Die folgende Episode ist (wieder mal)
schamlos aus dem wirklichen Leben geklaut!
- Man sollte immer zuerst auf seinen Kalender schauen! IMMER! (Deshalb ist es
ja auch so wichtig, einen Bastard Ausredenkalender sein eigen zu nennen -
aber das nur am Rande!)
Hätte ich heute morgen als erstes auf den Kalender geguckt, wäre mir
aufgefallen, daß das Semester heute noch gar nicht zu Ende ist, wie ich
dachte, sondern erst nächste Woche!
Am ersten Tag der Semesterferien pflegt nämlich immer mein Bastard Banker
from Hell anzurufen, um mir mitzuteilen, wie viele illegale
Fußbodenabnutzungsgebühren, Bibliotheksabgaben und falsch
abgerechnete Reisespesen sich im Laufe des Semesters auf meinem Schweizer
Nummernkonto angesammelt haben. Und da mich diese Info verständlicherweise
brennend interessiert - schließlich hängt davon ab, ob ich mich
dieses Jahr auf den Malediven oder in Mallorca vom Streß des
Beamtenalltags erholen werde -, hebe ich, als das Telefon läutet, ganz
gegen meine sonstige Gewohnheit sofort ab.
- "Ja?"
"Äh ...",
- sagt es auf der anderen Seite. Ich höre sofort, daß es nicht mein
Banker ist. Der Anrufer scheint aber ebenso überrascht zu sein wie ich.
Vermutlich hat er sich schon daran gewöhnt, daß unter dieser Nummer
nie jemand abhebt, und nun das.
- "Is' dort die Computer-Technik?"
- nuschelt er nach zwei Schrecksekunden tapfer.
- "Hmm ... ja, man könnte es so nennen",
- sage ich und reiße wütend das alte Kalenderblatt
ab.
- "Was gibt's denn?"
- So und so, erklärt der Anrufer umständlich, der sich als
Gentechniker aus dem neuen Gen-Zentrum nebenan identifiziert: er habe in einen
neu akquirierten Laborraum von der Haustechnik eine Kategorie-6-Verkabelung
legen lassen, und jetzt gebe es aber Probleme mit dem
Netzwerk.
- "Was denn für Probleme?"
- frage ich mit Engelsgeduld.
- "Naja, es funktioniert nur mit 100 MB, aber nicht mit
GigaBit ..."
- Ich seufze. Da besitzt man nun die geistigen Anlagen für drei
Nobelpreise und wird mit solchen banalen Kleinkram belästigt. Da ich zu
faul bin, mir selber etwas auszudenken, google ich rasch ein paar passende
Stichworte und finde auf Anhieb einen vielversprechenden Chat zum Thema
'Fliehkräfte bei GBit LAN'. Ich überfliege rasch ein paar
Beiträge.
- "Ja ... hm ... wie sind denn die Kabel verlegt worden? Gehen die
da irgendwo scharf um die Ecke?"
"Ja ... äh ... ich denke schon,
daß ..."
"Könnte vielleicht daran liegen",
- sage ich,
- "bei GBit müssen in der gleichen Zeit 10mal mehr Elektronen durch die
Leitung, ist klar oder? Das geht natürlich nur, wenn die Elektronen 10mal
schneller fliegen als sonst. An den Ecken sind dann die Zentrifugalkräfte
unter Umständen so hoch, daß die Dinger
'raustunneln ..."
- Acht Sekunden Denkpause. Dann ungläubig:
- "Echt? Aber ... aber ich dachte immer, Elektronen haben praktisch keine
Masse. Da können doch nicht so große Kräfte
auftreten ..."
- Oho, ein physikalisch verbildeter DAU! Das hatten wir schon länger
nicht mehr! Da muß ich wohl doch härtere Geschütze
auffahren!
- "Ich sagte ja auch nicht, daß die Elektronen 'rausfliegen, sondern
daß sie 'raustunneln",
- sage ich streng und hole tief Luft.
- "Die minimale Konzentration von negativen Ladungen an der konvexen
Grenzschicht des Atomgitters bewirkt eine deformierte, weil transversal-latent
gestauchte Shannon'sche Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung, so daß die
Wahrscheinlichkeit des Walkovsky-Trigger-Effekts, also des spontanen
Durchtunnels der Grenzschicht, infolge der Invertierung des Tensorprodukts im
Exponenten gegen eins geht."
"Oh",
- sagt er. Mit anderen Worten:
PHYSICAL BULLSHIT MODE ON
In diesem Mode ist ein DAU-Hirn 150% aufnahmefähig für alles, was nach
StarTrek-TechTalk klingt, wogegen sämtlich kritischen Denkstrukturen
fürs erste abgeschaltet wurden. In diesem Zustand könnte ich ihm jetzt
alles erzählen. Zum Beispiel auch, daß er nur den obligatorischen
GigaBit-Aufschlag nicht entrichtet hat ...
