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15.07.2004 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Bastard Politics
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Laokoon
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Nach 6einhalb Stunden 'Twin Peaks'-DVDs bin ich so groggy, daß ich den Telefonhörer abnehme, bevor mein Großhirn überhaupt mitbekommt, daß es geläutet hat. 
How very David-Lynchy! 
Da es irgendwie peinlich wäre, jetzt wieder aufzulegen, frage ich halt, ob am anderen Ende jemand dran ist. Am anderen Ende ist man offensichtlich genauso überrascht wie ich - daß überhaupt jemand abhebt. 
"Oh ... äh ... hallo ... äh ... das trifft mich jetzt etwas unvorbereitet ... wissen Sie, ich habe schon den ganzen Nachmittag versucht anzurufen, aber es war immer belegt ... und da habe ich automatische Wahlwiederholung eingestellt ... und ... ähm ..." 
"Ja?" 
"... das ist mir jetzt schon sehr peinlich ... ich hab' nämlich vergessen, warum ich eigentlich anrufen wollte ... aber ... aber es hatte was mit dem Computer zu tun, da bin ich mir sicher ..." 
Ich seufze. Es gibt kaum schlimmeres als einen DAU, aber ein DAU mit Gedächtnisschwäche ...? 
"Wen wollten Sie denn eigentlich sprechen?" 
frage ich hoffnungsvoll. 
"Oh, Gott! Ist dort gar nicht die Computerhilfe? Hab' ich etwa den ganzen Nachmittag versucht, die falsche Nummer anzurufen?!" 
Ich gebe resigniert zu, daß hier die Systemgruppe sein, also auch die Computerhilfe - in gewisser Weise jedenfalls. 
"Na, da bin ich aber froh! Jetzt ... ähm ... jetzt müßte mir nur einfallen, warum ich angerufen habe. Hmm ... ich glaube ... ich GLAUBE, es war ein bestimmtes Programm ... aber an den Namen kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern ... und das Programm hat wohl gefrietzt ... ja genau: das wars!" 
"Das Programm hat was?!" 
frage ich verblüfft. 
"Gefrietzt", 
wiederholt er mit unsicherer Stimme, 
"so sagt man doch, oder? Wenn sich gar nichts mehr tut ..." 
"Sie meinen 'ge-freezed'? Das Programm ist eingefroren? Sie können nichts mehr mit der Maus anklicken?" 
"Ja, genau das ist es", 
sagt er erleichtert. 
"Haben Sie noch irgendwo ein Fenster offen, in das Sie klicken können?" 
"Nein, aber ich habe ein Fenster zum Hof offen. Soll ich es zumachen? Hahaha! War nur ein kleiner Witz!" 
Ich seufze tiefer. Ein DAU mit Gedächtnisschwäche und Humor! Wie kommt eigentlich mein Kleinhirn dazu, einfach den Hörer abzunehmen! Muß mal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden! 
"Können Sie denn ein Terminal-Fenster öffnen?" 
frage ich geduldig. 
"Nein, aber das Fenster zur Straße könnte ich öffnen. Hahaha!" 
Wenn ich jemals die User-Kennung dieses Kerls herausbekommen sollte, wird er bis an sein Lebensende keine Fenster mehr öffnen können! 
"Zunächst bräuchte ich mal Ihre User-Kennung", 
sage ich freundlich. 
"User-Kennung? Hmm ... ja ... ich bin sicher, ich wußte die mal ... hmm ..." 
Ich frage ihn mit erzwungener Ruhe, wie er sich denn ohne User-Kennung eingeloggt habe. 
"Oh, ich logge mich nie aus. Ich glaube, wenn ich mal aus Versehen den Rechner ausschalte, loggt mich meine Sekretärin wieder ein ..." 
Ich frage nicht nach seiner Sekretärin, weil die meisten Sekretärinnen inzwischen wissen, daß man seine User-Kennung nicht am Telefon weitergeben soll. Zum Teufel mit den ganzen PC-Fortbildungen; die verderben einem das ganze Geschäft! 
"Sie können jetzt also nichts mehr in Ihrem Rechner machen?" 
"Nein - wieso?" 
"Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als den Reset-Knopf zu drücken und neu zu booten." 
"Ich dachte, man soll immer auf 'Ausschalten' klicken ...", 
sagt er altklug. 
"Ich denke das geht nicht. Ich habe doch gerade gefragt, ob Sie mit dem Rechner nichts mehr machen können ...", 
sage ich verzweifelt. 
