Der Präsident hat in einem der letzten Jubel-Pamphlete der Uni-Leitung
verkündet, daß die zukünftige Universität sich als
Dienstleistungsunternehmen gegenüber den 'Kunden', sprich den
StudentInnen, betrachten solle. Vergleichbar einem gut geführten Kaufhaus
in München. Alle Angehörigen der Universität seien aufgefordert,
sich in diesem Geiste besondere Mühe mit dem Umgang der Studierenden in
LEERE, Wissenschaft und Verwaltung angedeihen zu lassen.
Ich kann dieser Grundhaltung nur von ganzem Herzen zustimmen: in meiner ganzen
bisherigen 2000jährigen Dienstzeit habe ich noch nie einen so
grottenschlechten Service erlebt wie in den Kaufhäusern hier in Bayern.
Ausgenommen vielleicht noch die kalibanesischen Feuerfresser im dritten
Jahrhundert, welche ihre Kunden zuerst auf kleiner Flamme zu rösten und
dann die Überreste an ihre gerade domestizierten Hausschweine zu
verfüttern pflegten.
- Trotzdem scheinen solche Gehirnwäschephrasen bei manchen
Uni-Angestellten abnormale Reaktionen in der vorderen Hirnrinde
auszulösen: Beim Kaffeetrinken äußert sich der Kollege O.
plötzlich lobend über die Computerkenntnisse unserer
Studenten!
Es sei doch erstaunlich, was die Kids heutzutage von der Schule
mitbrächten, sagt er zum Beispiel. Dadurch daß heutzutage praktisch
jeder Haushalt seinen PC hätte, wäre da eine ganz andere Basis
vorhanden als noch vor fünf Jahren.
Frau Bezelmann und ich wechseln einen vielsagenden Blick, und Frau Bezelmann
zieht hämisch die Mundwinkel nach unten.
- "Ehrlich gesagt, ich sehe das nicht so enthusiastisch", sage ich in
möglichst unschuldigen Tonfall.
Der Kollege O. springt sofort drauf an: "Hah! Das ist ja bekannt,
daß DU immer alles schwarz malen mußt!"
"Aber nicht doch", grinse ich diabolisch, um ihn ein wenig in Fahrt zu bringen.
"Ich würde ja liebend gerne etwas in schwarz malen, aber die
intellektuellen Fähigkeiten der Studentenschaft sind so blank, daß
es da schlichtweg nichts zu malen gibt."
Der Kollege O. schnappt nach Luft, und Frau Bezelmann beschließt mit
blitzenden Augen, in die Diskussion einzugreifen: "Wenn Leisch sssich sssso
sssicher issst, könnte man ja eine Wette
abschliessssen ..."
Ich zucke betont gleichgültig mit den Achseln. "Wenn O. unbedingt eine
Kiste Whiskey verlieren will ..."
- Unter der Oberaufsicht von Frau Bezelmann werden die Modalitäten
festgelegt. Ich habe 24 Stunden Zeit nachzuweisen, daß die
Computerkenntnisse unserer Studentenschaft sich auf dem geistigen Niveau von zu
früh geernteten Auberginen bewegen; in diesem Falle muß O. mir eine
Kiste Whiskey zahlen. Wenn ich dagegen verliere, bin ich verpflichtet, einen
Artikel für die Studentenzeitschrift 'ProStudio' zu schreiben, in der ich
zugebe, daß sich die Computerkenntnisse der Studenten in den letzten
Jahren deutlich verbessert haben. Der Kollege O. ist nämlich
ehrenamtlicher Redakteur bei diesem Schmierenblatt.
- "'PornoStudio' soll sich mal lieber keine Hoffnungen machen", sage ich gut
gelaunt, nachdem die Wette mit Handschlag besiegelt ist.
"'PROStudio'!" knurrt der Kollege O. wütend.
"Ach so?" mime ich den Erstaunten. "Nicht 'Porno'? Gönnt ihr den armen
Kleinen denn gar keine Spaß? Jaja, schon gut, reg dich wieder
ab ..."
