B.A.g.O.
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- Ich bastele gerade an einer Windoofs-Erweiterung, die die zuletzt
getippten Zeichen nach einem Zufallsschema wiederholt, als mein alter
Netzfreund Mobo aus Bill-Gates-Country anruft und fragt, ob ich ihn nicht
für ein paar Stunden an der Hotline vertreten könne. Da ich im
Moment zufällig nix zu tun habe (da war schon wieder ein Witz, Leute!)
und die Kantine dort drüben einen guten Ruf hat, schwinge ich mich in
meinen mintgrünen Mustang und kurve hinüber zum
Microsoft-Gebäude in Albany.
Mobo erklärt mir in 13 Sekunden, wie die Telefon-Dispatcher
funktionieren, und haut mit seiner neuesten Flamme zum "Kaffeetrinken" ab. Ich
habe kaum die aktuelle Ausgabe von WIRED aufgeschlagen, da summt auch schon das
erste Gespräch herein.
Ein Dreiviertel-Geek ist dran und beschwert sich, daß sein Rechner so
lahm sei.
- "Bitte sagen Sie mir zuallererst, welche Windoofs-Version Sie
benutzen",
- leiere ich herunter - genauso wie es auf dem Hotline-Formular
vorgeschrieben ist. Mobo wäre stolz auf mich. Dann allerdings mache ich
nach meiner eigenen Methode weiter.
- "Hängt die Boot-Platte an einem SCSI-Bus?"
- frage ich möglichst professionell.
- "J ... ja, klar",
- sagt er etwas unsicher.
- "Hmm, schaut mir ganz so aus, als ob da der Flaschenhals
liege",
- sage ich sorgenvoll.
- "Wissen Sie, bei den modernen Buskabeln sind die Adern so eng zusammen,
daß im SCSI-Bus im Prinzip nur noch Stehplätze frei
sind ..."
"Hääh? Stehplätze ...?"
"War nur ein kleiner Scherz",
- sage ich.
- "Ach so!"
- sagt er.
- "Haha! Stehplätze ist gut ..."
"Tatsache ist aber, daß durch die zu eng geführten Adern in den
neuen Buskabeln die elektromagnetische Abstoßung der Elektronen so
groß werden kann, daß die Datenübertragung behindert
wird."
"Oh!"
- sagt er.
- "Was kann man da machen ...?"
"Ganz einfach: Sie müssen die zu eng liegenden Adern wieder
auseinanderspreizen.
Passen Sie auf: Sie bauen jetzt sämtliche SCSI-Kabel in Ihrem Rechner
aus ... Sie wissen doch, wie man das macht, oder?"
- Beleidigt versichert er mir, daß er ständig etwas in seinem
Rechner aus- oder einbaue. Kein Wunder also ...
- "Gut",
- sage ich,
- "Sie bauen also das ganze Bus-Kabel aus und schneiden mit einem sehr
scharfen Messer - am besten mit einer Rasierklinge - die einzelnen
Adern des Kabels auseinander. Ganz einfach. Dann bauen Sie das Kabel wieder
ein, und voila - es gibt keinen Flaschenhals mehr."
- Er sagt mir begeistert, daß er eine Rasierklinge da habe und sofort
mit der Operation beginnen werde.
Die nächste Anruferin versucht Daten nach Brasilien zu
übertragen.
- "Ich versuche es jetzt schon zum dritten Mal",
- mault sie,
- "aber die Verbindung tröpfelt nur so
dahin ..."
"Hmm, ja ...",
- sage ich und klappere munter mit der Tastatur, damit es so klingt, als ob
ich tatsächlich die Verbindung prüfen
würde.
- "Das muß an der Coriolis-Kraft liegen."
- Heute habe ich anscheinend meinen physikalischen
Tag ...
- "Huh???"
"Coriolis-Kraft. Noch nie gehört? Die Kraft, die einem vom Kurs
abbringt, wenn man sich von Nord nach Süd bewegt. Schätze, Ihre
Datenpakete werden einfach zu sehr an den Rand des Leiters gedrängt und
dort gibt es wegen des Skin-Effekts bei hohen Datenraten einen höheren
komplexen Widerstand ..."
