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13.04.2004 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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The Truth ... and nothing but the Truth (2)
(REPLAY MODE ON) 
"Du hast mich schon verstanden! Außerdem sind diese Schiffe, die du da als Schuhe mißbrauchst, eine Beleidigung für 4000 Jahre abendländische Zivilisation!" 
Ich schaffe es tatsächlich, weitgehend unverletzt mein Allerheiligstes zu erreichen und die Türe hinter mir zu verrammeln. Verwirrt tupfe ich mir den Kaffee von meinem 'Ich-bin-root-ich-darf-das'-T-Shirt und frage mich, was eigentlich passiert sei. Marianne donnert inzwischen draußen mit ihrem Posaunenkasten gegen die verschlossene Bürotüre, was das Nachdenken auch nicht gerade leichter macht. 
Habe ich wirklich noch im Weglaufen gerufen, daß wirklich nur eine verklemmte Power-Lesbe einen Posaunenkasten als Phallus-Ersatz benutzen würde? Ich wische mir den Schweiß von der Stirne; das wird mir Marianne niemals verzeihen! Wahrscheinlich wird sie mir in der Tiefgarage bei den Männerparkplätzen (die auf meine vehementen Proteste bei der Gleichstellungsbeauftragten hin eingerichtet wurden) auflauern, mich mit ihrem Titanium-Posaunenkasten zu Matsch prügeln und anschließend einen Buchenholzpfahl (-phall?) durch mein zuckendes Herz hämmern. Großer Core-Dump! Eine Sonderermächtigung der Klasse 1 hatte ich mir ganz anders vorgestellt! 
(REPLAY MODE OFF) 
Zwanzig Minuten später bricht Marianne ihren Angriff ab (sogar Marianne weiß, daß man sich mit einem Posaunenkasten nicht durch eine feuerfeste Brandschutztüre hämmern kann!), das Telefon läutet, und völlig zerstreut hebe ich automatisch ab. 
"Hallo? Ist dort die Rechner-Hotline?" 
Eine von unseren Userinnen ist dran, ein typischer DAU, aber mit interessanten Kurven. 
"Ich habe ein Problem mit meiner Diss", 
sagt sie völlig unbedarft, 
"ich bin ganz sicher, daß ich sie gestern noch im Unterverzeichnis 'Promotion' gespeichert habe, und heute finde ich das ganze Verzeichnis nicht mehr ..." 
Habt ihr da noch Worte? Also, ich nicht. Eigentlich ist alles schon gesagt ... 
Routinemäßig werfe ich einen Blick in den Bastard Ausredenkalender: 'Statische Entladungen wegen Plastiklineal' steht drin. Wie einfallsreich! Aber für eine DAU vielleicht noch ganz neu; man kann nie wissen. Ich mache den Mund auf, um etwas von statischen Aufladungen zu schwafeln, und sage statt dessen: 
"Ihre Diss ist deshalb verschwunden, weil ich sie gestern Nacht gelöscht habe. Ich dachte, das wäre der einfachste Weg, Sie dazu zu bekommen hier anzurufen. Jetzt werde ich Ihnen einreden, daß Sie selber aus Versehen mit einem aufgeladenen Plastiklineal Ihre Daten gelöscht haben, und danach die Diss auf ganz wunderbare Weise aus dem Backup wieder einspielen. Aus Dankbarkeit werden Sie sich mit mir zum Abendessen verabreden und mit ein bißchen Geschick bekomme ich Sie dann heute noch ins Bett." 
Scheiße, scheiße, scheiße! Ich könnte mir glatt die Zunge abbeißen! Dabei hat bis jetzt alles so gut geklappt! Die Braut kann ich jetzt für alle Zeiten abhaken! 
Aber nach einer Pause von 5 Sekunden kommt das Unerwartete: 
"Ähm ... wäre acht Uhr ok?" 
Nachdem ich mich tatsächlich mit der DAU verabredet habe, sondiere ich über meine WebCam, ob die Luft auf dem Gang rein ist und schleiche vorsichtig hinüber in die Werkstatt. Auf dem Rückweg begegnet mir Frau Bezelmann mit einem Packen unterschriftsreifer Dokumente unterm Arm. 
"Herr Leischschsch! Ichchch brauchchche Ihre Unterschschschrift auf ... W... wasss haben Sssie denn da im Gesssicht?!" 
Ich spüre deutlich wie mein Mund zu sagen versucht, daß Sie das gar nicht angehe, Sie heliumgekühlte Kaktus-Fetischistin. Zum Glück kommt nur ein 
"Hm hm Hmm hm hem hm, Hm mhm hemmm-hmhehm Hmhmm-Hemhmhmhm!" 
heraus, weil ich mir kreuz und quer Teppichklebeband über das Schandmaul geklebt habe. Frau Bezelmann bedenkt mich mit einem ihrer typischen Minus-230-Grad-Celsius-Blicke, und ich kann praktisch sehen, wie sie denkt: 
"Jetzzzt issst der arme Irre komplett über den Jordan!" - und gleich darauf sagt sie es auch. 
