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25.03.2007 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Crisis
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Progress
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Wir dürfen uns ja jetzt seit Neuestem und nach höchst-gutachterlichem Beschluß 'Elite-Universität' nennen. Woopy-Doo! 
Man könnte sich jetzt fragen (und man tut es natürlich), ob sich die Uni nach dieser ehrenvollen Ernennung irgendwie anders anfühlt als vorher. 
Nicht wirklich. 
Die Toiletten sind immer noch ein innenarchitektonischer Albtraum, unser großer Hörsaal ist immer noch nicht neu gestrichen worden (obwohl der Chef angeblich schon vor 17 Jahren einen 'Blauen Auftragsschein' ausgefüllt hat) und die Studenten sind immer noch genauso dumm wie vor ein paar Monaten. 
Immerhin gibt es jetzt einen Lichtblick auf die zukünftige Glorie einer Elite-Uni: die Hausverwaltung hat angekündigt, daß in unserem Gebäude das alte Schließsystem durch moderne High-Tech-Transponder-Schlösser ersetzt werden soll. 
Das ist doch mal was Konkretes! Da sehen die Studenten wenigstens, wo ihre sauer verdienten Studiengebühren nutzbringend investiert werden! 
Das alte Schließsystem stammte noch aus den Zeiten König Blaubarts und bestand aus ganz gewöhnlichen Sicherheitsschlössern. Irgendwann vor Urzeiten gab es da wohl auch mal eine ausgeklügelte Hierarchie von General-, Admiral- und Spezialschlüsseln, aber nachdem dauernd irgendwelche Büroräume geplündert und daraufhin wahllos Zylinderschlösser ausgetauscht wurden, schleppt jetzt jeder Mitarbeiter ein gutes Pfund Schlüssel in seinem Hosenbund herum, damit er wenigstens in die wichtigsten Räume (wie zum Beispiel die Teeküche) hineinkommt, ohne jedesmal zu Frau Bezelmann dackeln und um einen Schlüssel betteln zu müssen. 
Der Schlüsselbeauftragte der Hausverwaltung schreibt in seinem Rundbrief euphorisch, daß dieser Zustand einer Elite-Universität nicht mehr gerecht werde und daß deshalb in kürzester Zeit ein hochmodernes, berührungsloses Schließsystem eingebaut werden solle. Keine 6 Wochen später ist tatsächlich jeder Mitarbeiter mit einem kleinen Transponder ausgestattet, der per Knopfdruck sämtliche Türen öffnet - oder zumindest diejenigen, in deren Schloßelektronik der entsprechende Schlüsselkode eingetragen ist. Bleibt noch anzumerken, daß selbst Frau Bezelmann keinen 'General-Transponder' hat; den hat nur der Chef. 
Soweit so gut - das Spiel kann beginnen! 
Am ersten Tag probieren natürlich alle am LEERstuhl an sämtlichen Türen ihre neuen Sesam-Öffne-Dichs aus - das ganze Gebäude hallt wider von dem nervtötenden Gepiepe, mit dem die elektronischen Schlösser die Erkennung eines Kodes quittieren. Ich sitze derweil in unserem Elektroniklabor und schaue mir auf dem angeschlossenen Logik-Analyser an, was die Transponder da wirklich veranstalten. Leider haben sich die Entwickler der Dinger ausnahmsweise mal wirklich was dabei gedacht: Der Transponder sendet nicht nur auf einem magnetischen Trägerfeld einen Kode aus, sondern empfängt dann vom Schloß eine Frage, die er richtig beantworten muß - und dieses Frage- und Antwortspiel ist jedesmal ein anderes. Meine Idee, durch Abhören einfach den Transponder des Chefs zu kopieren, bringt also nix. Schade! 
