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18.05.2000 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Ich bin gerade im Web-Server der HyboVereinsbank (man möchte es nicht glauben, aber es ist ... Genau! Eine NT-Kiste!) und schaue, ob man nicht doch irgendwo an die Mailbox des Service-Teams herankommt. An die Buchungsschnittstellen kommt man sowieso nicht 'ran; ihr braucht es gar nicht erst versuchen. Aber was die Leute alles in ihren emails verzapfen, das kann eine wahre Fundgrube sein: Kreditkartennummern, PINs, ... manche schreiben sogar ganz ohne Anlaß immer ihre Kontonummer mit ins Subject!
Ich bin also schon ganz nahe an der Mailbox dran, als Jenny ohne anzuklopfen in mein Allerheiligstes eindringt. Bevor ich sie wieder hinausschnauzen kann, sagt Jenny mit schmeichlerischer Stimme, ob ich denn gar nicht mitbekommen hätte, wie schön draußen das Wetter sei. Ich gucke erst sie an, dann meine heruntergelassenen Jalousien, dann wieder auf den Bildschirm. Dann sage ich: 
"Meine lateralen Schutzschilde (= Jalousien) sind so programmiert, daß sie beim ersten Auftreffen von elektromagnetischer Strahlung automatisch hoch- bzw. herunterfahren. Und da ich das gut finde, wird das auch so bleiben." 
Ich konzentriere mich wieder auf die Service-Mailbox. Sie ist so nahe, daß ich sie schon fast riechen kann. Alle in die Enge getriebenen, ungeschützten Mailboxen riechen stark nach verschmortem Rindsgulasch (Das war wieder mal ein kostenloser Tipp, Leute! Schreibt ihn euch auf!) 
"Aber du verpaßt doch die schönste Zeit im Jahr", beharrt Jenny hartnäckig wie ein eine Malaria-Mücke, die eine angebrochene, HIV-verseuchte Blutkonserve gesichtet hat. 
Ich nehme seufzend die Finger von der Tastatur. "Was wird das hier eigentlich? Ein Turing-Test? Eine Aufforderung zur kostenfreien Kopulation?" 
"Nein, nein", sagt Jenny hastig und läuft knallrot an, "ich ... wir haben ... wir dachten nur, daß wir wieder mal alle zusammen in den Biergarten vor der Cafeteria zu Mittagessen gehen könnten ... äh ... und ob du ... ob nicht vielleicht ... hrrrmmpf ... pffffffhhhhh ..." 
Bevor ich auch nur den Mund öffnen kann, kommt Frau Bezelmann mit Nero auf der Schulter im Sturmschritt hereingefegt und rupft mit einer einzigen eleganten Bewegung die Lebensader meiner Workstation aus der Wand. Die Workstation sagt so etwas wie 'Huuitpfiiiuuuuooooaaaahhh' und bleibt mit ungesyncten Platten stehen. 
"Das war aber nicht nett!" beschwere ich mich kühl. 
Im Geiste mache ich mir eine Notiz, Frau Bezelmann bei sämtlichen Wucherkreditkartengesellschaften auf die schwarze Liste zu setzen. Ihr wißt schon: die Gesellschaften, die jedem einen Kredit geben und dann mit der abgesägten Schrotflinte kommen, um die Zinsen einzutreiben. Frau Bezelmann funkelt mich mit ihren tiefgekühlten, blaßgrünen Hexenaugen an; Nero, die Schadenfreude in Person, versucht krampfhaft sein höhnisches Gelächter-Gekrächze unter dem linken Flügel zu ersticken. 
"Anscheinend der einzige Weg, Sie aus dieser Digitalhöhle zu locken", zischt Frau Bezelmann triumphierend. "Na, los! Packen Sie Ihre Sonnenbrille ein; wir gehen jetzt zusammen zum Essen!" 
Ich überschlage rasch, daß der Boot inklusive Plattencheck von 200 GB mindestens 15 Minuten dauern wird, und entschließe mich mitzugehen. Schließlich muß auch der BAfH irgendwann etwas Nahrung zu sich nehmen, und die Pizza in der Cafete ist auch nicht viel schlechter als die, die ich mir normalerweise direkt in meine 'Digitalhöhle' liefern lasse. 
Draußen warten der Chef, der Kollege O., Rinzling und Marianne in der ekelhaft grellen Sonne, und wir ziehen in geschlossener Kolonne hinunter in den Biergarten vor der Cafete. Obwohl Semesterferien sind schon alle Bierbänke in der Sonne mit katholischen, evangelischen und sonstigen Theologen besetzt, bunt durchmixt mit Kirchengeschichtlern, Alttestamentlern und ein paar vereinzelten vegetarischen Moraltheologen. 
