Die meisten Leute denken, die Insassen einer Klapsmühle sind ganz
einfach verrückt.
Andere - die Neo-Libero-Intellektis - meinen, daß diese
Menschen eigentlich gar nicht verrückter sind als dreißig Prozent
der 'normalen' Bevölkerung und nur das ausgesprochene Pech haben,
daß sich ihre Verrücktheit so deutlich nach außen hin
äußert, während der psychotische Massenmörder neben dir in
der Straßenbahn eben bis jetzt noch nicht 'auffällig geworden'
ist.
ICH meine, daß das Konzept des 'Verrücktseins' nur aus dem
angeborenen Bedürfnis des Menschen entspringt, unter allen Umständen
als 'normal' zu gelten, und wer Urlaub in der Klapsmühle macht und wer
nicht, entscheiden diverse BDfHs und BJfHs ('Bastard Doctor/Judge from Hell'),
die gewissen, zufällig ausgewählten Leuten eben überzeugend klar
machen können, daß sie verrückt sein müssen. (Sonst
wären ja auch die ganzen schönen Klapsmühlen, die mit viel
Steuergeldern gebaut wurden, sinnlos.) Mit anderen Worten, die Unterscheidung
zwischen 'verrückt' und 'normal' erübrigt sich, weil ich noch keinen
'normalen' Menschen angetroffen habe - und glaubt mir, ich hatte genügend
Zeit, die Menschheit gründlich unter die Lupe zu nehmen! In der
Irrenanstalt sitzen also im Prinzip nur Leute, die ihr 'Coming Out' schon
hinter sich haben, während es manche von euch niemals schaffen
werden.
Falls ihr mir jetzt nicht glaubt (und damit ist zu rechnen, denn die
hartnäckigste Massenneurose, nämlich sich selbst als 'normal' zu
bezeichnen, ist praktisch nicht auszurotten), solltet ihr folgenden Test
ausführen:
Stellt euren Wecker auf halb fünf Uhr morgens und so nahe wie möglich
an das Ohr eures Lebensabschnitts- oder sonstigen Bettpartners. Wenn dann der
Wecker läutet, wird besagter Lebensabschnitts- oder sonstiger Bettpartner
schlaftrunken Auskunft verlangen, was dieser Scheiß soll, es sei ja noch
dunkel draußen und überhaupt. Dann erklärt ihr mit ruhiger,
sachlicher Stimme, daß man seine wache Lebenszeit um ca. drei Jahre
erhöhen könne, wenn man jeden Tag schon um 4 Uhr aufstehen
würde. Obwohl dies eine völlig logische und wissenschaftlich
einwandfreie Argumentation darstellt, wird die Antwort unweigerlich sein: "Du
bist ja wohl total abgeknallt, oder was?!!!"
('Total abgeknallt' ist auch nur ein Synonym für das ominöse
'verrückt', über das wir hier reden.)
PSEUDOWISSENSCHAFTS MODE ON
Übrigens ist es doch interessant, daß es in den meisten Sprachen
mehr Synonyme für 'verrückt' gibt als für den geschlechtlichen
Akt: plemplem, gaga, abgedreht, durchgedreht, nicht-alle-Tassen-im-Schrank,
Schraube-locker, irre, weggetreten, total abgeknallt, Vogel-haben,
Loch-im-Hirnkastl, kirre, bescheuert, narrisch, deppert
etc.
Wenn man mal davon ausgeht, daß die Wichtigkeit eines Konzepts mit der
Vielfalt der Ausdrucksform korreliert, scheint dieses Thema in der menschlichen
Gesellschaft einen immens hohen Stellenwert zu haben (DAS war mal ein Satz, wa?
Wie aus dem nächst-besten Langweiler-Psycholaber-Kanal! Dokter Sauerbruch
wäre stolz auf mich!)
PSEUDOWISSENSCHAFTS MODE OFF
Wer immer noch nicht glaubt, daß die Menschheit keinen einzigen Vertreter
ausweisen kann, der als klinisch 'normal' zu diagnostizieren sei, der sollte
sich mal anhören, was bei uns am LEERstuhl an einen ganz 'normalen' Tag
mit ganz 'normalen' Leuten so alles passieren kann:
- Auf dem Weg zu meinem Allerheiligsten begegnet mir Marianne im Gang. Sie
schaut aus, als hätte sie eine etwas turbulentere Nacht hinter
sich.
- "Hi! Wie geht's?" frage ich leutselig.
"Hi selber!" kommt mit 5 Sekunden Verspätung die genuschelte
Antwort. "Kann nicht genug klagen!"
- Dabei kneift Marianne demonstrativ ihre Augen zusammen, um die
phantastische Größe ihres Katers
anzudeuten.
- "Äh ... du hast hoffentlich nicht vergessen, daß du heute
die Präsentation vor dem Rektoratskollegium über das SCHWAFEL-Projekt
halten mußt?" sage ich beiläufig.
- ... vier ... drei ... zwei ...
eins ...
- "WAAASSS?!!!"
"War nur ein Späßchen am frühen Morgen", winke ich
ab.
- Marianne stöhnt und kneift die Augen wieder zu, die sie soeben noch in
Panik weit über die Sollgrenze aufgerissen
hatte.
- "Noch so ein Späßchen am frühen Morgen und du kannst deine
Innereien aus dem Fettabscheider der Cafeteria
klauben!"
- Ich hab noch nicht mal den DVD-Spieler hochgefahren, da läutet schon
das Telefon:
- "Hallo", sage ich neutral. So früh am morgen kann man nicht vorsichtig
genug sein.
"Hallo!" zwitschert eine ekelhaft fröhliche Stimme. "Ist das die
Technik?"
