- Ich sitze in meinem Allerheiligsten und pflege den After-Xmas-Blues. Nach
besonders gelungenen Festivitäten oder Saufgelagen ist man normalerweise
ziemlich depressiv; das habt ihr sicher auch schon alle mal erlebt - und
ich rede jetzt nicht von einem ordentlichen Kater: der kommt noch oben drauf. In
München zum Beispiel hat die Selbstmordrate immer pünktlich nach dem
Oktoberfest ein Jahreshoch; das sind die ganzen Australier und Skandinavier, die
auf dem Suff-Koma erwachen und denen es langsam dämmert, daß sie
jetzt unweigerlich wieder zurück in die Heimat
müssen.
Als professioneller Bastard darf ich mir so einen Blues natürlich nicht
entgehen lassen: alles was meine Laune verschlechtert, läßt die
Anzahl der Todesfälle auf dem Campus ansteigen und das macht sich
später gut in meiner Personalakte (nicht die Personalakte der Uni, Trottel!
Die andere natürlich!).
Leider sind zwischen Xmax und Neujahr naturgemäß keine Studenten da,
so daß ich meine negativen Energien auf die Mitarbeiter einschränken
muß. Ich verlasse also mein Allerheiligstes und mache mich auf die Suche
nach den Mitarbeitern. Keine 30 Minuten später muß ich einsehen,
daß ich offensichtlich die einzige Lebensform im ganzen Gebäude
bin - wenn man mal von Frau Bezelmanns Postkaktus
absieht.
Ich überlege, ob ich die Gelegenheit nutzen sollte, endlich die Tiefgarage
mal über alle drei Stockwerke unter Wasser zu setzen. Bisher haben die
Hausmeister immer schon bei knapp einem Meter Wasserhöhe mitgekriegt, was
da abgeht und uns den ganzen Spaß verdorben. Yogi Flop behauptet
nämlich, moderne Autos seien so dicht gebaut, daß diejenigen mit
Aluminium-Karosserie schwimmen würden, während der Kollege O.
meint, daß alle sofort über die Lüftungsschlitze volllaufen. Ich
meine, man sollte es einfach ausprobieren; wozu sind wir denn Wissenschaftler
einer Exzellenz-Uni, wenn wir keine Experimente machen?
Problem ist, daß in der Tiefgarage gähnende LEERE herrscht wie
überall sonst auch.
Aber das Stichwort 'Exzellenz-Uni' und mein grassierender After-Xmas-Blues
bringen mich auf die rettende Idee.
Nach kurzem Überlegen schicke ich eine Mail an den Verteiler der
Fakultät, die oberflächlich so aussieht, als käme sie direkt aus
dem Büro des Rektors. Darin steht, daß unser erlauchtester
Landesvater Stoiber sich kurzfristig aus den Klauen der Landrätin Pauli
freimachen konnte und morgen für einen ganzen Tag die neugekürten
Exzellenz-Universitäten besuchen wolle. Und da nicht ganz klar sei, wohin
das Protokoll den Landesvater führen werde, sollten gefälligst alle
Universitätsangestellten am morgigen Werktag(!) anwesend sein, um
eindringlich zu demonstrieren, mit welchem außerordentlichen Eifer die
Exzellenz-Universitäts-Angehörigen ihren wissenschaftlichen und
pädagogischen Pflichten nachgingen. (Ich schreibe natürlich nicht
'gefälligst' sondern drücke es so salbungsvoll aus wie ein
evangelischer Pfarrer, damit auch alle glauben, es komme direkt vom Rektor!) Ich
füge noch einen kleinen aber entscheidenden Absatz hinzu, daß eine
eklatante Nichtanwesenheit sich möglicherweise negativ auf Anträge aus
dem zukünftigen Exzellenz-Fördertopf auswirken
könne.
Als ich am nächsten Morgen wie üblich so gegen Mittag am LEERstuhl
aufschlage, brummt das ganze Gebäude wie ein geschütteltes Wespennest.