"Kein Tisch mehr frei", stelle ich genüßlich fest. "Warum gehen wir nicht gleich in die Kellerbar um die Ecke? Da ist bestimmt weniger Ozon und man braucht keine Sonnenbrille ..." 
Aber Frau Bezelmann dirigiert uns energisch zum einzigen Biertisch, wo noch ein paar Plätze frei sind. Wir quetschen uns also wie die Leiter in einem SCSI-Kabel zusammen auf die bayerisch-rustikale Sitzfläche, Schulter an Schulter mit einigen Moraltheologen, die natürlich während des Essens das übliche Gesülze von sich geben müssen: 
"... und das fand ich unwahrscheinlich gut, du! Weil nur, wenn du dich auch auf deine Gefühle wirklich einläßt ..." 
"... hat Bolzenschwenger schon 1953 in einer berühmten Predigt gesagt: die Ehe ist als Institution mehr als die moralische Rechtfertigung für den sexuellen Akt ..." 
"... das hat mich ... also irgendwie, du weißt schon, irgendwie ganz im Innersten ..." 
"... hat doch plötzlich die monogame lebenslange Beziehung für mich eine ganz andere Bedeutung ..." 
usw. 
Der Kollege O. guckt Nero an und sagt mit Grabesstimme: "Raben sollen angeblich ihr Leben lang in monogamer Ehe leben ..." 
Nero fixiert den Kollegen O. empört mit seinen giftgelben Augen und plustert kurz die Federn auf. 
Das Gespräch der Moraltheologen stockt; gerade als einer Luft holt, um das Gesülze wieder auf zu nehmen, sage ich: 
"Dagegen läuft das bei den Stockenten ganz anders: vier Erpel suchen sich ein Weibchen aus und jagen es bis zur totalen Erschöpfung. Wenn die Ente schließlich aufgibt, hält ein Erpel sie mit dem Schnabel am Nacken fest und die anderen vergewaltigen sie reihum." 
Ich blinzele Marianne zu. Die greift mit vollem Mund den Faden auf: 
"Gottesanbeterinnen fressen ihre Männchen nach dem Bumsen. Bestimmt auch keine gute Grundlage für eine monogame Beziehung." 
Die Moraltheologen rücken unruhig hin und her und schauen konzentriert auf ihre Teller. Der Chef guckt verwundert von einem zum anderen und macht den Mund auf. Aber bevor er etwas sagen kann, ergreift Frau Bezelmann das Wort: 
"Tiefseefische!" 
"Pardon?" frage ich. 
"Tiefseefische", wiederholt Frau Bezelmann mit eisiger Stimme. "Bei denen lebt das Weibchen auf dem Grund und das Männchen an der Oberfläche. Wenn's soweit ist, taucht das Männchen hinunter und krallt sich auf dem Rücken des Weibchens ein. Die Häute weichen an der Stelle auf und wachsen langsam zusammen, bis das Männchen vom Organismus des Weibchens absorbiert wird." 
"Klasse", sage ich anerkennend. Der Kollege Rinzling starrt uns mit offenem Mund an. 
"Die Gottesanbeter-Methode finde ich trotzdem besser", meint Marianne mit lauter Stimme und betrachtet gedankenverloren ihr Cafeteria-Messer. 
Die Moraltheologen haben inzwischen alle das Essen eingestellt. 
"Noch besser treibt es die anopheles cerebralis Mücke", sagt der Kollege O. genüßlich schmatzend. "Sobald das Weibchen ein Männchen ortet, fliegt es mit voller Geschwindigkeit auf es zu und bohrt seinen Stechrüssel durch die Schädeldecke des Männchens. Dann saugt sie den Samen aus dem Schädel der Leiche und fliegt weiter." 
"Womit wir fast wieder bei der menschlichen Art der Begattung wären", kommentiere ich trocken und beiße herzhaft in meine Pizza. "Nur umgekehrt!" 
"Umgekehrt?" fragt Jenny verwundert, die wieder mal zu spät schaltet. "Ach so: umgekehrt! Haha! Na klar!" 
Die Moraltheologen brechen wie ein Mann ihr Essen ab und räumen den Tisch. Wir besetzen sofort den frei gewordenen Bierbankraum. 
"Ah ... ähm ... wunderbar", seufzt der Chef erfreut und breitet seine Serviette neu aus, "es ... hmm ... es wäre doch schön ... hrrrm ... schön, wenn man immer ... äh ... seinen eigenen Tisch ... ähm ... Tisch haben könnte, nicht wahr?"
Alle nicken zustimmend. Nur der Kollege Rinzling ist etwas grün um die Nase herum ...
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