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12.06.2002 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Bastard Bet
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Es gibt zweiundvierzigeinhalb offiziell beim Vatikan (Glaubenskongregation) registrierte Beweise dafür, daß Gott existiert. Der einzige offiziell anerkannte halbe Gottesbeweis stammt von Herrn Norbert Samestöter aus Wiesbaden. Er lautet kurzgefaßt etwa so:
"Der liebe Gott muß existieren! Wenn er nämlich nicht existieren würde, hätten wir alle, also ich selber, alle meine Kollegen und Vorgesetzten und natürlich auch alle Beschäftigten der Aufsichtsbehörde, uns schon längst in kleine bösartige Trolle mit grünen Hörnern und vorstehenden Zähnen verwandelt. Da ich aber jeden Tag um vier nach Hause gehen kann und im Flurspiegel sehe, daß ich mich wider Erwarten nicht in einen kleinen bösartigen Troll verwandelt habe, muß es jemanden geben, der jeden Tag dafür sorgt, daß es nicht passiert. Dieser eine kann nur Gott sein; ergo muß Gott existieren."
Herr Samestöter aus Wiesbaden arbeitet - nebenbei bemerkt - als Buchprüfer bei der Bundesfinanzbehörde. 
Das ist natürlich alles kein Geheimnis. 
Weniger bekannt ist jedoch, daß der Orden Jesu ebenfalls eine geheime Sammlung von inzwischen 967 Beweisen angelegt hatte, daß Gott NICHT existiert. Falls ihr demnächst mal nach Rom kommt, könnt ihr gerne selber nachschauen. Die 967 Gottesbeweise sind auf einem alten, alterschwachen Windoofs-Rechner gespeichert, der in der Gründungskirche des jesuitischen Ordens, Il Gesu, hinter einem Bild von Tizian versteckt gehalten wird. Wenn ihr an den PC herankommen könnt, schaut in das Verzeichnis namens 'Vade Retro' auf dem Laufwerk D:. 
Manchmal kann er sehr nützlich sein, so etwas zu wissen. 
Ich sitze in meinem Allerheiligsten und warte darauf, daß das Telefon klingelt. Doch, doch, ihr habt richtig gelesen: ich warte darauf, daß das Telefon klingelt. 
Nein, der BAfH hat jetzt keinen masochistischen Anfall. Ich warte darauf, daß mein B.B.f.H. ('Bastard Banker from Hell') anruft und mir mitteilt, daß das Geld eingegangen ist. 
Welches Geld, welches Geld?! Wieso müßt ihr immer alles ganz genau wissen! Das Geld eben! Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, daß seit gestern aus dem Materiallager des Universitätsbauamts 36 Kilometer Kategorie-6-Netzkabel fehlen und ich das Geld sofort weiter auf mein Nummern-Konto auf den Caymans verschieben muß, sobald dieser blöde Anruf endlich kommt.
Das Telefon klingelt und nach einem Fünftel Klingeln hebe ich ab. 
"Ja?!" 
"Äh ... ähm ... ist dort die ... äh ... hmm ... der ... äh ... Rechner-Support?" 
Es ist nicht der B.B.f.H.; aber das habt ihr wahrscheinlich schon selber gemerkt! 
Bevor ich noch sagen kann, daß hier die staatliche Rekrutierungsbehörde für die geplante Marskolonie ist, labert der Anrufer schon weiter: 
"... äh ... ich habe da nämlich ein Problem ... ich habe hier einen Computer ... natürlich nur vorübergehend ..." 
"Wieso 'natürlich'?" frage ich gegen meinen Willen interessiert. 
"Weil er nicht mir ... uns ... ich meine, er gehört nicht dem Institut, sondern dem erzbischöflichen Ordinariat ..." 
Es klingt fast so, als müsse er sich entschuldigen, daß da plötzlich so ein weltliches Ding wie ein Rechner in seinem Büro stehen würde. 
"Der ... äh ... Computer kommt natürlich wieder weg, wenn ich ... wenn wir mit dieser Veröffentlichung fertig sind ... hmm ... eigentlich keine Veröffentlichung, eher so ... so eine Broschüre für die nächste Studentenwallfahrt zum heiligen Stuhl ... Sie verstehen?" 
