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  BASTARD  ASS (I)  GOES  OVERSEAS von Florian Schiel
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B.A.g.O.

23

Ich bastele gerade an einer Windoofs-Erweiterung, die die zuletzt getippten Zeichen nach einem Zufallsschema wiederholt, als mein alter Netzfreund Mobo aus Bill-Gates-Country anruft und fragt, ob ich ihn nicht für ein paar Stunden an der Hotline vertreten könne. Da ich im Moment zufällig nix zu tun habe (da war schon wieder ein Witz, Leute!) und die Kantine dort drüben einen guten Ruf hat, schwinge ich mich in meinen mintgrünen Mustang und kurve hinüber zum Microsoft-Gebäude in Albany. 
Mobo erklärt mir in 13 Sekunden, wie die Telefon-Dispatcher funktionieren, und haut mit seiner neuesten Flamme zum "Kaffeetrinken" ab. Ich habe kaum die aktuelle Ausgabe von WIRED aufgeschlagen, da summt auch schon das erste Gespräch herein. 
Ein Dreiviertel-Geek ist dran und beschwert sich, daß sein Rechner so lahm sei. 
"Bitte sagen Sie mir zuallererst, welche Windoofs-Version Sie benutzen", 
leiere ich herunter - genauso wie es auf dem Hotline-Formular vorgeschrieben ist. Mobo wäre stolz auf mich. Dann allerdings mache ich nach meiner eigenen Methode weiter. 
"Hängt die Boot-Platte an einem SCSI-Bus?" 
frage ich möglichst professionell. 
"J ... ja, klar", 
sagt er etwas unsicher. 
"Hmm, schaut mir ganz so aus, als ob da der Flaschenhals liege", 
sage ich sorgenvoll. 
"Wissen Sie, bei den modernen Buskabeln sind die Adern so eng zusammen, daß im SCSI-Bus im Prinzip nur noch Stehplätze frei sind ..." 
"Hääh? Stehplätze ...?" 
"War nur ein kleiner Scherz", 
sage ich. 
"Ach so!" 
sagt er. 
"Haha! Stehplätze ist gut ..." 
"Tatsache ist aber, daß durch die zu eng geführten Adern in den neuen Buskabeln die elektromagnetische Abstoßung der Elektronen so groß werden kann, daß die Datenübertragung behindert wird." 
"Oh!" 
sagt er. 
"Was kann man da machen ...?" 
"Ganz einfach: Sie müssen die zu eng liegenden Adern wieder auseinanderspreizen. 
Passen Sie auf: Sie bauen jetzt sämtliche SCSI-Kabel in Ihrem Rechner aus ... Sie wissen doch, wie man das macht, oder?" 
Beleidigt versichert er mir, daß er ständig etwas in seinem Rechner aus- oder einbaue. Kein Wunder also ... 
"Gut", 
sage ich, 
"Sie bauen also das ganze Bus-Kabel aus und schneiden mit einem sehr scharfen Messer - am besten mit einer Rasierklinge - die einzelnen Adern des Kabels auseinander. Ganz einfach. Dann bauen Sie das Kabel wieder ein, und voila - es gibt keinen Flaschenhals mehr." 
Er sagt mir begeistert, daß er eine Rasierklinge da habe und sofort mit der Operation beginnen werde. 
Die nächste Anruferin versucht Daten nach Brasilien zu übertragen. 
"Ich versuche es jetzt schon zum dritten Mal", 
mault sie, 
"aber die Verbindung tröpfelt nur so dahin ..." 
"Hmm, ja ...", 
sage ich und klappere munter mit der Tastatur, damit es so klingt, als ob ich tatsächlich die Verbindung prüfen würde. 
"Das muß an der Coriolis-Kraft liegen." 
Heute habe ich anscheinend meinen physikalischen Tag ... 
"Huh???" 
