- Ich sitze im Cafe und bin eifrig damit beschäftigt, die Zeit bis zum
Mitttagessen totzuschlagen, sprich, ich lese die Zeitung und schlürfe
meinen dritten Espresso, als mein Handy läutet.
Irgendwie habe ich jedesmal, wenn das Ding losheult, das vage Gefühl,
irgendwas in meinem Leben falsch gemacht zu haben. Könnt ihr euch noch an
die Zeiten erinnern, als man einfach mal aufs Klo gehen konnte, ohne für
jeden beliebigen Idioten erreichbar zu sein, der 7 Ziffern eintippen kann?
Nein? Tja, sic transit gloria mundi!
Zum Glück hat mein Handy eine 'Gespräch Abweisen'-Taste; die Taste ist
vom vielen Gebrauch schon komplett abgewetzt.
In letzter Sekunde sehe ich, daß es sich um die Nummer meines
Sachbearbeiters vom Europäischen Patentamt handelt. (Es ist übrigens
schon der vierte Sachbearbeiter, dem meine Patentanträge jetzt zugewiesen
werden; keine Ahnung, was mit den anderen passiert ist. Bestenfalls sind alle in
Frührente gegangen.)
- "Hallo",
- melde ich mich.
Der Sachbearbeiter kommt ohne Umschweife zur Sache. Es handele sich um meinen
Patentantrag Nummer <blablafasel> vom <UnverständlichesDatum>,
rattert er routiniert herunter. Dann aber stockt der bürokratisch
geölte Redefluß abrupt.
- "Ääääh ... also ... wie soll ich
sagen ..."
"Na, was denn?"
- frage ich ungeduldig.
- "Spucken Sie's schon aus. Ich hab' auch nicht den ganzen Tag
Zeit!"
- Ich winke der Bedienung für einen neuen
Espresso.
- "Fehlt etwa schon wieder irgendein Formular?"
"Nein, nein",
- beeilt sich Sachbearbeiter zu versichern,
- "formal ist alles in Ordnung ..."
"Aber?"
- Ich höre, wie jemand am anderen Ende der Leitung sich einen moralischen
Ruck gibt.
- "Herr Leisch! Das können Sie doch nicht ernst meinen, oder? Ich
meine ... äh ...
"Was? Was kann ich nicht ernst meinen? Glauben Sie vielleicht, ich fülle
199 Formulare aus, wenn ich etwas nicht ernst
meine?"
- Am anderen Ende raschelt es in den 199 Papieren, und der Sachbearbeiter
holt tief Luft.
- "Sie wollen ... also eine neue Art von Schokolade
patentieren ..."
- Ich bestätige, daß das richtig sei.
- "... und Sie schreiben hier - ich zitiere - 'Das Neuartige an
der Erfindung besteht darin, daß der Genuß der zu patentierenden
Schokolade zu einer signifikanten, dauerhaften räumlichen Ausdehnung
der ... äh ... weiblichen Brust
führt."
- Auch diese wird von mir ruhig bestätigt.
- "Aber das kann doch nicht Ihr Ernst sein ..."
"Sie wiederholen sich!"
"... wie wollen Sie das denn beweisen, zum
Kuckuck?!"
- Ich verweise auf den hinteren Teil des Patentantrags, genauer gesagt
Formular 14b, Teil III, wo ich ausführlich beschreibe, wie
Langzeitstudien mit Studentinnen der Universität München sowie einer
Kontrollgruppe zu signifikanten Vergrößerungen der jeweils
schokoladig unterfütterten Busen führten, wogegen die Kontrollgruppe
keinerlei Veränderungen zeigten.
- "Aber ... aber das ist doch lächerlich!"
- platzt der Sachbearbeiter heraus.
- "Genausogut hätten Sie denen Schweinebraten füttern können;
das hätte den gleichen Effekt gehabt!"
- Ich betone kühl, daß nirgends in meinem Patentantrag stehe,
daß nicht auch andere Lebensmittel zu einer Zunahmen der weiblichen
sekundären Geschlechtsorgane führen könnten. Das sei aber hier
auch gar der fragliche Punkt, weil es hier ausschließlich um meine
Schokolade gehe. Und meines Wissens habe noch nie jemand die Tatsache, daß
Schokolade die weibliche Figur in bestimmten strategisch wichtigen Regionen
verbessern könne, patentieren lassen.