"Nein", sage ich. 
"Äh ..." 
beginnt er überrascht, aber ich unterbreche ihn gleich wieder: 
"Und was ist jetzt mit diesem erzbischöflichen Computer?" 
"Also ich ... der Dekan hat versucht, die Seite des Vatikans aufzurufen, aber der Computer sagt nur, daß diese Seite gar nicht existiere - was natürlich auf gar keinen Fall sein kann - oder daß diese Seite vorübergehend nicht erreichbar sei - was auch nicht sein kann, die Seite des Heiligen Stuhls, ich bitte Sie! ... äh ... wo war ich? Ach ja, und dann sagt der Computer noch, daß man den Ad-mi-ni-stra-tor kontaktieren solle, und da dachte der Dekan ... oder vielmehr seine Sekretärin, die dachte ... die wußte Ihre Nummer ... und so ..." 
"Studentenwallfahrt, was?" 
frage ich zögernd. 
"Wie? Ach so ... äh ... ja, ich arbeite daran ... soll daran arbeiten ... aber dazu brauchen wir die Vorlagen von der Seite des Vatikan und ..." 
Ich sage, daß ich sofort 'raufkomme, lenke mein Telefon auf seinen Anschluß um (B.B.f.H.!) und tigere los. Studentenwallfahrt! Hah!
Auf dem Büroschild steht 'Fundamentaltheologie'. Aha. AHA! Drinnen stehen der Typ, der telefoniert hat, der Dekan der katholischen Theologie und eine Tussi, die seine Sekretärin sein muß und für ihren Beruf viel zu sexy angezogen ist: Ihr Pullover hat keinen Rollkragen und die Schnallenschuhe sind nur dunkelgrau! Offensichtlich hat die meine Telefonnummer gehabt, und ich frage mich, woher? Von mir bestimmt nicht! 
Auf dem alterschwachen PC ist vorne auf der Abdeckblende ein großes Kreuz aufgeklebt und am unteren Bildschirmrand klebt ein St. Christopherus. Ich setze mich an den PC, lasse alle zehn Finger knacken und sage, daß das nicht ganz einfach wird, und daß bitte während der gesamten Operation absolutes Silentium einzuhalten sei. Dann hole ich die Hardware-Adresse der Netzkarte heraus und telefoniere hinüber ins Rechenzentrum, damit sie das Ding in den DHCP-Server eintragen.
Die drei Fundis - wie ich sie in Gedanken schon nenne - stehen derweil mit gefalteten Händen um mich herum, wie beim Vaterunser in der Kirche, und versuchen, ganz flach zu atmen. Ich warte noch drei Minuten völlig regungslos, außer daß ich bei jedem Geräusch, das vom Gang hereindringt, mißbilligend die Augenbrauen runzele, dann räuspere ich mich plötzlich so laut ich kann: 
"Hrrm ... hrrrrhrrrmm!" 
Alle drei Fundis zucken zusammen und der Dekan läßt seine Brille fallen, mit der er nervös herumgespielt hat. 
"Wenn wir sowieso schon warten müssen, können wir uns ja ein paar neue Gottesbeweise erzählen!" 
sage ich fröhlich. 
Der Dekan starrt mich kurzsichtig mit offenem Munde an. 
"Kennen Sie zum Beispiel den schon: Jeder weiß, daß Gott vollkommen ist. Wenn nun aber - wie die Atheisten behaupten - Gott nur in alten Hollywood-Filmen wie 'Quo Vadis' vorkäme, dann wäre er mangelhaft, weil jeder weiß, daß eine Hollywood-Figur nicht vollkommen sein kann. Ich meine, denken sie nur an Julia Roberts! Mangel widerspricht aber dem Konzept der Vollkommenheit; folglich muß Gott auch als Nicht-Hollywood-Figur existieren." 
Verblüfftes Schweigen; die Sekretärin-Tussi versucht krampfhaft, ihre Mundwinkel unter Kontrolle zu bringen. Ich wußte doch, daß die nicht ganz koscher sein kann! So jung und bei den Fundamentaltheos! 
"Urrgh!" 
stöhnt der Fundamentaltheologe und guckte den Dekan an. 