Ich versuche ihre momentane Verblüffung auszunutzen und mich in mein Allerheiligstes zu verdrücken, aber Frau Bezelmann schneidet mir den Weg ab und hält mir fordernd die Unterschriftenmappe unter die Nase. 
"Moment nochch! Dasss hier mussssss sofort unterschschrieben werden, damit ichch meinen letzzzten Guerilla-Nahkampf-Kursssusss als berufliche Fortbildung ersssetzzzt bekomme!" 
Frau Bezelmann erstarrt ein zweites Mal vor Schreck. Ich nicht. Seit dem Vorfall mit der Übungshandgranate bei der Erstsemestereinschreibung überrascht mich gar nix mehr! 
Ich nehme den Kugelschreiber und sehe hilflos zu, wie meine Hand statt meines unleserlichen Unterschriftkrakels schreibt: 
"Das könnte Ihnen so passen, Sie studentenmordende, heliumgekühlte Kaktus-Fetischistin!" 
Ich schaffe es lebend zurück in die Werkstatt, die zum Glück auch eine feuerfeste Brandschutztüre hat. Allerdings sagt das nicht viel; jetzt hängt alles davon ab, ob Frau Bezelmann wie üblich ihre Panzerfaust im Wagen dabei hat oder nicht. Schätzungsweise bleiben mir sechs Minuten, bis sie aus der Tiefgarage wieder zurück ist. 
Ich mache mir eine stabile Handfessel aus dem verbleibenden Klebeband und binde meine rechte Hand hinten am Gürtel fest. Gar nicht so einfach mit nur einer Hand und verklebtem Mund! Ich bin noch nicht mal ganz fertig, da bricht draußen auf dem Gang ein mehrstimmiger Tumult aus. Ich gucke vorsichtig um die Ecke und sehe den Kollegen O. und den Kollegen Rinzling in engem man-to-man-combat. Der Kollege O. hat den Kollegen Rinzling in den Schwitzkasten genommen, während dieser von hinten O.s Haare gepackt hat und mit aller Macht daran zerrt. Beide überhäufen sich mit den wüstesten Beschimpfungen, die aber bei nüchterner Betrachtung allesamt der Wahrheit entsprechen. Unser B.H.f.H., der zufällig vorbeikommt, versucht die beiden Streithähne zu trennen, aber anstatt sie zur Vernunft zu rufen, brüllt er statt dessen, daß beide akademische Nichtstuer und intellektuelle Schmarotzer seien, die mit ihrer angeblichen Wissenschaft seine Steuergelder verprassen würden. Daraufhin fallen die beiden gemeinsam über den armen B.H.f.H. her, der von seiner eigenen Äußerung so verblüfft ist, daß er viel zu spät anfängt sich zu wehren, und der Kollege Rinzling landet den ersten und einzigen Kinnhaken seines Lebens, bevor ihn der B.H.f.H. kopfüber in den Abfallrollwagen der Putzfrau steckt. 
Weiter hinten haben sich Jenny und Marianne in den Haaren (buchstäblich!), und vor dem Mikroprozessor-Praktikum sehe ich Yogi Flop, unseren notorischen Frauenfeind, inmitten eines aufgebrachten Mobs von Studentinnen blutüberströmt zu Boden gehen. Jetzt weiß ich endlich, warum die Dinger Stilettos heißen! 
Mitten im Chaos steht der Chef, vermutlich der Einzige im Institut, der sowieso immer die Wahrheit sagt, und betrachtet mit offenen Mund diesen Ausbruch erzwungener Wahrhaftigkeit an seinem LEERstuhl. Und als am Ende des Ganges auch noch Frau Bezelmann mit ihrer Panzerfaust auf der Schulter auftaucht, beschließe ich, daß es an der Zeit ist nach Hause zu gehen, SE1 hin oder her! 
Wie ich es mit nur einem Arm die Feuerleiter hinunter geschafft habe, wird mir später auf ewig ein Rätsel bleiben. Auf jeden Fall komme ich mehr oder weniger unverletzt bis zur U-Bahn-Station, und als ich probeweise bei der Kioskbesitzerin nach einem extra-milden Fishermen's Friend frage und dann, als sie sich umdreht, eine Fahrkarte stibitze, atme ich erleichtert auf. Offensichtlich scheint der Wahrheitswahn tatsächlich auf unseren LEERstuhl beschränkt zu sein. 
Zuhause, kaum daß ich mich von den superklebrigen Teppichklebebändern befreit habe, logge ich mich beim LEERstuhl ein und sichere alle Texte, die auf sämtlichen Rechnern am Institut einschließlich Email am heutigen Tag geschrieben wurden, auf ein separates Laufwerk. Wenigstens die nächsten Tage möchte ich noch meinen Spaß haben ...
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