- Ich bin heute wirklich ungewöhnlich gut drauf; anscheinend meint das
auch die Anruferin:
- "Oh. Ah ... So ... Und was kann man da
tun ...?
"Vermeiden Sie einfach die langen Nord-Süd-Strecken. Schicken sie Ihre
Daten erst nach British-Kongo und dann von dort nach
Brasilien."
- Das leuchtet ihr sofort ein:
- "Natürlich! Daß ich da nicht selber draufgekommen
bin ..."
- Abgesehen davon, daß British-Kongo meines Wissens nicht existiert
und wenn es denn existierte, bestimmt keinen Internet-Zugang hätte, soll
sie damit glücklich werden.
Nach drei weiteren Jerks, die wieder mal die "Any-Taste" auf ihrem Keyboard
vermissen (ich empfehle allen dreien, sich im Second-Hand-Laden nach einer
Windows-92-Tastatur umzuschauen!), meldet sich der typische
Heimwerker-Hardware-Spezialist. Er hat auf eigene Faust eine neue Festplatte
gekauft und eingebaut. Natürlich funktioniert sie
nicht:
- "Beim Einschalten läuft die Platte nur kurz an und bleibt dann
wieder stehen ..."
"Sososo ...", sage ich, "hm ... wie klingt denn das Anlaufen: eher
wie ein langsames Pfoooooaaaaauuuuueeeeeeiiiiiiiiiiii oder eher wie
Ssssseeeeiiiiii - prattprattprattt -
diiiiiiiiihhhhhh..."
"Äh ... ich weiß nicht so recht ..."
"Oder klingt es vielleicht gleich von Anfang an wie
Scrtchscrtchscrtch - pöttpöttpött -
böhh?"
"Also, ich denke mal, am ehesten noch wie das erste",
- sagt er völlig verwirrt.
- "Pfoooooaaaaauuuuueeeeeeiiiiiiiiiiii? Hm, was steht denn auf dem
Label der Platte?"
"Äh ... Moment ... PT342/AU89- ..."
"Sagten Sie AU?" unterbreche ich ihn.
"Ja ..."
"Alles klar: das kann ja nicht funktionieren; die Platte dreht verkehrt
herum."
"Häh?"
"Die Platte ist für den Export nach Australien bestimmt. Auf der
südlichen Hemisphäre ist alles genau spiegelverkehrt, das wissen Sie
doch, oder? Die Autos fahren links, die Sonne und der Mond stehen im Norden,
das abfließenden Wasser dreht sich anders herum - deshalb drehen
natürlich auch die Festplatten da unten mit dem Uhrzeigersinn, statt gegen
den Uhrzeigersinn wie hier."
"Aber ..."
"Was meinen Sie, was da für enorme Scherkräfte entstehen, wenn man so
ein Ding auf der nördlichen Halbkugel betreibt. Natürlich sind dann
alle Magnetköpfe dejustiert ..."
"Oh."
- Mit anderen Worten: ANTI-ENGINEERING-MODE ON
- "Wenn Sie die Platte nicht zurückbringen wollen, bleibt uns nur eine
logische Lösung ... na?"
- 10 Sekunden Denkpause.
- "Den Computer auf den Kopf stellen?"
- mutmaßt er vorsichtig.
- "BINGO! Wenn es dann immer noch nicht funktioniert, rufen Sie gleich bei
dem Laden an, der Ihnen das Ding angedreht hat, und machen denen die
Hölle heiß!"
- Sonst ruft er am Ende in 20 Minuten noch mal hier bei mir
an!
- "Sagen Sie denen am besten, daß nicht alle ihre Kunden totale
Analphabeten sind und daß Sie sehr wohl ein US von einem
AU unterscheiden können. Man kann sich ja schließlich
nicht alles bieten lassen!"