"... und ich habe 'nein' gesagt!", 
antwortet der DAU beleidigt. 
"Natürlich kann ich noch was machen! Soll ich ihn herunterfahren?" 
Ein philosophischer DAU mit Gedächtnisschwäche und Humor! Während ich noch im Geiste mit meinem Schicksal hadere, meldet sich wieder der DAU: 
"Jetzt!" 
"Wie 'jetzt'?" 
"Jetzt weiß ich wieder, warum ich den ganzen Nachmittag anrufen wollte: es war gar kein gefrietztes Programm!" 
"Sondern?" 
"Ich habe heute morgen im Manager-Magazin, in der April-Ausgabe, gelesen, daß es für jedes Sternzeichen eine optimale Farbe für den Bildschirmhintergrund gibt. Da stand aber leider nicht dabei, welche Farbe zu Skorpion paßt. Ich bin nämlich Skorpion!" 
Mir schwand Böses. 
"Und?" 
frage ich vorsichtig. 
"Naja, ich dachte, die Computerhilfe wüßte so etwas ..." 
Ich halte die Luft an und zähle bis zehn. Dann klappere ich ein wenig mit der Tastatur und sage: 
"Hmm ... ja. Sie haben ganz recht: die richtige astrologische Hintergrundfarbe kann sich entscheidend auf Ihr Wohlbefinden und ... äh ... und ganz besonders auf Ihren finanziellen Status auswirken ... ganz besonders auf den finanziellen Status! Sie glauben gar nicht, wie eine falsche Hintergrundfarbe einen in den Ruin treiben kann! Ich kannte da mal einen ... aber das führt jetzt zu weit! Ich kann Ihnen Ihre optimale Farbe gleich berechnen ... Wann sind Sie denn geboren?" 
Er sagt es mir. Ich murmele etwas von 
"... tensorgradienter Aszendent instabil im hyperbolischen Bereich der Nichtlinearität des Saturn ..." 
und frage dann nach seiner Kreditkartennummer. 
Der DAU zeigt tatsächlich schwache Ansätze eines eigenständigen Urteilsvermögens und fragt, wozu ich die denn brauche. 
"Oh, nur damit ich die Polarität Ihres pekuniären Plutofaktors ins Positive angleichen kann", 
sage ich, 
"aber keine Angst: wir speichern die Nummern gar nicht erst!" 
Beruhigt gibt mir der DAU seine Kreditkartennummer, das Ablaufdatum und den dreistelligen Sicherheitskode auf der Rückseite. 
Ich klappere wieder eine Weile mit der Tastatur: 
"Ja, ok! Die optimale Farbe für Ihr Sternzeichen unter Berücksichtigung positiv eingestellter Saturn-Valenz ist ... oktarin." 
"Oktarin? Was ... was ist denn das für eine Farbe?" 
Ganz offensichtlich ist dieser DAU kein Fan von 'Disc World'. 
"Oktarin ist so eine Mischung aus blassem Lila und Grün mit einem Stich in metallische", 
erkläre ich, während ich in der Powerpoint-Farbpalette herumfuhrwerke und eine besonders eklige Mischfarbe erzeuge. 
"Leider ist sie im Standardfarbsatz von Windoofs nicht enthalten, weil sie dazu eine Farbtiefe von 78 Bit mit Phasenverschiebung brauchen." 
"Och", 
sagt er ganz enttäuscht, 
"was kann an da machen?" 
Ich sage ihm, daß ich ihm für eine kleine Gebühr von 390 Euro einen entsprechend modifizierten Graphiktreiber schicken könne, und er ist begeistert. Er gibt mir seine Email-Adresse (sic!), und ich schicke ihm kurzerhand ein GIF mit der scheußlichen Farbe. 
"Nehmen Sie die Gebühr doch gleich von meiner Kreditkarte", 
schlägt der DAU vor. 
Da ich schlecht sagen kann, daß seine Kreditkarte vor drei Minuten bis zur Grenze seines Verfügungsrahmens abgeschöpft wurde, bitte ich ihn, mir das Geld lieber in bar zu schicken. 
"Außerdem", 
erinnere ich ihn, 
"hatte ich ja schon gesagt, daß wir Ihre Kreditkartennummer hier aus Datenschutzgründen nicht speichern dürfen." 
(Ich bin so ein Schwein!)
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