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07.07.2000 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Election II
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Die gelben LEDs am zentralen Switch im Rechnerraum blinzeln mir lustig zu, während ich fröhlich pfeifend die letzten Backup-Tapes über den Löschmagneten ziehe. Mit trommelnden Fingern überfliege ich rasch die neueste Studenten-Email und schicke ein paar ausgewählte Absätze daraus an eine lokale Klatsch-und-Tratsch-News-Group; der 500 GByte Fileserver, auf dem meine MP3-Sammlung liegt, brummt gemütlich den Bass dazu, wenn ich lauthals 'I can get no satisfaction' intoniere. 
Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, daß der BAfH guter Laune ist. 
Die Frage ist: warum? Hat er den letzten Studenten aus dem Einführungskurs vergrault? Ist ein Praktikant an einem etwas zu heftigen Stromschlag eingegangen? Hat die RKfH nach jahrzehntelangen erbittertem Kampf endlich die Spesenrechnung von Hawaii 1989 überwiesen? Ist Frau Bezelmanns neuer Kaktus (der alte wurde unachtsamerweise verbrannt; wir erinnern uns) unter der Post erstickt? 
Alles ganz falsch: Der BAfH ist so guter Laune, weil er wieder mal gegen Sethimus Typhon, den 'Bastard Bureaucrate from Hell' (BBfH), einen Sieg nach Punkten zu verbuchen hat! 
Was ist passiert? Die Auseinandersetzung entzündete sich an der einfachen Tatsache, daß bei offizieller Bewirtung von Gästen, das heißt also auf Spesenabrechnung, nach dem bayerischen Reisekostengesetz, alles abrechnungsfähig ist außer - ich zitiere - 'Rauchwaren und Alkoholika'. Ich interpretiere diese Vorschrift dahingehend, daß Bier und Marihuana somit voll abrechnungsfähig seien. Begründung: Bier ist nach der landläufigen (bayerischen) Auffassung kein Alkohol sondern ein Grundnahrungsmittel, während Gras genaugenommen unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und damit keinesfalls als 'Rauchwahren' im engeren Sinne des Gesetzgebers angesehen werden kann (auch wenn die Dinger faktisch gesehen natürlich rauchen; man muß bei Vorschriften immer abstrahieren können!). 
Sethimus Typhon, der nebenbei bemerkt aus dem Sauerland stammt und daher in Bezug auf die lokalen kulturellen Gegebenheiten hoffnungslos unterbelichtet ist, stimmt mir zwar in Bezug auf das Gras zu, gibt aber in Sachen 'Grundnahrungsmittel' keinen Millimeter nach, da Bier faktisch - und somit chemisch nachweisbar - Alkohol enthalte, auch wenn es hierzulande nicht ganz die übliche Wirkung entfalte. So ein immens wichtiger Streitfall kann sich Jahre hinziehen! Am Ende landet er noch vor dem Bundesverwaltungsgericht! Um dem Steuerzahler solche unnötigen Kosten zu ersparen, fordere ich daher den BBfH ganz einfach zum !PowWow-Duell. 
Obwohl sicher die meisten schon wissen, was ein !PowWow-Duell ist, kann es nicht schaden, wenn ich die wichtigsten Punkte nochmal kurz zusammenfasse (solche Sachen lernt ihr nie auf der Universität; es sei denn, ihr studiert hier bei uns am LEERstuhl!). Schließlich ist die direkte Austragung von Konflikten eine Übung, die jeder angehende Manager aus dem Effeff beherrschen sollte! 
Das !PowWow-Duell läuft ungefähr so ab: Der Unparteiische - in diesem Fall Frau Bezelmann - sperrt die Duellanten zusammen mit 10 Flaschen Obstler in einen leeren Seminarsaal. Der BBfH und ich nehmen je eine andersfarbige Kreide zur Hand und schreiben immer abwechselnd einen Satz aus 'Auerbachs Keller' (Goethe, Faust I) an die Tafel (man ist ja schließlich gebildet!). Vor jedem Satz kippt man einen Obstler. Wenn am nächsten Tag die Kontrahenten aus der Betäubung erwachen, kontrolliert der Schiedsrichter, wer den letzten fehlerfreien Satz geschrieben hat und bestimmt somit den Sieger. 
