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01.03.2006 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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I Robot
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Am nächsten Tag sitzen wir wieder in der Bibliothek, als der Chef hereinkommt und uns sorgenvoll und mit vielen 'Ähs' und 'Hmms' eröffnet, daß er noch kein Geschenk für seine Frau anläßlich ihres 30igsten Hochzeitstages habe. 
"Etwas ... hmm ... Jugendliches vielleicht. Ich ... äh ... dachte da an ein ... hmm ... ein ..." 
"Dings?" 
fragt Frau Bezelmann höflich. 
"... ein Dings ... Quatsch ... ein Konzert, ja. Ein Konzert, was ... äh ... halten Sie davon? ... Hmm ... zum Beispiel dieser Rocker ... äh ... wie hieß er noch ... äh ... dieser Elvis ..." 
Die versammelte Mitarbeiterschaft brütet ein paar Sekunden verblüfft über diesem Vorschlag. Dann fragt der Kollege O. ungläubig: 
"Elvis Presley?" 
"Ja ... ähm ... genau! Das ... äh ... war der Name, ja ..." 
"Aber ... aber der ist doch längst tot!" 
Der Chef betrachtet den Kollegen O. mit bekümmerter Miene. 
"Wissen Sie ... äh ... wissen Sie, das habe ich ... ähm ... befürchtet ..." 
"Wie wäre esss mit den Stonesss?" 
schaltet sich Frau Bezelmann in die Diskussion ein. 
"Die spielen diesssesss Jahr in München!" 
"Ah? ... äh ... Jones war der Name?" 
"Stones", 
sage ich, 
"die Rolling Stones. Die wären wirklich ideal! Da fallen Sie und Ihre Frau auch bestimmt nicht so auf wie auf einem normalen Rockkonzert." 
Die Kollegen schauen mich verwundert an. 
"Die Stones sind zusammen auch schon 265 Jahre alt", 
zische ich leise. 
Der Chef hat glücklicherweise nichts gehört. 
"Stones! ... äh ... phantastisch! ... hrrrm ... vielen Dank für den ... äh ... den Ratschlag ... hmm ... ach ja, ... ähm ... hier hab' ich noch etwas ... äh ..." 
Der Chef zieht einen zerknitterten Brief aus der Jackentasche und fummelt mit seiner Lesebrille herum. 
"... äh ... sieht so aus ... äh ... sieht so aus, als ob wir morgen einen ... ähm ... einen Streik hätten ... hier an der Uni ..." 
Jeder schaut auf einmal Frau Bezelmann an. Diese grinst maliziös. Alle Anwesenden - mit Ausnahme vermutlich des Chefs - denken jetzt Folgendes: 
"Der Streik wäre DIE Gelegenheit, mal endlich zum Skifahren zu gehen! Aber blöderweise meldet uns dann Frau Bezelmann dem Dekanat, und dann gibt es Lohnabzug!" 
Die ganz Mutigen unter meinen Mitarbeitern denken noch zusätzlich: 
"Wie könnte man bloß Frau Bezelmann ausschalten?" 
Nach meiner Erfahrung haben die ganz Mutigen an unserem LEERstuhl keine besonders hohe Lebenserwartung. Ich denke, ihr könnt euch vorstellen, warum das so ist. 
In einem plötzlichen Anfall von Solidarität mit der arbeitenden Bevölkerung erklärt uns der Chef, daß er als Beamter sowieso nicht streiken dürfe. Aber er würde morgen zu Hause arbeiten und er würde als direkter Dienstvorgesetzter jedem Mitarbeiter gestatten, das Gleiche zu tun. 
Später einigen wir uns in einem Bezelmann-sicheren Chat-Room, daß wir morgen lieber doch auf die Streikkundgebung gehen, anstatt wirklich zu Hause zu arbeiten. Immerhin ist ja Fasching, und da will man ja nicht zu Hause rumhocken, während sich die Gewerkschaftler mit dem Landesvater amüsieren. 
Am nächsten Tag ist es saukalt und wir stehen zusammen mit 2000 anderen Streikenden eingekeilt am Odeonsplatz und warten, daß endlich was passiert. Zum Glück drängen uns die 8000 Bereitschaftspolizisten immer mehr zusammen, so daß es schon fast gemütlich warm wird. 
Ich war gestern noch extra beim Friseur und grinse freundlich in die ca. 200 Digitalkameras, die die Burschen vom Bayerischen Verfassungsschutz mitgebracht haben. Hoffentlich werden diesmal endlich auch mal ein paar gute Bilder daraus; die Schnappschüsse von mir im letzten bayerischen Verfassungsschutzbericht waren ganz grauenhaft. 
Ein höflicher Polizist macht Jenny darauf aufmerksam, daß ihre rot geschminkte Nase gegen das Vermummungsverbot verstößt. Außerdem werden wir per Megaphon aufgeklärt, daß der Kollege O. sein rosafarbenes Transparent zwar hochhalten, aber nicht schwenken dürfe, weil dies als aggressive Anfangskriminalität gedeutet werden könne. Während der Kollege O. noch mit dem Polizisten mit dem Megaphon verhandelt, knallt diesem plötzlich eine tote Luftratte (Taube) auf den Sturmhelm, was bei den Demonstranten ausgelassene Heiterkeit auslöst. 
Marianne ist heute ganz in grünem Leder erschienen und läßt sich kaum noch von den weiblichen Demo-Polizei-Amazonen unterscheiden. Ich frage sie, ob sie ihren Titan-Posaunenkasten am Eingang abgeben mußte. Marianne grinst nur verächtlich und zeigt mir eine Hundepeitsche, die sie diskret in den Schaftstiefeln versteckt hält. 