"Coriolis-Kraft. Noch nie gehört? Die Kraft, die einem vom Kurs abbringt, wenn man sich von Nord nach Süd bewegt. Schätze, Ihre Datenpakete werden einfach zu sehr an den Rand des Leiters gedrängt und dort gibt es wegen des Skin-Effekts bei hohen Datenraten einen höheren komplexen Widerstand ..." 
Ich bin heute wirklich ungewöhnlich gut drauf; anscheinend meint das auch die Anruferin: 
"Oh. Ah ... So ... Und was kann man da tun ...? 
"Vermeiden Sie einfach die langen Nord-Süd-Strecken. Schicken sie Ihre Daten erst nach British-Kongo und dann von dort nach Brasilien." 
Das leuchtet ihr sofort ein: 
"Natürlich! Daß ich da nicht selber draufgekommen bin ..." 
Abgesehen davon, daß British-Kongo meines Wissens nicht existiert und wenn es denn existierte, bestimmt keinen Internet-Zugang hätte, soll sie damit glücklich werden. 
Nach drei weiteren Jerks, die wieder mal die "Any-Taste" auf ihrem Keyboard vermissen (ich empfehle allen dreien, sich im Second-Hand-Laden nach einer Windows-92-Tastatur umzuschauen!), meldet sich der typische Heimwerker-Hardware-Spezialist. Er hat auf eigene Faust eine neue Festplatte gekauft und eingebaut. Natürlich funktioniert sie nicht: 
"Beim Einschalten läuft die Platte nur kurz an und bleibt dann wieder stehen ..." 
"Sososo ...", sage ich, "hm ... wie klingt denn das Anlaufen: eher wie ein langsames Pfoooooaaaaauuuuueeeeeeiiiiiiiiiiii oder eher wie Ssssseeeeiiiiii - prattprattprattt - diiiiiiiiihhhhhh..." 
"Äh ... ich weiß nicht so recht ..." 
"Oder klingt es vielleicht gleich von Anfang an wie Scrtchscrtchscrtch - pöttpöttpött - böhh?" 
"Also, ich denke mal, am ehesten noch wie das erste", 
sagt er völlig verwirrt. 
"Pfoooooaaaaauuuuueeeeeeiiiiiiiiiiii? Hm, was steht denn auf dem Label der Platte?" 
"Äh ... Moment ... PT342/AU89- ..." 
"Sagten Sie AU?" unterbreche ich ihn. 
"Ja ..." 
"Alles klar: das kann ja nicht funktionieren; die Platte dreht verkehrt herum." 
"Häh?" 
"Die Platte ist für den Export nach Australien bestimmt. Auf der südlichen Hemisphäre ist alles genau spiegelverkehrt, das wissen Sie doch, oder? Die Autos fahren links, die Sonne und der Mond stehen im Norden, das abfließenden Wasser dreht sich anders herum - deshalb drehen natürlich auch die Festplatten da unten mit dem Uhrzeigersinn, statt gegen den Uhrzeigersinn wie hier." 
"Aber ..." 
"Was meinen Sie, was da für enorme Scherkräfte entstehen, wenn man so ein Ding auf der nördlichen Halbkugel betreibt. Natürlich sind dann alle Magnetköpfe dejustiert ..." 
"Oh." 
Mit anderen Worten: ANTI-ENGINEERING-MODE ON 
"Wenn Sie die Platte nicht zurückbringen wollen, bleibt uns nur eine logische Lösung ... na?" 
10 Sekunden Denkpause. 
"Den Computer auf den Kopf stellen?" 
mutmaßt er vorsichtig. 
"BINGO! Wenn es dann immer noch nicht funktioniert, rufen Sie gleich bei dem Laden an, der Ihnen das Ding angedreht hat, und machen denen die Hölle heiß!" 
Sonst ruft er am Ende in 20 Minuten noch mal hier bei mir an! 
"Sagen Sie denen am besten, daß nicht alle ihre Kunden totale Analphabeten sind und daß Sie sehr wohl ein US von einem AU unterscheiden können. Man kann sich ja schließlich nicht alles bieten lassen!" 