Der Sachbearbeiter wird jetzt kategorisch:
- "Ich sag's Ihnen gleich, Herr Leisch: das wird niemals durchkommen!
Voll-kommen aus-ge-schlossen!"
"Hmm",
- erwidere ich,
- "habe ich schon erwähnt, daß ich vor ein paar Stunden einen Anruf
aus Ihrem Hause bekommen habe?"
"Äh ... nein?"
"Ja, ein Anruf von einer Frau Dr. Henning-Flätbuß. Ist das nicht
zufällig Ihre Abteilungsleiterin?"
- Zögernd gibt der Sachbearbeiter zu, daß dem so
sei.
- "Frau Dr. Henning-Flätbuß hat anscheinend zufällig
meinen Patentantrag bei Ihnen herumliegen sehen. Sie hat sich eingehend bei mir
erkundigt,ob, wann und wo man diese Schokolade, die ich zu patentieren
beabsichtige, käuflich erwerben könne. Im Falle eines Falles wolle sie
gleich 400 Packungen abnehmen ..."
- Am anderen Ende der Leitung herrscht Stille.
- "Hallo?"
- frage ich.
- "Sind Sie noch da? Glauben Sie immer noch, daß eine Patentierung
meiner Idee voll-kommen ausgeschlossen ist?"
- Von der anderen Seite kommt nur noch ein
genuscheltes:
- "... mal sehen, was ich tun kann ..."
- dann legt der gute Mann auf.
Wundert euch also nicht, wenn in naher Zukunft der Konsum von Schokolade noch
mehr boomen wird, als er es sowieso schon tut ...
Nach einem ausführlichen Mittagessen begebe ich mich zurück zum
LEERstuhl, damit Frau Bezelmann nicht immer behaupten kann, ich würde das
Mittagessen nahtlos in die Kaffeepause übergehen
lassen.
Im Büro des Chefs, der wie immer nicht da ist, steht der Kollege O.,
der vom Chef die ehrenvolle Aufgabe erhalten hat, in allen Zimmern
Deckenventilatoren zu installieren.
Das kam so: Die Uni-Leitung hat nach jahrelangen wütenden Protesten der
Studentenschaft und zunehmend auch der Professoren beschlossen, der
voranschreitenden Klimaveränderung mutig ins Auge zu sehen. Tatsache ist
nämlich, daß wir hier in München jetzt bald in jedem Sommer
subtropische Verhältnisse haben, und die Uni-Gebäude - die zum
Teil noch aus dem 18. Jahrhundert stammen - für solche
Verhältnisse einfach nicht geschaffen sind.
Die Folge ist, daß immer mehr Dozenten eigenmächtig Hitzefrei geben,
weil ihnen dauernd die Kreide aus der schweißigen Hand flutscht oder der
Laptop den Hitzetod stirbt. Und die Studentenschaft beschwert sich lautstark,
daß man für 500 EUR Semestergebühren ja wohl erwarten
dürfe, daß in den Hörsälen sauerstoffhaltige Luft vorhanden
sei. Die naheliegendste Lösung, nämlich vernünftige Klimaanlagen
einzubauen, kommt wegen der hysterischen Tse-Oh-Zwei Debatte, die zur Zeit alle
Politiker verrückt macht, natürlich nicht in Frage. Also hat der
Hochschulrat in seiner göttlichen Unfehlbarkeit beschlossen, den Einbau von
Miefquirlen zu gestatten, die wenig Strom verbrauchen, aber trotzdem den
Anschein eines verbesserten Raumklimas erwecken. Der Kollege O. balanciert
gerade gefährlich auf der Leiter und versucht, mit dem Akkuschrauber die
Rotorblätter am Motor zu befestigen. Ich beobachte ihn ein paar Sekunden
vom Gang aus, dann schalte ich den bereits fix und fertig installierten Schalter
auf 'Tornado'. Sofort setzt sich der Motor in Bewegung, und der Kollege O.,
vollkommen überrascht, verliert den Halt auf der Trittleiter, klammert sich
instinktiv an die Rotorblätter und begibt sich auf eine unfreiwillige
Karusellfahrt. Leider ruft sein infernalisches Brüllen sofort Frau
Bezelmann auf den Plan, die das interessante Experiment unterbricht, indem sie
den Stecker aus der Wand rupft. Der Kollege O. dreht noch ein paar
Ehrenrunden, bevor er sich, hochrot im Gesicht, auf den Boden plumpsen
läßt.