Dafür mache ich ein paar andere interessante Entdeckungen. Zum Beispiel klebe ich unter die innere Schloßblende der Bibliothekstüre eine winzige Spule und schließe diese an einen uralten seriellen Port an, der seit Menschengedenken nicht mehr verwendet wird. Auf der anderen Seite der seriellen Leitung in meinem Büro schließe ich die gleiche Spule nochmal an und halte meinen Transponder nahe an die Spule. Auf diese Weise kann ich vom anderen Ende des Flurs aus die Bibliothekstüre öffnen. Öffnen ja, aber schließen geht natürlich genauso! Ich verbringe einen fröhlichen Nachmittag damit, die Bibliothekstüre immer genau in dem Moment wieder zu schließen, in dem ein Mitarbeiter versucht, sie zu öffnen. Noch spaßiger ist es, Marianne erst hineinzulassen, aber dann hinter ihr die Türe zu schließen und sie nicht mehr herauszulassen! Nachdem Marianne ihren zweiten Tobsuchtsanfall bekommen und gedroht hat, die blöde Bibliothekstüre mit ihrem titaniumverstärkten Posaunenkasten einzuschlagen, ruft Frau Bezelmann den Schlüsselbeauftragten auf den Plan. Es erübrigt sich zu sagen, daß natürlich alles wie am Schnürchen funktioniert, solange der Typ anwesend ist. Die Blicke,mit denen er Marianne und Frau Bezelmann bedenkt, sprechen Bände. Immerhin, und um guten Willen zu zeigen, tauscht er auf alle Fälle Mariannes Transponder aus (was nicht trivial ist, weil er sämtliche Schlösser, die Marianne öffnen kann, neu programmieren muß) und verzieht sich kopfschüttelnd wieder in die Zentralverwaltung. Kaum ist er weg, kommt Marianne nicht mehr in die Bibliothek, was prompt ihren dritten Wutanfall auslöst. 
Während der Assistent des Gehilfen des Hausmeisters die Trümmer der Bibliothekstüre wegräumt, überlege ich, was man noch alles machen könnte. 
Am späten Abend verbinde ich die Schlösser vom Sekretariat und vom Büro des Kollegen O., das gleich nebenan liegt, mit zwei Spulen und einer Leitung, in die ich vorsorglich einen kleinen Schalter einschleife. Wenn der Schalter geschlossen ist, sind die beiden Schlösser quasi parallel geschaltet. Das hat natürlich zur Folge, daß beide Schlösser auf dasselbe Kodesignal reagieren, und der Transponder ein Durcheinander von verschiedenen Signalen zurückbekommt, mit dem er normalerweise nichts anfangen kann. Mit anderen Worten: meistens geht gar nichts, manchmal öffnet sich das eine, manchmal auch das andere Schloß. In der Früh komme ich noch gerade rechtzeitig, um zu erleben, wie Frau Bezelmann den verdutzten Kollegen O. zur Sau macht, weil dieser es gewagt habe, sie im Sekretariat einzusperren. 
"Aber ... aber ich schwöre, ich habe doch nur meine eigene Türe öffnen wollen", 
stammelt der arme O. hilflos, 
"die geht übrigens auch nicht auf ..." 
Er drückt nochmal auf seinen Transponder und diesmal - weil ich inzwischen unauffällig den Schalter geöffnet habe - reagiert tatsächlich nur sein eigenes Schloß mit fröhlichem Piepen. 
"Hahh!" 
zischt Frau Bezelmann triumphierend, als ob damit alles bewiesen wäre. 
Marianne, die sich inzwischen auch beim Sekretariat eingefunden hat, bemerkt kritisch: 
"Ich habe von Anfang an gesagt, daß diese Transponder ein Scheiß sind ... wieso grinst du eigentlich so dämlich?" 
Letzteres war an meine Adresse gerichtet, und ich beeile mich, mein übliches Dienstag-Morgen-Schlechte-Laune-Gesicht aufzusetzen. 
Am Nachmittag streife ich ziellos durchs Haus und öffnen mit dem 'geliehenen' Transponder des Chefs Türen, von denen nicht mal die Hausmeister wissen, was sich dahinter verbirgt. Dabei mache ich eine sensationelle Entdeckung: 
Der Schlüsselbeauftragte hat auch alle Außentüren unseres Gebäudes mit denselben elektronischen Schlössern ausstatten lassen wie die Büroräume. Berechtigung dazu hat aber praktisch niemand, nicht mal der Chef hat eine. Diese Schlösser lassen sich aber aus Sicherheitgründen von innen per Hand betätigen, damit niemand im Brandfalle irgendwo eingeschlossen sein kann. Fazit: sämtliche Außentüren des Gebäudes lassen sich von innen per Hand abschließen! 