- Ich überlege noch, ob es darauf eine adäquate Antwort gibt, aber
bevor ich überhaupt antworten kann, plappert sie schon munter
weiter:
- "Ich habe nämlich ein Problem mit meinem
Fax ..."
- Jetzt erst erkenne ich die quicksige Stimme! Das ist ja die hübsche
langbeinige Brünette vom Dekanat, die voriges Jahr den rätselhaften
Virus in ihrem Windoofs-Rechner hatte, der komischerweise immer ausgerechnet
meine Nebenstelle angewählt hat. Zum Glück konnten wir das 'Problem'
nach mehreren gemeinsamen ... hmm ... Arbeitsitzungen in den Griff
bekommen: seitdem ruft nicht mehr ihr PC, sondern sie selber bei mir an. Ich
beschließe also, ausnahmsweise mal kooperativ zu sein - immerhin ist
die Lady der Schwarm zehntausender Ingenieursstudenten! - und frage, was
denn los sei.
- "Ja, es empfängt plötzlich keine Faxe mehr!" erklärt Miss
Langbein fröhlich.
- Ich frage nach der Fax-Nummer, und sie gibt sie mir. Ich schmeiße die
Faxsoftware an und schicke ihr eine Testseite; die Nummer ist
belegt.
- "Merkwürdig", sage ich, "Sagt das Fax überhaupt nichts? Piepst es
nicht vielleicht?"
"Nein. Nichts, überhaupt nichts."
"Keine Meldung im Display des Faxgerätes?"
"Nein, gar nix."
- Ich sende die Testseite nochmal; immer noch
belegt.
- "Steht neben dem Faxgerät ein Telefon, das an der selben Leitung
hängt wie das Fax?"
"Ja."
"... und? Klingelt es?"
"Nein, wieso? Darüber telefoniere ich ja
gerade!"
- Tadaaahhh!
Ich beschließe, lieber doch nicht zu fragen, ob sie Lust auf ein
Abendessen hätte ...
Nachdem das erledigt ist, verziehe ich mich, um weiteren Anrufen zu entgehen,
in die Bibliothek, und durchforste dort die neueste Ausgabe von 'Hackers
Havoc', ob sie meine empfohlenen Änderungen zu 'Back Orifice' abgedruckt
haben. Ein Wissenschaftler muß schließlich mit der
zeitgenössischen Fachliteratur vertraut bleiben. Leider ist die Bibliothek
auch der Ort, wo Frau Bezelmann gewöhnlich ihre Opfer für ein
geselliges Schwätzchen sucht, wenn sie sich langweilt. Frau Bezelmann hat
eine etwas merkwürdige Art, ein geselliges Gespräch in Gang zu
setzen: sie reißt die Türe auf, bellt irgendeine Frage, die
überhaupt keinen Sinn macht, und wenn man dann aufgeschreckt antwortet,
daß man keine Ahnung habe, wovon sie überhaupt rede, behauptet sie,
sie hätte einen bloß verwechselt, aber wußten Sie schon,
daß gestern abend blablablalaberfaselblabla ...
Auch heute ist es nicht anders. Plötzlich wird die Tür aufgerissen
und Frau Bezelmann herrscht mich an:
- "Ist es endlich angekommen?!"
Ohne von Hackers Havoc aufzublicken, sage ich: "Ja", obwohl ich keine Ahnung
habe, wovon sie redet; sie natürlich auch nicht.
- Frau Bezelmann zögert verblüfft für einen Sekundenbruchteil;
dann versucht sie's nochmal:
- "Und?! Wo haben Sie's hingetan?!"
"Zu den anderen", murmele ich, ohne mich umzudrehen. Nach zwei Sekunden
höre ich, wie die Türe wieder zugeknallt
wird.
- Gerade als ich die Hängematte für meinen amtsärztlich
verordneten Mittagsschlaf aufgehängt habe, piepst es in meiner
Workstation. Jenny versucht per IRC mit mir Kontakt aufzunehmen. Ich schalte um
auf Deckenprojektion, nehme die Infrarot-Tastatur mit in die Hängematte
und antworte auf den Call.
- Ich: "Ich hoffe, es gibt einen triftigen Grund mich zu stören. Ich
schreibe gerade den Entwurf für den Haushalt 2000!"
Jenny: "Sorry, aber mein Laptop bootet nicht mehr
vernünftig."
- Ich seufze. Da hat man ein Gehirn von der Größe eines
Jupitermondes, und dann soll man sich mit solchen Trivialitäten
beschäftigen! Ein Wissenschaftler hat's wirklich schwer
heutzutage ...
Ich schicke die rechte Gehirnhälfte zum Schlafen und tippe mit einer
Hand und einem Auge weiter:
- Ich: "Etwas präziser bitte ..."
Jenny: "Es bootet nur noch bis zum DOS und dann kommt eine Fehlermeldung.
Gestern hat es noch einwandfrei funktioniert." Obwohl ich die Antwort auf die
nächste Frage schon kenne, stelle ich sie trotzdem.
Ich: "Und du hast natürlich ÜBERHAUPT NICHTS an dem Laptop
geändert, stimmt's?"
- Auch meine linke Gehirnhälfte droht jetzt
wegzuduseln ...
- Jenny: "Doch. Ich hatte keinen Platz mehr auf der Festplatte und hab'
das Verzeichnis WINDOWS gelöscht."
- Woooops! Beide Gehirnhälften sind plötzlich wieder 100%
online.
- Ich: "Das ist ja im Prinzip 'ne Super-Idee. Trotzdem: Warum hast du
ausgerechnet WINDOWS gelöscht?"
Jenny: "Naja, ich dachte, Windows ist ja schon installiert; da brauche
ich den ganzen Schmarrn ja nicht mehr, oder?"
Tadaaaaahh!
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