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18.01.2007 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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After Xmas Blues
Crisis weiter 
Key Chaos
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In meinem Allerheiligsten herrscht die typische gespannte Atmosphäre eines U-Boots beim Kampftauchgang. Die Jalousien sind heruntergelassen und nur die Monitore und Kontroll-LEDs verbreiten ein geisterhaft flackerndes Licht. Yogi Flop und ich drängen uns vor der Master-Konsole, während ich hektisch Kommandos in die Tastatur hacke. 
"Sch....! So funktioniert das nicht!" 
stöhnt Yogi Flop. 
"Vielleicht sollten wir die Pakete am IP-Adreß-Translator im Switch vorbei leiten ...?" 
"Dann riskieren wir dauernde IP-Paket-Kollisionen", 
antworte ich abwehrend. Ich werfe einen Blick auf die große Digitaluhr an der Wand. 
"Nur noch 19 Minuten! Mist!" 
Der Bastard Hausmeister von Hellinger (B.H.v.H.) ist auch in meinem Allerheiligsten. Von Technik hat er zwar keine Ahnung, aber zur moralischen Unterstützung während der Krise hat er einen Kasten Augustiner Edelstoff besorgt. Da weder Yogi noch ich im Moment eine Hand frei haben, um eine Bierflasche zu halten, bemüht sich der B.H.v.H. tapfer für uns mitzutrinken. Gerade öffnet er die vierte Flasche mit dem Daumennagel (ein richtiger Bastard kann das!), da klingelt das Telefon. Ich schnappe mir den Hörer, brülle ein kurzes 'Wir arbeiten daran!' und schmeiße ihn wieder auf die Gabel. In einer Krisensituation wie dieser kann man sich wirklich nicht um das Gejammere aller möglichen DAUs kümmern, die ihre Lieblings-Webseiten nicht mehr öffnen können. 
"Da ... jetzt seh' ich was ..." 
brabbelt der B.H.v.H. aufgeregt und deutet mit der Bierflasche in Richtung Bildschirm. 
"Nein, das ist nur das Startup-Bild von Yogis Net-Sniffer", 
winke ich ab. 
"Oh", 
sagt der B.H.v.H. enttäuscht. 
Nachdenklich schaut er auf die Flasche in seiner Hand und kneift zweimal angestrengt die Augen zusammen. 
"Komisch, ich hatte doch erst drei Halbe! Ich ... ich dachte jetzt eben, ich sehe eine nackte ... äh ... Frau, die sich mit einer Gurke ..." 
"Das ist schon richtig" 
sage ich, 
"manche Programmierer haben eben einen komischen Geschmack. Aber das löst nicht unser Problem." 
Das Telefon läutet wieder. Diesmal mache ich mir nicht mehr die Mühe, überhaupt abzuheben. Die Uhr zeigt noch 17 Minuten bis Null. 
"Die Datenpakete kommen jetzt zwar durch den Switch, aber die Frame-Rate ist viel zu niedrig", 
meldet Yogi enttäuscht. 
"Und das obwohl ich jetzt schon alle anderen Ports gesperrt habe." 
Bevor ich antworten kann, bumpert es heftig an meiner Türe. Mariannes 125dB-Stimme dringt mühelos durch die panzerverstärkte Türfüllung. 
"Leisch, was hast du mit dem Netzwerk angestellt! Meine sämtlichen Finite-Elemente-Simulationen sind abgestürzt!" 
"Stör' uns jetzt nicht, wir arbeiten bereits daran!" 
brülle ich durch die geschlossene Türe zurück. 
"Wir?! Wieso denn wir?! Wer ist denn da noch drin bei dir?! Mach' endlich die verdammte Tür auf! Oder ich hole meinen Posaunenkasten!" 
Letztere Drohung nehmen wir relativ gelassen zur Kenntnis. Nach dem letzten Posaunenkasten-Angriff im Frühjahr hat der B.H.v.H meine vollkommen demolierte Holztüre durch eine dreifach verstärkte Feuerschutztüre aus dem alten Atombunker unter dem Verwaltungsgebäude ersetzt. Die Türe war dort wirklich vollkommen überflüssig: erstens ist die Wahrscheinlichkeit eines Atomschlags auf die Universität inzwischen mehr als unwahrscheinlich geworden, und zweitens hätte sich ja sowieso nur die Verwaltung darin retten können! Und wen sollen die danach dann verwalten, frage ich? Also bitte! 
