16.08.2000 | BASTARD MAILING LIST | © Florian Schiel |
Diploma |
Election II |
Bad Conscience |
Die Hochschulwahlen stehen wieder mal an. Da auch die Fuzzy-Fraktion ( =
akademischer Mittelbau ) ihren Vertreter wählen muß, hat sich der
Kollege O. dieses Jahr breitschlagen lassen zu kandidieren. Zuerst hatte
ich mich ja selber angeboten; schließlich ist so eine Fachbereichssitzung
eine geniale Ausrede, um Vorlesungen ausfallen zu lassen. Aber komischerweise
waren sich alle Kollegen darüber einig, daß ich nicht den Furz einer
Chance hätte (Originalzitat Marianne), naja ... Jedenfalls pestet uns
jetzt der Kollege O. seit Wochen, daß wir auch ja alle zur
Fuzzy-Konvention ( = Mittelbauversammlung ) gehen sollen, damit seine
Kandidatur Rückhalt aus der Basis habe. Natürlich hat kein normaler
Mensch wirklich Lust, dahin zu gehen, obwohl es beim letzten Treffen sogar
alkoholfreie Getränke und Dauerlutscher gab (gegen Selbstkosten
allerdings!). Um zu demonstrieren, daß ich nicht nachtragend bin, gehe ich kurz vor der Fuzzy-Konvention die Schellingstraße hinunter zum Cafe Adria, wo die Schwabing-Penner ihren Stamm- und Saufplatz haben. Für nur zwei halbe Bier pro Nase ist die ganze Mannschaft bereit, mit zur Mittelbauversammlung zu kommen und für den Kollegen O. zu stimmen. Schließlich kann man einen Uni-Fuzzy sowieso kaum von einem Schwabing-Penner unterscheiden, solange beide den Mund halten. Ich schärfe daher den Pennbrüdern auf dem Weg zum großen Physik-Hörsaal ein, daß sie bloß keine Kommentare abgeben und lediglich die Hände heben sollen, wenn der Kollege O. dran ist. Zuerst klappt alles wie am Schnürchen. Die Penner verteilen sich unauffällig unter die anderen Fuzzies und verhalten sich - abgesehen von einigen anzüglichen Bemerkungen an die weiblichen Mitglieder der Versammlung - sogar recht manierlich. Als der Kollege O. sein Statement abgibt, klatschen sie wie wild und heben brav die Hände. Dann passiert es: Einer der jüngeren Saufbrüder, vermutlich ein früheres Mitglied der Marxistischen Gruppe, kann sich nicht länger zurückhalten. Er stürmt nach vorne zum Mikrophon und hält eine flammende, politische Rede, etwas lallend zwar, aber durchaus mitreißend: "... Gebossinnen und Gebossen ..." offensichtlich ist sein knallrote Säufernase etwas verstopft "... der Klassenkampf ... Unterdrückung durch die bürgerlichen Institutionen ... und überhaupt ... den Kampf ansagen ... Verteidigung unserer sozialistischen Errungenschaften ... und überhaupt ... brauchen eine neue Revolution ... Unterdrückung nicht länger hinnehmen ... Freibier für alle Uni-Angehörigen ... weg mit versteinerten Gremien ... und überhaupt ... zu den Fahnen ... Uni-Angehörige aller Länder ... und überhaupt ... gemeinsam sind wir ... vereinigt euch!!!"Tosender Beifall. Bevor ich noch etwas unternehmen kann, nominiert die Versammlung den Penner per Akklamation zum Kandidaten für die Hochschulwahl! Der Kollege O. ist völlig geknickt. Ich sage ihm lieber nicht, daß er gegen einen Penner verloren hat, auch wenn dieser höchstwahrscheinlich nicht gewählt werden wird. Aber bei unserer Verwaltung kann man nie wissen ... Um den Kollegen O. zu trösten, deute ich an, daß die ganze Administration der Hochschulwahlen über unsere Rechner abgewickelt wird, weil das Wahlamt kein Geld für einen eigenen PC hat. Der Kollege O. schaut mich eine Sekunde lang durchdringend an, räuspert sich lautstark, sagt aber nichts weiter.
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