Am nächsten Morgen stehe ich schon um halb sieben vorm LEERstuhl und warte darauf, daß der Angestellte der Schließgesellschaft, die die Uni betreut, pünktlich um Viertel vor sämtliche Außentüren öffnet. Dann rase ich durchs Erdgeschoß und schließe alle Türen von innen wieder ab, verlasse das Gebäude durch den Notausgang in der Tiefgarage und mische mich ganz unschuldig unter die wachsende Menschenmenge, die sich vor dem Haupteingang staut, und die dort aufgehängte Ankündigung liest. So und so, steht es auf dem sehr amtlich wirkenden Dokument, das allerdings keine Unterschrift trägt, wegen massiver Schwierigkeiten mit dem neuen Schließsystem sei dieses Gebäude für das heutige Datum für den Parteiverkehr und den Vorlesungsbetrieb geschlossen. Angestellte der Uni bekämen Sonderurlaub, während die Vorlesungsveranstaltungen leider ersatzlos gestrichen werden müßten. 
Leider taucht schon um neun Uhr der Oberste der Klingonen auf (Leiter der Hausinspektion) und entfernt kopfschüttelnd meine schönen, mit Photoshop mühevoll designten Anschläge. Der immer noch ansehlichen Menge von Studenten und Uni-Angestellten (obwohl der Löwenanteil vorsichtshalber schon längst wieder das Weite gesucht hat) erklärt der Oberste der Klingonen mit lauter Stimme, daß von massiven Problemen mit der neuen Schließanlage gar keine Rede sein könne. An dieser Stelle hört man Frau Bezelmann laut und spöttisch schnauben, und Marianne, lässig auf ihren titaniumverstärkten Posaunenkasten gestützt, wirft ein verächtliches "HAH!!" in die Menge. 
"Was immer Sie von diesem Studentenscherz halten mögen", 
fährt der Oberste der Klingonen selbstbewußt fort, 
"wir werden jedenfalls das Gebäude jetzt sofort wieder öffnen, damit der normale Universitätsbetrieb wieder aufgenommen werden kann!" 
Spricht's, zieht seinen Transponder aus der Tasche und versucht, die Eingangstüre zu öffnen. 
Aber nichts passiert. 
Ein ahnungsvolles Raunen geht durch die Menge, während der Oberste der Klingonen ebenso verzweifelt wie vergeblich auf seinen Transponder drückt. Marianne äußert sich laut und zu jedem, der es hören möchte (und natürlich auch zu allen, die es nicht hören möchten), daß sie schon immer wußte, daß das neue Schließsystem 'ein Scheiß' sei. Als auch weitere, eilends aus der Verwaltung herbeigebrachte 'General-Transponder' keinen Effekt zeigen, muß sich die Hausinspektion fassungslos eingestehen, daß zum ersten Male in der langen Geschichte der Uni ein Gebäude hermetisch abgeschlossen und in keinerlei Weise mehr zugänglich ist. 
Was der Oberste der Klingonen nicht wissen kann (und auch niemals erfahren wird): die empfindlichen Empfänger der elektronischen Schlösser machen sofort die Schotten dicht, sobald ein nur einigermaßen starkes Magnetfeld der Trägerfrequenz von 25 kHz präsent ist. Und heute Nacht haben Yogi Flop und ich den uralten Elektromagneten des Zyklotrons im Keller der Experimentalphysik wieder aktiviert - und auf genau 25 kHz und maximale Leistung getrimmt! 
Pünktlich heute um 15 Uhr wird eine simple Zeitschaltuhr den Elektromagneten abschalten, und dann wird alles wieder so funktionieren, als ob nichts gewesen wäre. 
Was bleibt, ist das angenehm gruselnde Gefühl bei (fast) allen Beteiligten, daß auch in modernen Zeiten die Geister, die man rief, nicht immer und alle Zeit gutartige Geister sein müssen ...
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