Die Latenzzeit des PHYSICAL BULLSHIT MODE ist allerdings ziemlich kurz; deshalb
ist es wichtig, den DAU ununterbrochen mit neuen Bullshit zu füttern, damit
er nicht wieder in normale Gehirnfunktionen
zurückfällt.
- "Wie gesagt ist das nur eine Hypothese. Sie können das aber ganz leicht
überprüfen ... Haben Sie was zum Schreiben da? Gut. Auf jedem
Rechner gibt es einen Befehl 'ping'. Kennen Sie den?"
- Er gibt unumwunden zu, daß er ihn nicht kennt.
Ausgezeichnet!
- "'Ping' steht für 'progressive investigative network gathering' und
dient ganz einfach dazu, die Anzahl der Elektronen zu überprüfen, die
durch das Netzwerk geschickt werden. Geben Sie 'ping' und die IP-Adresse des
Rechners ein, den Sie über GBit erreichen wollen. Wenn Ihr Rechner
irgendetwas mit 'lost electrons' meldet, fehlt auf der Gegenseite ein Haufen
Elektronen ..."
"Ähm ... ok, ich hab's notiert. Dann probier' ich das mal
gleich ..."
"Moment",
- sage ich rasch,
- "wir müssen schon noch alle Alternativen betrachten. Es könnte ja
auch an was ganz Anderem liegen."
"Was ... was anderem?"
"Eine weitere Möglichkeit ist, daß es an den Windungen zu
hyperbolischen Asynchronien im laminaren Elektronenfluß
kommt ..."
"Häh?"
"Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das, daß die Elektronen auf den
Innenseite der Biegung schneller sind als die synchron fliegenden Elektronen auf
der Außenseite. Dann verschmiert die Impulswelle, die ja wie jeder
weiß idealerweise rechteckig sein sollte,
gaußförmig ..."
"... aha ..."
"... das können Sie ganz leicht abchecken, indem Sie alle Windungen
einmal in die eine und dann später wieder in die andere Richtung legen.
Dann kompensieren sich die Asynchronien wieder, weil ja Hyperbeln stetig
differenzierbare Funktionen sind. Sie müssen aber peinlich auf die
Orientierung achten!"
"O ... Orientierung? Welche Orientierung denn?"
"Na, daß sich das Kabel zwischen zwei kompensatorischen Biegungen nicht
verdrillt, natürlich! Zum Glück ist auf jedem Kabel ein Strich
aufgedruckt, der die Orientierung anzeigt. Sie müssen nur darauf achten,
daß der Strich einmal innen liegt und einmal außen. Verstehen
Sie?"
- Er meint zögernd, daß er das schon verstehe, daß aber die
Leitungen zum Teil unter Putz verlegt worden seien. Manchmal muß man
einfach Glück haben!
- "Tja",
- seufze ich sorgenvoll,
- "das kann relativ aufwendig werden ... vielleicht liegt ja auch nur
eine simple Verkantung vor."
"Eine ... eine Verkantung ...?"
"Ja, Sie wissen ja: Kategorie-6-Datenbits sind normalerweise quaderförmig,
mit genau einer IE (Informationseinheit) Seitenlänge. In einem
langgestreckten Leiter ist das kein Problem, aber wenn es plötzlich um die
Kurve geht, drehen die Bits infolge der Trägheit nicht immer schnell genug
mit und dann wird die Breite eines Datenbits plötzlich mehr als 1 IE.
Und wenn viele Bits parallel fliegen, können sich die Dinger
verkanten."
"Ja ... aber ..."
"Haben Sie eine Netzkarte von GigaMex? Die Netzkarten von GigaMex sind
nämlich die Einzigen, die einen sogenannten Bit-Moulder verwenden, damit
die Datenbits rund sind statt quaderförmig. Da kann es logischerweise nicht
mehr zu Verkantungen kommen ..."
- Der Gentechniker ist jetzt komplett verwirrt. Alles, was er noch
hervorbringt ist:
- "Äh ..."
"Machen Sie folgendes",
- sage ich energisch,
- "als allererstes schauen Sie nach, ob die Netzkarten von GigaMex sind, und
wenn nicht, besorgen Sie welche. Wenn das nichts hilft, legen Sie die verlegten
Kabel wieder frei und biegen alle Ecken so, daß sie gegensynchron
verlaufen. Hilft das auch nichts, dann tunneln bei Ihnen die Elektronen ins
Freie und es bleibt nur noch die Möglichkeit, die Leitung ganz gerade oder
mit ganz weiten Radien neu zu verlegen."
- Er versichert, daß er genau so vorgehen werde und bedankt sich
vielmals für die kompetente Beratung. Abgesehen davon, daß es die
Firma 'GigaMex' nicht mal in Mexico gibt, soll er damit glücklich
werden!
Ich lege auf und klebe sofort ein gelbes PostIt aufs Telefon, damit ich ja nicht
vor nächster Woche nochmal aus Versehen abhebe! Kein Wunder, daß ich
nach Urlaub lechze - bei dem Streß, dem man hier täglich
ausgesetzt ist!
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