- Ich begebe mich eilends in mein Allerheiligstes, fahre die Schutzschilde
hoch und schicke folgende Mail an den geknackten Mailalias, mit dem ich
alle eingeschriebenen Studenten erreichen kann:
- "ACHTUNG! An alle Studierenden!
Neu am Computer? Probleme mit Linux, Windows oder NT?
Keinen Peil mit neuer Software?
Wozu lange herum probieren?
Nutzen Sie die neu eingerichtete UNI-COMPUTER-HOTLINE!
Tel.-Nummer XXXXX, 24-Stunden-Service."
- 24 Stunden müssen für die Wette ausreichen; ich schreibe ja
nicht, daß ich jeden Tag 24 Stunden erreichbar sein
werde!
Als Nummer gebe ich einen Port an unserem Telefonserver an und route die
Verbindung weiter auf meinen Anschluß. Dadurch werden alle Gespräche
automatisch aufgezeichnet, von wegen der
Beweisführung.
Um mich auf die lange Nacht vorzubereiten, klaue ich drei tiefgefrorene Pizzas
aus dem Kühlschrank im Fachschaftszimmer und schnappe mir drei Maxi-Colas
aus der Cafete. Kaum bin ich zurück in meinem Allerheiligsten, da klingelt
auch schon das Telefon Sturm.
- "Universität München. Rechner-Hotline. Wie kann ich Ihnen
helfen?"
"Ja, also ... äh ... hallo ... äh ... ich hab'
also ein Problem mit dem PC hier ... und es ist also ... also, es ist
einfach keiner mehr da ... also im Institut meine ich ... keiner mehr
da, den ich fragen könnte, also ..."
- Eindeutig ein Frischling!
- "Wo liegt denn das Problem? Funktioniert irgendetwas nicht?" sage ich in
dem schmeichelnden Tonfall, mit dem man scheu gewordene Pferde oder renitente
Chefs beruhigt.
"Ja, also: genau ... oder vielmehr ... also, eigentlich funktioniert
gar nichts, weil ... also, der Bildschirm, also, der bleibt einfach
dunkel ... also irgendwie rührt sich da gar
nichts ..."
Bevor er nochmal 'also' sagen kann, und ich einen Schreikrampf bekomme, sage
ich hastig: "Al ... äh ... sagen Sie bitte ganz einfach, was Sie
machen wollten und was dann passiert ist."
"Also ..."
"Nur ganz einfach beschreiben, was los ist, ok? Gar kein Problem, wir
bekommen das schon hin."
"Der Bildschirm bleibt dunkel, wenn einschalte ... also, aber man
hört, daß der PC was machte ... also, innen drinnen, meine
ich ..."
"Ok", sage ich erleichert, "ist den wenigstens der Cursor noch
da?"
"Was?"
"Ob der Cursor noch da ist?"
"Nein ... äh ... also, ich sagte ja schon, daß absolut
niemand mehr am Institut ist ..."
- Es stellt sich dann heraus, daß nur das Netzkabel hinten am
Bildschirm herausgefallen ist.
- "Das darf natürlich nicht passieren", sage ich mit sorgenvoller
Stimme, "weil, wenn der Bildschirm nicht gleichzeitig mit dem PC
hochfährt, kann es zu a-chromatischen Desynchronisierungen der
Ablenkmatrix im Elektronenwerfer kommen - und plötzlich haben Sie
dann komische Farben auf dem Display eingebrannt."
"Oh ... also, oh ..."
"Können Sie sich einen Klebstoff besorgen?" frage
ich.
- Er sagt, daß im Sekretariat niemand mehr sei, und er habe nur den
Schlüssel zur Werkstatt, aber da sei kein Kleber.
- "Sind in der Werkstatt lange dünne Nägel und ein
Hammer?"
"Also ... ich glaube schon ..."
"Bestens! Sie holen sich einen möglichst dünnen Nagel und den Hammer.
Dann schalten den PC und den Bildschrim wieder ab und legen den Bildschirm mit
der Mattscheibe nach unten. Soweit klar?"
- Der Student bestätigt, daß mir mühelos folgen
könne.