- Er verspricht in kämpferischen Ton, daß er das auf jeden Fall
machen werde.
Na, schön. Schade, daß ich das Gesicht des Verkäufer nicht
sehen kann.
Dann wird mir langweilig, und Mobo ist immer noch nicht vom Kaffeetrinken
zurück. Ich gehe in den Rechner der das Dispatchen steuert - Mobo hat
bequemerweise das Superuser-Passwort an seinem Display hängen - und
ändere das Programm so, daß es in unregelmäßigen
Abständen zwei Dispatcher miteinander verbindet. Per Konferenzschaltung
klemme ich mich auch noch in die Leitung um
mitzuhören:
Dispatcher 18:
- "Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave. Wie kann ich Ihnen
helfen?"
- Dispatcher 7:
- "Microsoft PC Hot ... Äh, was?"
"Ich sagte: Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave.
Wie ..."
"Aber ... aber hier ist doch die Microsoft PC
Hotline ..."
"Ja, natürlich. Ich sagte ja bereits: Microsoft PC Hotline. Mein Name
ist ..."
"Neinneinneinnein ... ich meine ... ich wollte sagen, HIER bei mir
ist die Microsoft PC Hotline! Äh .... und meine Name ist
John!"
- Schweigen in der Leitung. In den beiden Gehirnen der Consultants passiert
jetzt folgendes: Es ist eine Situation entstanden, für die es nur sehr
unwahrscheinliche Erklärungsmodelle gibt - z.B. daß irgendein
Idiot sich in das Dispatch-System gehackt und die beiden Leitungen verbunden
hat. Da menschliche Gehirne nach statistischen Bewertungen vorgehen, wird diese
Lösung zusammen mit vielen anderen (z.B. daß der Mond aus
grünen Käse ist) verworfen. Nachdem beide Gehirne Dave und John zur
gleichen Schlußfolgerung gelangt sind, nämlich daß eine
Situation vorliegt, die es eigentlich nicht geben dürfte (zumindest nicht
im Bill-Gates-Country!), machen sie das einzig Vernünftige: partieller
System-Reset in beiden Großhirnhälften:
Dispatcher 7:
- "Microsoft PC Hotline. Mein Name ist John. Wie kann ...
äh ..."
- Dispatcher 18:
- "Microsoft PC Hotline. Mein Name ist Dave. Wie kann ...
äh ..."
"..."
"John? John, bist du das?"
"Natürlich bin ich das. Warum zum Teufel rufst du die Hotline an,
Dave!"
"Aber ich habe die Hotline nicht angerufen. Du hast doch bei mir ... ich
glaube wir haben ein Problem ..."
"Ja? Bitte sagen Sie mir zuallererst, welche
Windows-Vers ..."
"John! Laß doch den Quatsch!!!"
"Oh ... Ok."
"Im System muß ein Bug sein. Es hat aus Versehen zwei
Dispatcher-Plätze vermittelt ..."
"Oh Gott! Weißt du was das bedeutet? Wir müssen ein internes
trouble ticket erstellen. Vier Kopien an den Leiter vom Dienst, den
Abteilungsleiter, den Schulungsleiter und an die
Entwickler ..."
"John?"
"Ja?"
"Am besten vergessen wir das Ganze ..."
"Meine ich auch",
- seufzt John erleichtert auf.
Die Verbindung wird unterbrochen, und natürlich baue ich sie sofort
wieder auf.
- "Microsoft PC Hotline. Mein Name ist
Dave/John ..."
"John! Mach daß du aus meiner Leitung kommst!"
"Was soll das heißen. Du hast doch schon wieder
angerufen ..."
- An diesem Punkt verlasse ich die Konferenzschaltung und schicke eine
anonyme email an den Leiter vom Dienst mit dem Inhalt, daß zwei
Dispatcher es geschafft haben, das System zu hacken und auf diese Weise
stundenlange Privatgespräche führen.
Dann leite ich meinen Dispatch-Platz auf die Apple-Hotline um und gehe nach
Hause.
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