenn der Besitzer lässig den Knopf an seinem Schlüsselbund drückt. Das klingt so ähnlich wie "Quickquäck" 
oder Wuitwuit!" oder "Ickaick!", und es geht mir auf den Nerv!
Ich plaziere den Meßsender am Fenster und schreibe ein kleines Programm, das systematisch sämtliche Sequenzen der handelsüblichen Funkgeber durchprobiert (es gibt erstaunlich wenige, nebenbei bemerkt!). Schon nach fünf Minuten werde ich durch ein fröhliches "Quäckquack!" draußen belohnt. 
Ein schwarzer Pickup fühlt sich für diese Kombi zuständig. Ich speichere die Sequenz und suche weiter. 
Gegen abend habe ich 36 Sequenzen von Autos auf dem Parkplatz geknackt und abgespeichert.
Gegen sechs Uhr beginnen die höheren Angestellten der Stadtverwaltung gegenüber zu ihren fahrbaren Untersätzen zu eilen. Ich warte, bis einer ziemlich allein mitten auf dem Platz steht und befehlsgewohnt seinen Funkgeber auf seine Auto richtet: 
"Ickäck!" 
Ich aktiviere die Sequenz sofort nochmal und das Auto macht gehorsam die Anlage wieder scharf: 
"Äckick?" 
Der Besitzer hat nichts mitbekommen oder er meint, ein anderes Auto gehört zu haben, und sperrt auf. Natürlich heult sofort die Alarmanlage auf: 
"Huuiiiaaaaaoooooaaaauuuiiiiiaaaaaoooo ..." 
Nach einigem Fummeln findet der Besitzer in Panik den Notausknopf, und das Geheule erstirbt mit einem unanständigen Rülpsen. Der verdatterte Autobesitzer steigt wieder aus und geht ratlos um sein Auto herum. Ich sende wieder die Aktivierungssequenz, und weil die Türe noch offensteht, heult der Wagen, ein 94 Nissan, brav wieder los. 
Ein schwarzer Polizeiwagen biegt träge wie ein Hammerhai auf der Suche nach einem leichten Opfer auf den Parkplatz ein. Ein Cop steigt betont langsam aus und tippt dem Besitzer, der es gerade wieder geschafft hat, den Notausknopf zu finden, auf die Schulter. Die beiden verhandeln heftig. Ich sehe sogar auf diese Entfernung, daß der Cop meint, der Autofahrer sei reif für den Therapeuten (das ist nicht besonders verwunderlich, weil die Cops hier jeden Unbewaffneten mit genau dieser Grundeinstellung behandeln - und in den meisten Fällen haben sie auch noch recht!). 
Der Cop macht den Mund auf, um auch etwas zu sagen, aber in diesem Moment aktiviere ich die Alarmanlage des Wagens hinter ihm: "Quickquock!!" und der Cop macht einen absolut unwürdigen und unprofessionellen Hopser. Um diesen unverzeihlichen Gesichtsverlust zu kompensieren - inzwischen haben sich nämlich einige Penner auf der Szene eingefunden, die alles aufmerksam, wenn auch aus sicherer Entfernung beobachten - packt der Cop den Nissanfahrer, knallt ihn professionell auf seinen eigenen Wagen und legt ihm Handschellen an. Der zweite Cop steigt aus dem Polizeiwagen - nicht mehr ganz so langsam. 
Um die Szene etwas musikalisch aufzulockern aktiviere ich wieder die Alarmanlage des Nissan, bei dem die Türe immer noch offensteht. Der zweite Cop rennt zu dem Wagen und schüttelt an der Karosserie. Ein Polizisten-Reflex? Alles was Lärm macht, erstmal schütteln. Vielleicht hört's dann von selber auf! 
Der Nissan läßt sich nicht beirren: 
"Oooaaaiiiiuuuaaaooooaaaaiiiiuuu ..." 
Cop Nummer 2 schreit etwas, aber der der Nissan-Besitzer, dem das Blut von der überstürzten Festnahme aus der Nase rinnt, schüttelt trotzig den Kopf. 
Worauf ihn Cop Nummer 1 sicherheitshalber nochmal kräftig durchschüttelt. 
Cop Nummer 2 öffnet die Motorhaube und zieht die Dienstpistole. Drei gezielte Schüsse und das Heulen erstirbt mit einem qualvollen Röcheln. 
Die Sache beginnt mir Spaß zu machen. Zu schade, daß das Licht immer schlechter wird. Sonst wäre das ein hübsches kleines Video geworden ... 
Ich aktiviere die Alarmanlage des schwarzen Mercedes mit dem vergoldeten Kühlergrill direkt hinter Cop Nummer 2: 
"Quockquack!!" 
Der Cop fährt blitzschnell herum und jagt zwei Schüsse in den Kühler des Mercedes 180. Die Penner gehen routiniert hinter Parkbänken in Deckung. 
Grünes Kühlwasser beginnt auf den Asphalt zu bluten.
Ein schon etwas angegrauter Schwarzer kommt aus der Stadtverwaltung und rast über den Platz. Beim Laufen sieht man sein Hüfthalfter unter seiner Jacke hervorschlenkern - ganz offensichtlich ein Cop in Zivil. Bei seinem Anblick nehmen Cop Nummer 1 und Nummer 2 sofort Haltung an. Nummer 2 zerrt sogar den gefesselten Nissan-Besitzer an den Haaren in eine vertikale Position. Der zivile Cop brüllt und fuchtelt in Richtung des blutenden Mercedes - ganz offensichtlich sein Wagen. Cop Nummer 1 versucht zu erklären und wird niedergebrüllt. Cop Nummer 2 versucht zu erklären und wird niedergebrüllt. Der zivile Cop geht auf seinen mißhandelten Mercedes zu, aktiviert seinen Funkgeber und reaktiviert natürlich damit die Alarmanlage, die ich ja vorhin schon ausgeschaltet hatte. Er schließt die Tür auf, und prompt fängt das Ding an zu tuten. 
Ich starte mein Programm, das bei allen 36 geparkten Auto ständig die Alarmanlage an und aus schaltet. Auf dem Parkplatz bricht die Hölle los. 
Die Penner flüchten geduckt in den Park, Cop Nummer 1 und 2 rennen zu ihrem Wagen und verlassen mit quietschenden Reifen den Parkplatz, der schwarze Cop flüchtet sich zurück in die Stadtverwaltung. Nur der Nissanbesitzer bleibt zurück und zerrt ohnmächtig an seinen Handschellen. 
Nach fünf Minuten schalte ich den Meßsender aus und fahre befriedigt nach Hause. Das dürfte für eine Meldung in CNN gut genug sein ...
 
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