Irgendwo weiter vorne scheint irgendein hohes Tier das Podium erklimmen, weil man Beifall und Pfiffe hört. Am lautesten pfeift natürlich die Verstärkeranlage, weil es nach Murphy bei allen Demos immer Rückkoppelungen geben muß. Was dann schließlich aus den Lautsprechern zu hören ist, klingt genau wie die Stimme des Lehrers in den Peanuts-Comics: 
"Oowang, owah owahwah, owahwahwah owahwahwah!" 
Obwohl kein Wort zu verstehen ist, klatschen und johlen wir nach jedem Satz wie die Besessenen. Erstens machen wir das, weil es nicht verboten ist und die Polizisten nicht mitjohlen dürfen, zweitens, weil es uns wärmer macht, und drittens ist ja schließlich Fasching, und da klatscht man bekanntlich nicht, weil man etwas versteht, sondern weil die Kapelle einen Tusch spielt. 
"Owang-wah! Owahwahwah OuwAAAHHH!!!" 
Eine tote Graugans trifft in einer schrägen Trajektorie genau auf das Rednerpult und fegt den Redner vom Podium. Alle Demonstranten klatschen heftigst und blasen ihre Trillerpfeifen. 
Kurze Zeit später werden wir über Megaphon informiert, daß wir nunmehr zur Staatskanzlei marschieren dürften, wo der Herr Ministerpräsident angeblich ein Grußwort an die Streikenden richten werde. Im Übrigen sei das Werfen mit toten Vögeln nicht gestattet und könne eventuell als aggressive Anfangskriminalität interpretiert werden. 
Vor der Staatskanzlei treffen wir auf die Streikzüge der bayerischen Staatstheater und der Fachhochschule. Letzterer ist eine willkommene Bereicherung, weil die Angestellten der Fachhochschule natürlich viel praktischer veranlagt sind als wir und eine Gulaschkanone gefüllt mit Glühwein dabeihaben. Während immer mehr tote Luftratten auf uns und die Polizisten herniederfallen, erscheint tatsächlich auf einem Balkon in sicherer Höhe von 20 Metern unser verehrter Landesvater. Er wird mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert empfangen, welches er huldvoll lächelnd zur gnädigen Kenntnis nimmt. Doch ziemlich bald macht sich erwartungsvolle Stille breit, weil auch die hartgesottensten Demo-Gruftis was hören wollen. Während zwei Polit-Lakeien schwarze(!) Schirme über seinen Kopf halten, um etwaige Luftrattenstürze abzuwehren, tritt der Landesvater ans Mikrophon: 
"Äh ... äh ...", 
sagt er. 
"Häh? Was hat er gesagt?" 
fragt der Kollege Rinzling, der sein Hörgerät verlegt hat. 
"Nur ein 'äh'", 
sage ich. 
"HÄH?" 
"ER HAT BIS JETZT NUR 'ÄH' GESAGT!" 
brülle ich ins Ohr des Kollegen Rinzling. Die Streikenden in der weiteren Umgebung drehen sich zu uns um. Der Landesvater späht irritiert über seinen Brillenrand zu uns herunter und fährt fort: 
"Äh ... ich begrüße Sie ... äh ... meine sehr verehrten Damen und ... äh ..." 
Einer der Lakaien flüstert etwas in das rechte Ohr des Landesvaters. 
"Äh ... liebe ... äh ... liebe Mitbürgerinnen und ... äh ... hmm ... äh ... Mitbürger ..." 
Direkt neben mir steht Jenny, den Mund vor Faszination leicht geöffnet. 
"An wen erinnert mich der bloß?" 
murmelt sie verblüfft. 
Ich sage es ihr. 
"Oh", 
sagt Jenny, womöglich noch verblüffter. 
Oben auf dem Balkon dröhnt es weiter: 
"... wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten ... ohne daß Sie am Flughafen noch einchecken müssen ... dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen am ... am Hauptbahnhof in München starten Sie ihren Flug zehn Minuten - Schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an, wenn Sie in Heathrow in London oder sonstwo ... meine Charles de Gaulle in ... äh ... Frankreich oder in ... äh ... in ... in Rom ... wenn Sie sich mal die Entfernungen ansehen ... wenn Sie Frankfurt sich ansehen, dann werden Sie feststellen, daß zehn Minuten Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen, um ihr Gate zu finden - Wenn Sie vom Flug ... äh ... vom Hauptbahnhof starten ... Sie steigen in den Hauptbahnhof ein ... Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen ... in an den Flughafen Franz-Josef Strauß, dann starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München - das bedeutet natürlich, daß der Hauptbahnhof im Grunde genommen näher an Bayern ... an die bayerischen Städte heranwächst. Weil das ja klar ist, weil aus dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern zusammenlaufen!" 
Verblüfftes Gemurmel, während die Polizisten, die Polit-Lakeien und nicht zuletzt die Streikenden versuchen, dem hochfliegenden Gedankengang des Landesvaters zu folgen. 
Inzwischen hat sich dieser aber schon wieder verabschiedet und sich in die Demonstranten-sichere Staatskanzlei-Festung zurückgezogen. Mehrere tote Luftratten knallen auf den verwaisten Balkon. Wir warten noch, bis die Gulaschkanonen der Fachhochschule leer sind. Dann lösen wir uns ordnungsgemäß auf und gehen nach Hause.
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