- "Leisch!"
- brüllt er, sobald er wieder Luft holen kann.
- "Du bist ja wohl vollkommen bescheuert, oder
was?!"
- Ich erkläre unschuldig, daß ich lediglich das Licht habe
einschalten wollen.
Der Kollege O. starrt mich mit hervorquellenden Augen an, dann guckt er aus
dem Fenster, wo eine strahlende Julisonne am wolkenlosen Firmament strahlt, und
holt tief Luft, um ein weiteres Donnerwetter von Stapel zu
lassen.
Aber Frau Bezelmann schneidet ihm das Wort ab.
- "Sssagen Sssie mal, issst der Ventilator nichchcht viel zzzu
tief?"
- zischt sie und betrachtet kritisch den halb fertig installierten
Rotor.
Aus dem Konzept gebracht, läßt der Kollege O. den Dampf ab und
fragt:
- "Was?! Zu tief? Wieso?"
"Wie hoch ist denn die Decke hier",
- mische ich mich ein, froh über die Ablenkung, denn immerhin hat es sich
herumgesprochen, daß der Kollege O. seit neuestem Kickboxen
betreibt.
- "Äh ... zwei Meter
dreißig ..."
- Ich schnappe mir den Meterstab und halte ihn an den
Ventilator.
- "Und der Ventilator-Schaft ist ca. 35 Zentimeter lang, der Motor
nochmal 10 Zentimeter ... hmm ... wie groß ist der Chef
ungefähr?"
- Wir denken angestrengt nach.
- "Er ... er ist auf jeden Fall größer als
ich ...",
- meint der der Kollege O. zögernd.
- "Um wie viel größer?"
"Naja, einen Kopf etwa ..."
- Frau Bezelmann und ich starren den Kollegen O.
an.
- "Was ... was schaut ihr denn so?"
- fragt der Kollege O. nervös.
- "Sssie sssind mindessstensss ein Meter achzzzig!"
- zischt Frau Bezelmann drohend.
Der Kollege O. wird immer bleicher, während sein Großhirn die
Mathematik erledigt.
- "Wenn ich das richtig sehe, werden die Rotoren genau auf Stirnhöhe des
Chefs sein",
- sage ich fröhlich.
Der Kollege O. erklärt hastig, daß nicht er für die
Besorgung der Ventilatoren zuständig war.
- "Sssondern wer?"
- erkundigt sich Frau Bezelmann mit unheilschwangerer Grabesstimme. So sehr
sie den Chef unter ihrer Fuchtel hat, so sehr steht der Chef andererseits auch
unter ihrem mütterlichen Schutz. Und jemand frontal anzugehen, der unter
Frau Bezelmanns mütterlichem Schutz steht, entspricht ungefähr dem
Versuch, eine Lesung von Salman Rushdie in einer Koranschule zu
veranstalten.
- "Die neue Beschaffungsstelle, die Beschaffungsstelle der Uni war
das!"
- beteuert der Kollege O. mit Schweißperlen auf der Stirn. Frau
Bezelmann zieht sich sofort ins Sekretariat zurück, um der
Beschaffungsstelle gründlich die Leviten zu lesen, und der Kollege O.
stellt sofort erleichtert sämtlich Montagearbeiten ein. Gemeinsam schaffen
wir die noch verpackten Ventilatoren in das ausgediente
Physik-Praktikum III, wo sie vermutlich noch in zwanzig Jahren herumliegen
werden.
Auf dem Weg zurück ins Cafe denke ich über das bedauernswerte
Schicksal der neue Beschaffungsstelle nach. Fast tun sie mir leid, so mit Frau
Bezelmann im Nacken.
Andererseits sind die Burschen auch wirklich selber schuld! Wenn auf ihrem
Bestellrechner ein vernünftiges Administrator-Paßwort wäre,
hätte ich mich schließlich nicht so leicht einhacken und die
Ventilatorbestellung ändern können. Also bitte!
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