Während Marianne vergeblich mit ihrem Edelstahl-Posaunenkasten auf die Atom-Türe eindrischt, gehen Yogi und ich zum x-ten Mal alle Optionen durch, die uns noch offen stehen. 
"Erstens: wir hacken uns direkt in den Backbone-Rechner im Rechenzentrum und öffnen eine Peer-to-Peer-Verbindung." 
Ich schüttele den Kopf. 
"Schaffen wir in der kurzen Zeit nicht mehr!" 
"Zweitens: wir verzichten aufs Bild und haben dann nur Audio!" 
"Komm' gar nich' in Frage!" 
Das war der B.H.v.H. 
"Drittens: wir legen einen Bypass vom Lichtleiter am Switch vorbei direkt auf dem Port, den unser Rechner hier hat." 
Ich nicke nachdenklich: 
"Das sollte auf jeden Fall klappen. Dann haben wir zwar keine Firewall mehr, aber im allgemeinen schützen sich die ANDEREN vor UNS und nicht WIR vor den ANDEREN. Hehehe! Die Sache hat nur einen Haken." 
Ich deute auf die vibrierende Türe. 
"Der Switch ist im Rechnerraum. Wie kommen wir an Marianne vorbei?" 
Die Uhr zeigt noch 14 Minuten. 
In diesem Moment legt das Telefon wieder los. Diesmal allerdings springt der Hörer bei jedem Läuten ein paar Millimeter in die Höhe. Daran erkenne ich, auch ohne aufs Display zu schauen, daß Frau Bezelmann dran sein muß. Resigniert hebe ich ab. 
"Ja? Wir haben hier ein ernstes Netzwerkproblem und ich kann jetzt wirklich nicht ..." 
Frau Bezelmann läßt mich nicht mal ausreden. 
"Herr Leissssch! Der Chefff möchchchte wissssen, wo der neue Beamer hingekommen issst!" 
Ich werfe einen Blick auf den nagelneuen 10000-Euro-Beamer, der bis jetzt leider nur die langweilige Ansicht einer Linux-Oberfläche auf die Leinwand wirft. 
"Ist er nicht in der Gerätekammer?" 
frage ich zurück, um Zeit zu gewinnen und um eine direkte Antwort zu vermeiden. Frau Bezelmann hat sich neulich einen dieser neuen akustischen Lügendetektoren zugelegt, und man kann ja nie wissen ... 
Frau Bezelmann versichert mir mit zahlreichen 'sss' und 'schschsch', daß der Beamer natürlich nicht da sei, sonst würde sie ja wohl nicht bei mir anrufen. 
"Ich glaube", 
sage ich, einer plötzlichen Eingebung folgend, 
"ich glaube, ich habe Marianne als Letztes mit dem Beamer gesehen ..." 
Man beachte das 'ich glaube'; nachher kann ich immer noch sagen, daß ich eben falsch geglaubt habe. 
"Marianne!" 
"... und wenn ich mich nicht sehr täusche, habe ich Marianne gerade noch im Gang vor meinem Zimmer ... äh ... gehört." 
Mit einem angriffslustigen Schnauben unterbricht Frau Bezelmann die Verbindung, und wir drei harren gespannt der weiteren Entwicklung. Das Hämmern des Posaunenkastens hört plötzlich auf. 
"Was machen wir, wenn Marianne abstreitet, den Beamer zu haben?" 
flüstert Yogi Flop, während draußen im Gang ein heftiger Wortwechsel losbricht. 
"Damit wird sich Frau Bezelmann nicht zufrieden geben", 
raune ich zurück. 
"Vergiß nicht, daß sie im ihren Sekretariat diesen neuen Lügendetektor hat. Ich wette ..." 
Ein lautes Kreischen und andere Kampfgeräusche, die sich langsam in Richtung Sekretariat entfernen, bestätigen, daß ich die Wette gewonnen hätte. Yogi Flop sprintet mit einem Patch-Kabel bewaffnet los in in Richtung Rechnerraum. Ein Blick auf die Uhr: noch 11 Minuten! 
Ein dumpfer Schlag läßt die glücklicherweise wieder verschlossene Stahltüre erzittern und zeigt uns unmißverständlich an, daß Marianne unerwartet schnell wieder zurückgekehrt ist. 
Das Telefon klingelt. Der verzweifelte Yogi Flop ist dran. Er komme nicht in den Rechnerraum, berichtet er aufgeregt, weil irgendjemand den Zugangscode geändert habe. 