Er verspricht in kämpferischen Ton, daß er das auf jeden Fall machen werde. 
Na, schön. Schade, daß ich das Gesicht des Verkäufer nicht sehen kann. 
Dann wird mir langweilig, und Mobo ist immer noch nicht vom Kaffeetrinken zurück. Ich gehe in den Rechner der das Dispatchen steuert - Mobo hat bequemerweise das Superuser-Passwort an seinem Display hängen - und ändere das Programm so, daß es in unregelmäßigen Abständen zwei Dispatcher miteinander verbindet. Per Konferenzschaltung klemme ich mich auch noch in die Leitung um mitzuhören: 
Dispatcher 18: 
"Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave. Wie kann ich Ihnen helfen?" 
Dispatcher 7: 
"Microsoft PC Hot ... Äh, was?" 
"Ich sagte: Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave. Wie ..." 
"Aber ... aber hier ist doch die Microsoft PC Hotline ..." 
"Ja, natürlich. Ich sagte ja bereits: Microsoft PC Hotline. Mein Name ist ..." 
"Neinneinneinnein ... ich meine ... ich wollte sagen, HIER bei mir ist die Microsoft PC Hotline! Äh .... und meine Name ist John!" 
Schweigen in der Leitung. In den beiden Gehirnen der Consultants passiert jetzt folgendes: Es ist eine Situation entstanden, für die es nur sehr unwahrscheinliche Erklärungsmodelle gibt - z.B. daß irgendein Idiot sich in das Dispatch-System gehackt und die beiden Leitungen verbunden hat. Da menschliche Gehirne nach statistischen Bewertungen vorgehen, wird diese Lösung zusammen mit vielen anderen (z.B. daß der Mond aus grünen Käse ist) verworfen. Nachdem beide Gehirne Dave und John zur gleichen Schlußfolgerung gelangt sind, nämlich daß eine Situation vorliegt, die es eigentlich nicht geben dürfte (zumindest nicht im Bill-Gates-Country!), machen sie das einzig Vernünftige: partieller System-Reset in beiden Großhirnhälften: 
Dispatcher 7: 
"Microsoft PC Hotline. Mein Name ist John. Wie kann ... äh ..." 
Dispatcher 18: 
"Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave. Wie kann ... äh ..." 
"..." 
"John? John, bist du das?" 
"Natürlich bin ich das. Warum zum Teufel rufst du die Hotline an, Dave!" 
"Aber ich habe die Hotline nicht angerufen. Du hast doch bei mir ... ich glaube wir haben ein Problem ..." 
"Ja? Bitte sagen Sie mir zuallererst, welche Windows-Vers ..." 
"John! Laß doch den Quatsch!!!" 
"Oh ... Ok." 
"Im System muß ein Bug sein. Es hat aus Versehen zwei Dispatcher-Plätze vermittelt ..." 
"Oh Gott! Weißt du was das bedeutet? Wir müssen ein internes trouble ticket erstellen. Vier Kopien an den Leiter vom Dienst, den Abteilungsleiter, den Schulungsleiter und an die Entwickler ..." 
"John?" 
"Ja?" 
"Am besten vergessen wir das Ganze ..." 
"Meine ich auch", 
seufzt John erleichtert auf. 
Die Verbindung wird unterbrochen, und natürlich baue ich sie sofort wieder auf. 
"Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave/John ..." 
"John! Mach daß du aus meiner Leitung kommst!" 
"Was soll das heißen. Du hast doch schon wieder angerufen ..." 
An diesem Punkt verlasse ich die Konferenzschaltung und schicke eine anonyme email an den Leiter vom Dienst mit dem Inhalt, daß zwei Dispatcher es geschafft haben, das System zu hacken und auf diese Weise stundenlange Privatgespräche führen. 
Dann leite ich meinen Dispatch-Platz auf die Apple-Hotline um und gehe nach Hause.
 
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