- "Dann stecken Sie das Netzkabel ganz fest in den Sockel und schlagen den
Nagel schräg durch den Stecker, so daß er sich im
Plastikgehäuse des Bildschirms verankert. Möglichst so, daß man
den Stecker nicht mehr abziehen kann, ok?"
"Also, sind Sie sicher ... ok."
"Wenn's nicht klappt, können Sie ja nochmal anrufen", sage ich und
lege auf.
- Kaum ist der Hörer auf der Gabel, und ich habe noch nicht mal die
erste Pizza in der Microwave, da läutet es schon
wieder.
- "Universität München. Rechner-Hotline. Wie kann ich Ihnen
helfen?"
"Ich ... bin ich da richtig bei der
Rechnerberatung?"
- Weibliche Stimme, nicht unsexy. Ich bestätige freundlich (!),
daß dem so sei. Zumindest heute, füge ich in Gedanken
hinzu.
- "Also (!)", sagt sie, "ich bin ja ein Steinbock."
- Pause.
- "Aha!" sage ich leicht verblüfft, "und weiter?"
"Und ich habe am LEERstuhl für Datenverarbeitung einen HiWi-Job und
muß da so lange Listen eintippen ..."
"Sicher rasend interessant", sage ich, "und weiter?"
"Und, wie Sie sicher wissen - es stand ja in jeder esotherischen
Zeitschrift drin - hat jedes Sternzeichen seine bestimmte Farbe ...
Steinbock ist weiß!" fügt sie mit vorwurfsvollem Ton hinzu, als ich
dafür persönlich verantwortlich wäre.
"Okay?" sage ich vorsichtig. "Und was ist jetzt
da ...?"
"Der Hintergrund von meinem Schreibprogramm ist aber
blau!!!"
"Ach ..."
"Und jetzt habe ich jeden Abend Kopfweh und Schmerzen in der rechten
Nierengegend! Ist ja kein Wunder, wenn ich den ganzen Tag blau sehen muß
statt weiß ..."
"Ach so ..."
"Blau ist noch dazu die Farbe meines Arzen ... Astenden ...
Aszendenten ... der ist nämlich blau ... und jeder weiß,
daß das schädlich sein MUSS!"
"Gut", sage ich, "und jetzt wollen Sie WAS genau von mir?"
"Natürlich will ich einen weißen Hintergrund!"
"AHA! Ok, und welche ... hmm ... welche Farbe hat denn die Schrift in
Ihrem Schreibprogramm? Ist die vielleicht auch esotherisch
bedenklich?
"Nein, die ist zum Glück schon weiß."
- Ah-oh! Alles bestens! Ich zeige ihr ganz schnell, wie sie den Hintergrund,
die Window-Rahmen und überhaupt das ganze Desktop auf reinstes Weiß
umstellen kann und lege rasch auf, bevor ihr dämmert, welchen praktischen
Nutzen Farbkontraste vielleicht haben könnten.
Nächster Anruf ein paar Minuten später:
- "Umiverfität Mümpfen. Refnea-Hotfline. Wie kann if Ihmn
helpfn?"
- (Mund voll mit Pizza!)
- "Hallo? Äh ... ja, ich hab' ein ganz einfaches Problem: Wie kann
ich in meinen Text ein Euro-Zeichen eingeben? Ich find' das einfach nicht auf
der Tastatur ..."
- (Pizza-SCHLUCK!)
- "Ok, das ist ganz einfach: drücken Sie gleichzeitig die Tasten ALT-GR
und E."
"Waaas?"
"Gleichzeitig die Tasten ALT-GR und E."
"Hnnnnggg!"
- (Lautes Rascheln und Kratzen, wie wenn er sich den Telefonhörer unters
Kinn geklemmt hätte.)
- "Hallo? Sind Sie noch dran?"
"Hnnnngg! Das geht nicht!"
"Das muß gehen", sage ich, "versuchen Sie's
nochmal!"
"Nein, ich meine ... hnnnnggg ... ich schaff' es nicht, alle SECHS
Tasten gleichzeitig zu drücken ..."
- BINGO!
