- "Rrrrrriiiinnnnggg!"
"..."
"Rrrrrriiiinnnnggg!"
"...<stöhn>..."
"Rrrrrriiiinnnnggg!"
"... großer Core-Dump, was ...?"
"Rrrrrriiiinnnnggg!"
"... Oooooaaaaghh, mein Kopf! Wer ... wer wagt
es ...?
"Rrrrrriiiinnnnggg!"
"... wo ist das ... wo ist das ... verdammte
Telefon ...?"
- <tast> <herunterschmeiß> <polterpolter>
<plumps> ...
- "Oooouuurrrghh! Mein Kopf!"
"Rrrrrriiiinnnnggg!"
- Ich liege neben meinem Bett und versuche verzweifelt, mich aus der Bettdecke
zu befreien. Mein Kopf ist mehrere Kubikkilometer groß und wird gerade mit
taktischen Sprengköpfen bombardiert. Ich versuche, krampfhaft die Augen zu
öffnen, aber irgendetwas versperrt mir die Sicht. Später merke ich,
daß es meine eigenen Augenlider sind, die zu Golfballgröße
angeschwollen sind.
- "Rrrrrriiiinnnnggg!"
- Großer Core-Dump! Ich MUSS dieses Telefon finden oder ich werde
wahnsinnig! Ich taste wie wild in meiner unmittelbaren Umgebung herum und
schmeiße auch noch die letzten Dinge auf meinem Nachttisch herunter. Mit
halbem Ohr höre ich, wie mein Palm zu Bruch geht, aber inzwischen ist mir
schon alles egal ...
- "Rrrrrriiiinnnnggg!"
- Nie wieder - ich schwöre es bei meinem heiligen Powerbook -
nie wieder lasse ich mich von der Bastard female Assistant from Heck
(B.f.A.f.H.) in eine Tequila-Bar abschleppen! Nie
wie ...
- "Rrrrrriiiinnnnggg!"
"Aaaarrrggghhh!"
- Mit mehr Glück als Verstand bekomme ich den Telefonhörer zu fassen
und das infernalische Düdeln hört auf. Erleichtert lasse ich mich zu
Boden sinken; allerdings gaaaanz vorsichtig, damit mein Kopf nicht zu sehr
beschleunigt wird. Allerdings wird mir jetzt auch noch bewußt, daß
ich einen Magen besitze und daß dieser Magen sich entschlossen auf einen
Generalreinigung vorbereitet. Irgendetwas quäkt leise. Ich halte den
Hörer ans Ohr - bloß nicht zu dicht! Eine synthetische Stimme
leiert unbeeindruckt vor sich hin:
- "... wiederhole: dies ist Ihr Telecom-Wake-Up-Call: es ist Freitag, der
Dreizehnte, vier Uhr dreißig. Sie haben für heute folgende Aufgaben
eingetragen:
Acht Uhr: Tequila.
Neun Uhr: Tequila Tequila
Zehn Uhr: Tequila Tequila Tequila
Elf Uhr: ..."
- Mein Magen hört dummerweise mit und schaltet auf Alarmstufe rot. Blind
wie ich bin schaffe ich es natürlich nicht ins Badezimmer. Was für
eine elende Sauerei!
Fünf Minuten später läßt sich mein Magen endlich davon
überzeugen, daß sich ein leeres Behältnis nicht unendlich lang
ausleeren läßt. Ich höre auf zu würgen und würge
dafür das Telefon ab, das immer noch seine Tequila-Messages vor sich hin
leiert.
Wartet nur, wenn ich die B.f.A.f.H. in die Finger bekomme! Dann werde
ich ... werde ich ... ich weiß auch nicht, was ich dann tun
werde, aber es wird fürchterlich sein!
Gewaltsam zwänge ich mit den Fingern meine Augenlider auseinander. Nichts.
Genauso dunkel wie vorher! Im ersten Schreck denke ich, daß mich die
B.f.A.f.H. gestern mit Methanol abgefüllt hat. Dann kapiere ich, daß
es um halb 5 natürlich noch dunkel ist!
Ich suche und finde den Lichtschalter, beseitige die gröbste Sauerei auf
dem Teppich, trinke zweieinhalb Liter Wasser und falle wie tot wieder aufs Bett.
Ich habe kaum die Augen geschlossen, als ...
- "Rrrrrriiiinnnnggg!"
- Großer Core-Dump! Ich schnappe den Telefonhörer und brülle
hinein:
- "Wenn das jetzt noch so ein gottverdammter Wake-Up-Call ist, dann
schwöre ich, daß ich noch heute den zentralen Buchungsrechner der
Telecom abschießen werde!!!"
- Nichts. Nach kurzem Schweigen zischt es aus dem
Hörer:
- "Ssssind Ssssie dasss, Herr Leissssch?"
"Frau Bezelmann?! Darf ich fragen, warum Sie mich mitten in der Nacht aus dem
Schlaf reißen müssen?!"
