- Ich sitze in meinem Allerheiligsten und stochere wütend mit dem
Mauszeiger in den theologischen Mailservern im vierten Stock herum. Aber selbst
nachdem ich alle geistlichen Wissenschaftler des Gebäudes mit dem
abgefeimtesten Sex-Spams der letzten drei Monate versorgt habe, hat sich meine
Stimmung nicht merklich gebessert. Der Grund für meine tiefschwarze Laune
liegt - wieder mal! - in den neuesten Sparbeschlüssen unseres
geliebten Landesvaters begründet (der jetzt hoffentlich in Bälde nach
Berlin auswandern und mich endlich in Ruhe lassen wird!).
Stoibers Sparorgie hat mit der üblichen ministeriellen Verzögerung von
eineinhalb Jahren jetzt tatsächlich direkte Auswirkungen auf mein
Wohlbefinden, sprich auf mein Instituts-Budget, das ich seit Jahren für den
Chef verwalte. Im Klartext bedeutet dies, daß ich die neueste Version von
'ZombieMassacre VI' nicht mehr auf den Rechnerwartungs-Etat des LEERstuhls
buchen kann, weil dieser auf 10% gekürzt wurde (der Etat, nicht
'ZombieMassacre VI'!).
Um meine gereizten Nerven etwas zu beruhigen gehe ich hinüber ins
Physikalische Praktikum III, wo es seit Jahren ein winziges Leck in der
Lachgasanlage gibt. (Böse Zungen behaupten, daß es dieses Leck vor
meiner Zeit am LEERstuhl nicht gegeben habe, ja sogar, daß vor meiner Zeit
nicht mal eine Lachgasanlage im Physikalischen Praktikum existiert habe, und
daß bis heute niemand herausgefunden habe, für welchen physikalischen
Versuch man die Anlage eigentlich brauchen würde.) Ich nehme ein paar
Dutzend tiefe Atemzüge, um meine erschlafften grauen Zellen etwas
aufzumuntern, und wie immer schärft sich sofort mein Gehörsinn so
enorm, daß ich mühelos hören kann, wie sich Marianne und Jenny
nebenan im Damenklo über die neue Software-Patent-Richtlinie der EU
unterhalten.
- "Das Irrsinnige ist",
- sagt Marianne gerade,
- "daß jetzt irgendwelche Firmen jeden popeligen Button oder irgendein
banales Pulldown-Menu patentieren können, obwohl das Programmierer schon
seit Jahrzehnten in ihre Software einbauen. Eine Katastrophe ist
das ..."
- Das gibt mir eine Idee und ich marschiere eilends zurück in mein
Allerheiligstes und fahre die Schutzschilde hoch.
Zehn Buchbinder-Wanninger-Minuten später habe ich den
Regional-Vertriebsleiter von PopelSoft an der Strippe. PopelSoft vertreibt, wie
jeder weiß, die europäische Version von 'ZombieMassacre IV'. So
und so, erkläre ich dem gelangweilten Vertriebsmenschen, ich würde
gerne die neueste Version von 'ZombieMassacre IV' für soziologische
Studien an der Universität erwerben. Ob es da einen Hochschulrabatt gebe.
Der Vertriebsmensch winkt gähnend ab: Gebe es nicht. Wir müßten
schon den regulären Preis von 799,- EUR
bezahlen.
- "Hmm",
- sage ich und klappere etwas mit der Tastatur,
- "ich habe gerade hier die Demo-Version laufen, und da fällt mir auf,
daß es da einen kontextsensitiven Hilfe-Button gibt, wenn ich die rechte
Maustaste drücke ..."
"Ja, und?"
"Ja, zahlen Sie denn dafür auch
Lizenzgebühren?"
- frage ich ganz unschuldig.
- "Was denn für Lizenzgebühren?"
- will der Vertriebsmensch wissen, jetzt schon nicht mehr ganz so
gelangweilt.
- "Na, soviel ich weiß, gibt es doch ein EU-Patent auf kontextsensitive
Hilfefunktionen. Und wenn neue Szenario-Daten nachgeladen werden, ist da unten
so ein violetter Progress-Bar. Da ist meines Wissens auch ein Patent drauf. Ich
kenne sogar den Patentinhaber ganz gut."
- Wie alle Vertriebsmenschen ist auch der von PopelSoft etwas überfordert,
sobald es nicht mehr ausschließlich um den neuesten Listenpreis oder
seinen Jahresurlaub geht.
- "Äh ...",
- sagt er lahm,
- "... ich kann mir nicht vorstellen, daß wir
da keine Lizenzen für zahlen ..."
"Dann müßte das aber auch irgendwo in der Produktbeschreibung
stehen",
- lege ich sofort nach,
- "Ich kann da aber nix finden. Nach der neuen Software-Patent-Richtlinie,
Paragraph 16A, Absatz 13, Satz 2 ist Ihre Firma verpflichtet,
alle genehmigten Lizenzen auf der Produktoberfläche oder der
Produktspezifikation kenntlich zu machen! Sonst verstoßen Sie vielleicht
nicht nur gegen das Eu-PatG sondern auch noch gegen das europäische KennG,
Paragraph 12, Absatz 6!"
"Oh!"
- sagt er entsetzt, und ich höre sogar durch die Leitung die ersten
Schweißtropfen fallen. Mit anderen Worten:
EUROPEAN LAW BULL SHIT MODE ON
- "Das kann aber ganz üble Konsequenzen für PopelSoft
haben",
- sage ich mit sorgenvoller Stimme.
- "Denn leider fühle ich moralisch verpflichtet, meinem Kollegen, der das
Patent für die kontextsensitive Hilfefunktion hält, sofort eine
entsprechende Mail zu schicken ..."
- Durch die Leitung hört man ein deutliches Schlucken,
dann:
- "Äh ... ich sehe gerade, daß wir seit Neuesten einen
Spezialrabatt für wissenschaftliche soziologische Untersuchungen haben,
90% Prozent Nachlaß, um genau zu sein ..."
"Was?",
- rufe ich.
- "Die Verbindung ist so schlecht! Sagten Sie
99% Nachlaß?"
- Nach drei Sekunden Denkpause bestätigt mir der Vertriebsleiter,
daß er genau das gesagt habe.
- "Oh!",
- sage ich erfreut.
- "Das ist wahrlich eine gute Nachricht! Geht es Ihnen auch so, daß gute
Nachrichten oft lästige Nebensächlichkeiten völlig
überdecken? Positives Denken, nennt man das wohl. Ich kann mich jetzt gar
nicht mehr dran erinnern, worüber wir uns eben noch unterhalten
haben ... aber das ist ja jetzt auch egal. Kann ich Ihnen gleich meine
Bestellung durchgeben?"
- Ein paar Tage später, als ich gerade mit großer Befriedigung die
neueste Version von 'ZombieMassacre IV' auf dem Fileserver installiere,
denke ich flüchtig daran, daß ich Marianne wieder mal gar nicht
zustimmen kann: ICH finde die neue Software-Patent-Richtlinie echt Klasse!
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