- Ich sage seelenruhig: "Das schaffen Sie nicht? Wo haben Sie denn bloß
Ihre Computereinführung gemacht? Wie wollen Sie denn dann im Notfall den
Rechner zurücksetzen? Da müssen Sie sogar STRG-ALT und die
Delete-Taste drücken. Das sind sogar ACHT Tasten
gleichzeitig ..."
"Hnnnng!"
"Am besten lassen Sie sich morgen erstmal von Ihrem Betreuer zeigen, wie so was
geht", sage ich kühl und lege auf.
- Spät nachts - ich bin gerade mitten in 'The
Godfather III' - läutet tatsächlich nochmal das Telefon.
Ich werfe einen Blick auf die Systemuhr. Muß ein ganz eifriger
Nachtarbeiter sein.
- "Universität (gähn!) München. Rechner-Hotline. Wie kann ich
Ihnen helfen?"
"Äh ... hallo?" Sehr verwunderte Stimme eines Professors o.ä.
"Ist da ... äh ... tatsächlich ... äh ...
tatsächlich noch ... äh ... jemand ... hmm ...
ich dachte, ich probier's nur einfach mal ... äh ...
ja ..."
- Definitiv Professor! Kein Student schafft so viele 'äh's in einem
Satz! Das bringt mir aber nix für meine Wette mit dem Kollegen O.,
und außerdem habe ich schon sowieso genug Material - mindestens
15 Super-DAUs - aufgezeichnet. Und drittens möchte ich mein
Video weiter gucken!
- "Wo liegt denn das Problem?" frage ich ungnädig.
"Ja ... äh ... wie soll ich sagen ..." (groan!)
"... äh ... der PC hier in der Ecke, der muß immer laufen,
weil ... weil ... hmm ... weil ... äh ... den
genauen Grund habe ich ... äh ... habe ich vergessen. Aber der
muß immer laufen und ... naja, das ... das Dings ...
das ... äh ... das ... der Lüfter macht zu viel
Lärm ... und ich kann mich nicht ... ähm ... es
ist ... es fällt mir schwer ... kurzum: Kann man das nicht
leiser bekommen ... irgendwie ...?"
- Ich stöhne innerlich. Diskussionen mit Professoren über
störende Rechnergeräusche können sich meiner Erfahrung nach bis
in die frühen Morgenstunden hinziehen. Es hat überhaupt gar keinen
Sinn, mit irgendwelchen technischen Begründungen oder gar
thermodynamischen Beweisen anzufangen. Nicht mit
Professoren!
- "Können Sie auf die Rückseite des Rechners sehen?" frage
ich.
"Äh ... ja? Ja, ich denke, doch ..."
"Ist da irgendwo in der Nähe des Lüfters ein kleiner verdeckter
Schalter, mit dem man die Lüfterdrehzahl einstellen
kann?"
"Äh ... Schalter ...?"
"So ein kleiner Schieber oder Drehknopf mit Schlitz. Meistens steht auch
die Drehzahl dran: 110 oder 220 oder so ..."
"Ja ... äh ... stimmt!" (glücklich) "... den sehe
ich ..."
"Und? Auf welche Drehzahl ist der eingestellt?"
"Äh ... auf 220, glaube ich ..."
"Dacht' ich mir's doch!" seufze ich. "Der ist wieder mal auf die höchste
Drehzahl gestellt; dabei braucht man das höchstens in den Tropen. Nehmen
Sie einen Schraubenzieher und schalten Sie die Drehzahl auf die niedrigste
Stufe, 110, das reicht vollkommen ... oh, da kommt gerade ein
Gespräch auf der anderen Leitung ... ich glaube, Sie kommen dann
schon zurecht, nicht wahr? Gute Nacht!"
- Um ganz sicher zu gehen, daß er nicht mehr anruft, um mir seinen
verschmorten Rechner zu schildern, lenke ich die Hotline-Nummer auf die Voice
Mail des Kollegen O. um.
Eine Woche später und unter der strengen schiedsrichterlichen Aufsicht von
Frau Bezelmann (die dafür zwei Flaschen abkriegt) liefert der
Kollege O. zähneknirschend eine Kiste Whiskey in meinem Büro
ab ...
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