- Frau Bezelmann macht mich eiskalter Stimme darauf aufmerksam, daß es
elf Uhr vormittags sei, und daß selbst ich um diese Zeit manchmal am
LEERstuhl aufzuschlagen pflege. Im Hintergrund hört man das hämische
Krächzen des Raben Nero.
Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigt, daß ich offensichtlich noch
fünf Stunden wie ein Stein gepennt habe. Wenigstens bekomme ich jetzt schon
ohne technische Hilfe meine Augenlider auf Halbmast und die Detonationen im
meinem Kopf haben nachgelassen. Frau Bezelmann ist immer noch am
Reden:
- "... zwei Ssstudentinnen, die ihre korrigierten Diplomarbeiten abholen
wollen. Der Sssstichtag des Prüfungsssamtesss war übrigensss vor
einem Monat ..."
"Sagen Sie ... sagen Sie ..."
- Ich suche verzeifelt unter dem Bett nach dem Ausredenkalender, der sonst
IMMER griffbereit auf dem Nachtkästchen liegt.
- "... sagen Sie ... äh ...
<blätterblätter> ... daß ... daß ...
wegen einem bulgarischen Virus auf meiner Festplatte das Gutachten verloren
gegangen ist, und ich es erst wieder eintippen muß. Sie bekommen die
Arbeiten dann morgen."
- In Wirklichkeit weiß ich nicht mal, wo diese blöden
Diplomarbeiten sind. Ich hoffe nur, daß sie nicht irgendwo auf dem Teppich
herumlagen ...
Zwei Kannen Kaffee und vier Alkaseltzer später sitze ich mit einem
Eisbeutel auf dem Kopf an meinem Küchentisch und quäle mich durch die
Zusammenfassungen. Zum tausendsten Mal frage ich mich, wann es endlich per
Gesetz untersagt wird, daß Zusammenfassungen von Diplomarbeiten
länger als eine DIN A4 Seite sind?! Die meisten Diplomarbeiten
enthalten sowieso nicht mehr Informationen, als auf einer halben Seite Platz
haben! Und dann noch die idiotischen Gutachten! Wieso reicht es dem
Prüfungsamt nicht, daß ich unten eine rote 4.0 hinmale? Liest doch
sowieso kein Mensch, die Gutachten! Ich wette, im Prüfungsamt sind nur
deshalb so viele Beamte beschäftigt, weil sie Tausende von Gutachten zu
schreddern haben. Kann ja gar nicht sein, daß die das alles aufheben, da
würde die Uni-Verwaltung ja schon längst unter Gutachten begraben
sein!
Seufzend werfe ich mein PowerBook an und rufe mein Standard-Gutachten für
weibliche Studentinnen auf. Dann zermartere ich meinen armen Kopf, was ich da
außer dem Titel und Namen der Autorin Spezifisches reinschreiben
könnte. Dauernd schweifen meine schwärzesten Gedanken ab zur
B.f.A.f.H., von der ich nur hoffen kann, daß sich ihr Kopf genauso
anfühlt wie meiner.
- "Der grundlegende Gedankengang des Kandidaten bereitet dem Gutachter
Kopfzerbrechen",
- schreibe ich.
- "Die Darstellung der Literatur ist eindeutig zu
kopflastig."
- Ich merke, wie meine Augen wieder zuschwellen.
- "Es ist schwer zu sehen",
- schreibe ich,
- "auf welches Ziel die Argumentationen der Kandidatin hinausführen
sollen! Ein roter Faden ist nicht mal ansatzweise
erkennbar!"
"Die Beschriftungen der Abbildungen sind leider nicht zu
entziffern!"
- Mein Verdauungstrakt meldet sich auch wieder zu Wort. Anscheinend ist ihm
die Kaffee-Aspirin-Alkaseltzer-Kur nicht bekommen!
- "Es ist bedauerlich",
- schreibe ich,
- "daß große Teile der Hausarbeit allenfalls als Toilettenpapier
zu verwerten sind."
"An manchen Stellen wird die Darstellung so haarsträubend, daß sich
dem Leser zwangsläufig der Magen herumdreht!"
"Das Literaturverzeichnis ist der Form nach leider zum
Kotzen!"
"Die Diskussion in Kapitel 5 kommt einer geistigen Diarrhöe sehr
nahe!"
"Die größtenteils exaltierte Formulierungskunst kann man allenfalls
dadurch erklären, daß die Kandidatin während der gesamten
Schreibaufgabe unter Alkohol stand!"
- Ich schicke die 'Gut'achten an den Laserdrucker von Frau Bezelmann und
gleich noch eine Blanko-Krankschreibung für morgen hinterher. Dann knacke
ich den Vermittlungsrechner der Telecom, programmiere fünfzehn
nicht-löschbare Weckrufe auf die private Nummer der B.f.A.f.H. und gehe
wieder ins Bett.
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