Komischerweise ist noch niemandem aufgefallen, daß es nur in unserer
Fakultät brummt. Bei den Physikern gegenüber zum Beispiel ist alles
völlig ausgestorben. Um keinen Zweifel an der Situation aufkommen zu
lassen, berichte ich als allererstes Frau Bezelmann, die gerade dabei ist, Nero
ein weißblau kariertes Halstuch umzubinden, daß ich soeben drei
dunkelblaue 7er BMWs in die Schellingstraße habe einbiegen sehen.
Jeder bayerische Bürger weiß natürlich, daß sich der
Landesvater nur mit Hilfe von mindestens drei dunkelblauen BMWs durch sein Land
bewegt. Deswegen auch seine allseits bekannte, historisch-peinliche Rede
über den Transrapid (http://www.dumkesoft.de/stoiber_transrapid.html). Er
war nämlich damals keineswegs verwirrt oder schlecht vorbereitet, wie es
die immerzu böswillige, bayerische Opposition verbreiten ließ,
sondern er wußte schlichtweg nicht, was ein Zug und noch viel weniger, was
ein Nahverkehrszug ist. Wie sollte er auch, wenn er die letzten zwanzig Jahre
immer nur im 7er BMW kutschiert wurde!
Mein Bericht verbreitet sich erwartungsgemäß mit
Buschtrommel-Geschwindigkeit im ganzen Gebäude. Man kann über Frau
Bezelmann sagen, was man will, aber es gibt keine bessere Gerüchtezentrale
als unser Sekretariat.
Ich werfe einen diskreten Blick in die Tiefgarage und sehe gleich im ersten
Stockwerk mindestens zwei brandneue Audi 6er stehen. Perfekt! Während
die Sprinkleranlage ihr Letztes hergibt und der Wasserspiegel langsam ansteigt,
starte ich ein Ablenkungsmanöver für die Hausmeister, damit sie mir
nicht wieder in letzter Minute mein Experiment verderben. Ich wähle die
Nummer der Hausinspektion.
- "Hausinspektion, grüß Gott!"
"Hier spricht <UNVERSTÄNDLICH>, der Leiter des Gen-Zentrums,
Außenstelle Martinsried. Bei uns sind überraschend 20 Zentimeter
Schnee gefallen, und unsere Hausmeister sind alle im Urlaub. Könnten Sie
nicht ...?"
- Mehr braucht es nicht. Unsere Hausmeister sind durch den andauernden
Schneeentzug in diesem Winter so geil auf eine Runde mit dem Schneepflug,
daß sie binnen zwei Minuten alle unterwegs nach Martinsried sind. Und da
sie ihren geliebten 3,5-PS-Schneepflug garantiert mitnehmen
(Höchstgeschwindigkeit 23 km/h), wird es mindestens drei Stunden
dauern, bevor sie merken, daß in Martinsried wie überall subtropische
Temperaturen herrschen.
Ich schnappe mir die Videokamera aus dem Physikpraktikum III und renne
wieder hinunter in die Tiefgarage, um den Ausgang des
Audi-6er-Schwimm-Experiments für die Nachwelt festzuhalten. Aber schon auf
der Rampe zur untersten Ebene höre ich verdächtige Geräusche:
Lautes Schreien, Herumgeplansche, dann kracht ein Schuß durch die
Katakomben der Tiefgarage!
Ein wahrer Bastard läßt sich durch nichts abschrecken, also linse ich
ganz vorsichtig um die Ecke und sehe - drei dunkelblaue
BMW.
Einer ist schon vollgelaufen und abgesoffen; die anderen schaukeln wie
gemütliche HighTech-Gondeln durch den Hauptflur, während hysterische
Sicherheitsbeamte mit der Waffe im Anschlag durch die Fluten pflügen und
versuchen, einen der noch schwimmenden BMWs gegen potentielle Staatsfeinde ober
und unterhalb der schwarzen Wasseroberfläche zu
sichern.
Ich erhasche noch einen kurzen Blick auf den Landesvater, der mit hochrotem Kopf
Befehle brüllt, dann beschließe ich, das Experiment für heute
lieber abzubrechen.
Morgen ist auch noch ein Tag.
(Oder vielleicht lieber erst im Neuen Jahr, wenn der Bayerische
Verfassungsschutz die Tiefgarage wieder freigegeben
hat ...?)
Happy New Year!
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