"Äh ..." 
sagt der Dekan und räuspert sich so professoral, daß die Gläser auf dem Waschbecken im Hintergrund leise klirren. 
"Andererseits", fahre ich fort, bevor sie sich von ihrem Schock erholen können, "andererseits gibt es natürlich immer noch vollkommen unbelehrbare, verstockte Atheisten, denen auch die besten Gottesbeweise nicht mehr helfen können. Nehmen Sie zum Beispiel diesen gottlosen Computer hier ..." 
Ich gebe der alterschwachen Windoofs-Kiste einen Fußtritt, so daß das aufgeklebte Kreuz herunter flattert. 
"... der ist natürlich ein völlig hoffnungsloser Fall! Da hilft auch der Christopherus nichts mehr! Schauen Sie bloß mal her ..." 
Ich rufe ein DOS-Eingabefenster auf und tippe ein: 'GOTT'. 
Der Gag ist zwar Asbach-uralt, kommt aber immer wieder gut an. 
Die Antwort vom DOS ist natürlich: 
"GOTT ist entweder falsch geschrieben oder kann nicht gefunden werden" 
Dem Dekan fällt die Kinnlade herunter; der Fundamentaltheologe stottert entsetzt: 
"Um Gottes Willen, um GOTTES Willen ..." 
Die Sekretärin kann sich nicht mehr halten und stürzt prustend aus dem Zimmer. 
Eine Woche später gehe ich über das trojanische Pferd, das ich natürlich im Fundi-Rechner installiert habe, in die Druckvorlagen für die Studentenwallfahrts-Broschüre. Als Bastard muß man sich in Rom auskennen; schon von Berufs wegen! Ich vertausche ein paar heilige Adressen mit denen einschlägiger Häuser fraglichen Rufes und mache auch sonst noch ein paar strategische Änderungen, nach denen die Theologiestudenten diese Wallfahrt bestimmt ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden. 
Nach dieser Anstrengung schlendere ich nach vorne ins Sekretariat und klaue Frau Bezelmann den letzten Rest Kaffee aus der Maschine. (Das ist keineswegs besonders mutig von mir, denn Frau Bezelmann ist um diese Zeit immer unten an der Pforte, um den UPS-Mann zu erschrecken, der einen Stapel Pakete durch unser idiotisch schmales Treppenhaus balanciert. In drei von zehn Fällen schafft sie es, daß der arme Mann ein oder zwei Pakete durch den Lichtschacht hinunter ins zweite Untergeschoß fallen läßt. An solchen Tagen ist dann Frau Bezelmann den Rest des Tages bester Laune!)
Marianne ist auch da und versucht, mit einem Asbesthandschuh aus dem Labor bewaffnet an ihre Post im Postkaktus zu kommen. 
"Wieso guckst du so verdammt zufrieden?" 
fragt Marianne mißtrauisch. 
"Hast du etwa wieder den Server mit meinen Simulationen abstürzen lassen?" 
Ich zucke nur arrogant mit den Achseln, um anzudeuten, wie lächerlich Mariannes Simulationen im Vergleich mit meinen verantwortlichen Aufgaben an dieser Uni sind. 
"Ich habe heute beschlossen", 
sage ich gewichtig, 
"meinen positiven pädagogischen Einfluß auch auf Studenten außerhalb unseres LEERstuhls auszuweiten ..." 
"Herzliches Beileid!" 
kommentiert Marianne trocken. 
"Wer sind denn die Unglücklichen?" 
Marianne verrenkt sich abenteuerlich, um an einen besonders tückisch placierten rosa Brief zu kommen, auf dem deutlich sichtbar ihr Name prangt. 
"Fundamentaltheologie." 
Marianne bekommt einen Lachkrampf, macht eine falsche Bewegung - und hat sofort drei Dutzend Stacheln im Unterarm. 
"Die Theologen!" 
prustet sie, während ich ihr ritterlich die Stacheln mit der dazu bereit liegenden Pinzette entferne (Frau Bezelmann ist zwar grausam, aber keineswegs unpraktisch veranlagt!). 
"Die Theologen! Das letzte Mal, als du an einem ihrer Proseminare teilgenommen hast, haben sie anschließend den Hörsaal mit Weihwasser durchgespült!"
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