Aber abgesehen von diesem Erfolg gibt es noch einen Grund, warum ich in deutlich gehobener Stimmung bin: Heute ist wieder mal ein Diplomvortrag fällig! 
(Für die nicht-diplomierten Leser dieser Kolumne: Der Diplomvortrag bildet den Abschluß der Diplomarbeit, die jeder Ingenieursstudent am Ende seines Studiums anfertigen muß. Da die Diplomarbeit ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtnote ist, andererseits die Professoren aber sowieso keine Zeit haben diese zu lesen und sich lieber eine mündliche Zusammenfassung geben lassen, ist der Diplomvortrag im Leben eines Diplomanden ungefähr so wichtig wie ein Upgrade von DOS zu Linux!) Die meisten Assistenten bekommen schon beim bloßen Gedanken an das obligatorische, stinklangweilige Diplomandenseminar Zahnweh; ich nicht! Im Gegenteil kann ich mir gar nix Unterhaltsameres vorstellen. 
Gleich nach dem Mittagessen - also so gegen 3 Uhr - schlendere ich daher hinüber in den Seminarraum, wo der Delinquent bereits seit 6 Stunden vor Nervosität die Tischkanten anknabbert. Das heutige Opfer, ein blasser, schrecklich magerer Riese mit prominenten Adamsapfel, der durch den ungewohnten Schlips am Schlucken gehindert wird, hängt unglücklich in seinem zerknitterten Konfirmandenanzug an Overhead-Projektor und blättert nervös zum tausendsten Mal durch seine Vortragsfolien. Außer mir ist noch niemand da, weil natürlich alle bis zur letzten Sekunde warten.
Ich schleiche mich lautlos bis auf einen halben Meter heran und rufe dem Kandidaten ein fröhlich-lautes "Hallo!" zu. 
Der Student läßt natürlich vor Schreck alle Folien auf den Boden fallen. 
"Hoppala!" sage ich überrascht und trete wie aus Versehen auf eine besonders schön bunte Folie. "Oh! Das tut mir aber leid!" Auf der Folie ist ein wunderschöner Abdruck meiner genagelten Panzergrenadier-Sohlen. "Da sieht man mal wieder, wie schlecht an der Uni die Böden gewischt werden. Bei Siemens wäre das nicht passiert ..." 
Der Kandidat starrt verzweifelt auf die ruinierte Folie. 
"Scheiße! Was mach ich jetzt bloß? Ich schaffe es nie mehr in fünf Minuten, die noch mal auszudrucken ..." 
"Nana", sage ich beruhigend und klopfe ihm auf die Schulter, "Sie wissen doch: die Folien sind ja sowieso nicht so entscheidend ..." 
Der Student starrt mich entsetzt an. 
"Für diese Folien habe ich eine ganze Woche gebraucht!" 
"Sicher", sage ich besänftigend, "aber Sie werden sehen, daß der Professor sowieso die meiste Zeit schläft - das macht er nämlich immer so kurz nach dem Mittagessen - und die Assistenten lesen derweil die neueste Fachliteratur, wenn sie sehen, daß der Prof die Augen zu hat. Also wird wahrscheinlich niemand die versaute Folie bemerken, nicht wahr? Auf den guten Vortrag kommt es eben an; akustisch dringt alles durch, auch ins Unterbewußtsein. Das ist sehr wichtig für die spätere Benotung durch den Prof, verstehen Sie?" 
Der Kandidat nickt heftig und versucht, trotz ungewohnter Krawatte zu schlucken. Natürlich geht es schief und er bekommt einen Hustenanfall. Ich haue ihm kräftig auf den Rücken; mit Verschluckern soll man nicht spaßen. Schon gar nicht so kurz vor einem wichtigen Vortrag. Leider überschätze ich etwas die Körpermaße des Studenten (an den heutigen Studenten ist einfach nichts mehr dran) und klopfe ihm die Brille von der Nase. Sie verschwindet im hohen Bogen hinter dem Heizkörper. 