"Das kann nur Frau Bezelmann gewesen sein", 
sage ich, 
"vermutlich weil sie verhindern will, daß in Zukunft jemand den Beamer ausleiht ... Hmm ... Du gehst jetzt ganz unschuldig ins Sekretariat und sagst, daß der Chef den Beamer selber gefunden hat, aber das Videokabel fehlt. Und das kann ja nur im Rechnerraum sein. Dann muß sie dir den neuen Zugangscode geben, ok?" 
Noch sechs Minuten! Der B.H.v.H. öffnet vor lauter Nervosität drei Bierflaschen auf einmal. 
Ich aktiviere per remote shell das eingebaute Micro in Frau Bezelmanns PowerPC. 
Prompt hören wir die unsichere Stimme von Yogi Flop: 
"Äh ... hallo, Frau Bezelmann ... äh ..." 
"Wasss wollen Sssie?!" 
Yogi stottert die Geschichte vom fehlenden Videokabel herunter. 
"... und ... und deshalb ... ähm ... brauche ich den neuen Zugangscode zum Rechnerraum ... damit ich ... äh ... damit ich dem Chef das Patch-Kabel ... äh ... das Video-Kabel bringen kann ... äh ..." 
"Wasss haben Sssie denn da?!" 
"Das? Äh ... das ... das ist nur ein Kabel ... auch ein Kabel, meine ich ... also kein Patch-Kabel ... äh ... und bestimmt kein Video-Kabel ... also eigentlich gar kein ... äh ... Kabel ..." 
Der B.H.v.H. und ich wechseln einen besorgten Blick. Hört sich ganz so an, als ob Yogi kurz vor dem Zusammenbrechen sei. 
Ich schnappe mir den Telefonhörer und wähle die Nummer des Sekretariats. Während es läutet, starte ich mit fliegenden Händen ein Programm auf meinem Laptop. Gerade als Frau Bezelmann abhebt, tippe ich: 
"Hallo Frau Bezelmann?" 
Aus dem Lautsprecher des Laptops quäkt die unverwechselbare Stimme des Chefs: 
"Ähm ... hallo ... äh ... hallo? ... hrrrrrm ... hallo? ... äh ... Frau ... äh ... Frau Bezelmann?" 
Der B.H.v.H. reist die Augen auf. Anscheinend hat er mein spezielles Sprachsynthese-Programm 'Chef-IV' noch nie in Aktion erlebt. 
Ich tippe: 
"Wo bleibt denn Herr Flop mit dem Video-Kabel?" 
Das Synthese-Programm 'Chef-IV' macht daraus: 
"Hm ... wo ... äh ... wo bleibt denn Herr ... ähm ... Herr ... äh ... Herr Dings ... Herr ... na! Herr Flop mit ... ähm ... mit dem ... hmm ... dem Dings-Kabel ... mit dem ... ääääh ... na, Sie wissen schon ... mit dem ... hallo?" 
Wir hören, wie Frau Bezelmann Yogi Flop knurrend den Zugangs-Code gibt. Noch 7 Minuten bis zur Katastrophe! 
Weitere 4 nervenaufreibende Minuten verstreichen, während derer uns nicht anderes übrig bleibt, an unseren Fingernägel zu knabbern und Mariannes erstaunliche Ausdauer im Türe-Eindreschen zu bewundern. Dann - endlich - bekommen wir die ersten vernünftigen Daten! Katastrophe abgewendet! Gleichzeitig läutet wieder das Telefon. Yogi, völlig außer Atem, ist dran: 
"Der Bypass ist drin, bekommt ihr Daten? Ok, aber ... aber wie komme ich jetzt wieder zu euch rein ...?" 
"Komm hinunter in den Biergarten. Wir ziehen dich mit einem Ethernetkabel zum Fenster hoch!" 
Genau 26 Sekunden vor Null hieven der B.H.v.H und ich den völlig erschöpften Yogi Flop über die Fensterbrüstung. Mit letzter Kraft hechtet er sich in einen der drei Sessel und schnappt sich eine Bierflasche. Mit glänzenden Augen, wie begeisterte Kleinkinder vor dem ersten Weihnachtsbaum, sitzen wir drei friedlich vor dem gestochen scharfen Bild des 10000-Euro-Beamers und sehen den Beginn der weltweit ersten Life-Internet-Übertragung von 'Chicago Power-Lesben Mud-Wrestling' auf der Leinwand erscheinen.
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