"Huurccchhh ... errrcchhhh", ächzt der Student, "wo ist ... eerrrcchhh ... wo ist meine Brille hin ...?" 
Er geht in die Knie und beginnt blind wie ein Maulwurf den Boden abzutasten; dabei fallen wieder alle seine Folien zu Boden, und ich trete vorsorglich noch auf ein paar drauf und drehe mich dabei etwas auf dem Absatz. 
"Brille?" frage ich verwundert und bücke mich ebenfalls. "Ich kann leider keine Brille entdecken. Ich hab leider meine Brille im Büro liegen lassen, und ohne die ..." 
Während der Diplomand weiter den Boden abtastet, schubse ich die Brille unauffällig mit dem Fuß in eine noch dunklere Ecke. Der Schweiß läuft ihm schon in Bächen herunter; dabei hat der Vortrag ja noch gar nicht angefangen! 
"Also, ich kann keine Brille finden", sage ich bedauernd. "Aber die brauchen Sie ja auch gar nicht. Die Folien legen Sie einfach in der richtigen Reihenfolge auf und Augenkontakt soll man sowieso nicht suchen. Warten Sie, ich lege Ihnen die Folien wieder in die richtige Reihenfolge ..." 
Ich klaube die Folien auf und bringe sie in ein gesundes Random-Muster. 
"So, hier haben Sie Ihre Folien", sage ich aufmunternd und drücke ihm das Paket in die schweißigen Hände, "und Ihren Vortrag können Sie ja auch ohne Brille hersagen. Sie haben ihn doch hoffentlich auswendig gelernt!!!" füge ich heftig hinzu, und der Kandidat zuckt ebenso heftig zusammen. Ich liebe diese Abschlußvorträge! Die Diplomanden sind nervös wie Chihuahuas im Tigerkäfig! 
"Lassen Sie sich mal anschauen", sage ich väterlich. "Hm, irgendwie sitzt Ihre Krawatte so komisch schlaff ..." 
Ich ziehe seinen Krawattenknoten kräftig fest, so daß seine Halsvenen dekorativ hervortreten. 
"Hhhrrrccchhh!" keucht er und faßt sich reflexartig an den Hals. 
"Na! Aber! Lassen Sie das jetzt doch so", sage ich energisch und haue ihm auf die Finger. "Sie wollen doch einen guten Eindruck machen, oder? Der erste Eindruck entscheidet oft schon die Note, glauben Sie mir! Jetzt sitzt wenigstens Ihre Krawatte richtig! Sie schauen gleich viel besser aus!" 
Tatsächlich wird seine vorher totenblasse Gesichtsfarbe jetzt etwas violett angehaucht. Was so ein kleiner Blutstau doch für kosmetische Auswirkungen hat! Komisch, daß das die Frauen noch nicht entdeckt haben! Während er angestrengt nach Luft schnappt, lockere ich noch etwas das Netzkabel des Overheads, so daß es zwar noch drin steckt, aber keinen Kontakt mehr hat, und verziehe mich diskret in den Hintergrund. 
Der Vortrag wird ein voller Erfolg: Der Chef schläft nach zwanzig Sekunden friedlich ein. Der Kollege O., Marianne und die anderen Assis studieren konzentriert ihre mitgebrachte Literatur, und die paar Studenten, die sich aus Solidarität herbeigequält haben, bleiben nur deshalb wach, weil sie sich vorher Streichhölzer unter die Augenlider geklemmt haben. 
Der Overhead funktioniert nicht. Die Demo muß abgebrochen werden, weil der Fileserver gerade jetzt zusammenbricht (wie jeden zweiten Do wenn Diplomvortrag ist; bin gespannt, wann mal jemand das Cron-Skript dazu entdeckt), und der Student bekommt keinen einzigen syntaktisch oder semantisch sinnvollen Satz über die Lippen. 
Alles in allem also ein ganz normaler Diplomabschlußvortrag! 
Nur eines verdrießt mich: Die Fußabdrücke auf den Folien bemerkt tatsächlich niemand!
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