13.03.2000 | BASTARD MAILING LIST | © Florian Schiel |
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Das Wintersemester geht dem Ende zu und ich langweile mich. Die Studenten haben
erstaunlich schnell gelernt, daß sie um mein Büro im allgemeinen und
mich im besonderen einen weiten Bogen machen müssen, die Mitarbeiter sind
sowieso auf der Hut und die Verwaltung hat durchgesetzt, daß in der neuen
Telefonanlage die Caller-ID nicht mehr unterdrückt werden darf. Seitdem
nimmt in der RKfH niemand mehr den Hörer ab, wenn ich anrufe - es sei
denn, ich verwende das Telefon des Chefs. Also sitze ich mit hochgefahrenen Schilden in meinem Büro, draußen taut es, was das Zeug hält, und ich langweile mich. Beim Durchforsten des USENET finde ich eine kurze message der Münchner Microsoft-Niederlassung, daß sie super-brand-dringend einen System-Programmierer suchen. Weil sonst nix Interessantes zu finden ist, fülle ich schnell mal das Bewerbungsformular im Web aus und bekomme postwendend, d.h. so schnell wie die Exchange-Server bei Microsoft es halt hinkriegen, also keine drei Stunden später, die enthusiastische Antwort des HR-Leiters. Ja, ich sei ja genau der Kandidat, den sie suchen würden, und überhaupt ... und mit meiner Berufserfahrung ... und so weiter, blablalaberfasel ... Der HR scheint keinen blassen Dunst von der Materie selber zu haben, sonst hätte er bei den Programmiersprachen, die ich angeblich beherrsche, wohl etwas gestutzt: TSE, BOERL, LISPEL, TSCHAWA. Aber anscheinend muß man heutzutage nur noch überzeugend 'rüberbringen, daß man in über 50% der Fälle den Reset-Knopf nicht mit dem Einschaltknopf verwechselt, und schon wird man als Software-Spezialist eingestellt! Der HR will, daß ich sobald wie möglich für 'ein persönliches Gespräch unter entspannter Atmosphäre' vorbeikomme, und ob nicht vielleicht sogar heute Nachmittag ...? Natürlich sage ich zu. Um mich in die richtige MS-Stimmung zu versetzen (MS = ??? ... Richtig: 'Maso-Sado'), versuche ich vorher zum fünfzehnten Male das Netzwerk auf der Windoofs-Partition meines Schlepptops neu zu konfigurieren. Natürlich klappt es nicht und bekomme ich die üblichen MS-Fehlermeldungen: 'Programm mit Fehler Unbekannt verendet'(Letztere Fehlermeldung muß noch von dem berühmten Hilfsprogrammierer Jose stammen, ein illegaler kolumbianischer Einwanderer, der angeblich 80% des Windoofs für ein Butterbrot programmiert hat. Ein paar andere spanische Fehlermeldungen könnte man mit viel gutem Willen auch als versteckte Nachrichten für die Drogenmafia deuten ...) Ich krame mein Bewerbungs-Sweat-Shirt aus dem Werkzeugschrank (das mit dem Pizzaflecken!), hänge mir eine Linux-Pinguin-Krawatte um und sause raus zu Microsoft. Auf dem Besucherparkplatz ist nicht mal mehr Platz für einen halben Smart, geschweige denn für meinen Bastard Cruiser from Hell. Deshalb fahre ich auf den einzigen freien Platz im Management-Bereich (da wo die Verkehrszeichen einen goldenen Rand haben!) und hänge einen Zettel 'B.A.f.H.' über das Schild 'C.E.O.'. Im Vorhof der HR-Abteilung von Microsoft laufen ein Haufen hochhackiger Miezen herum, die wirken, als ob sie gerne den Eindruck hervorbringen würden, daß sie ganz schrecklich beschäftigt seien. Zu kompliziert? Nochmal anders ausgedrückt: sie rennen wie wild durcheinander, tun aber effektiv nix (abgesehen von ihrer Mittagspause, wo sie alle ihre Fünf-Zentimeter-Krallen neu lackieren). Natürlich sind alle ziemlich hyper-extra-cool, schauen aber sonst so aus, als ob sie noch nie einen Co-Prozessor zu Gesicht bekommen hätten, und wenn doch, ihn mit einem besonders originellen Stück Modeschmuck verwechseln würden. Die Empfangsmieze schäkert halblaut mit dem Telefon und ist so blond, daß ich froh bin, meine Sonnenbrille auf zu haben. Nachdem sie abfällig mein pizzaverschmiertes Sweat-Shirt zur Kenntnis genommen hat (immerhin eine hochgezogene Augenbraue!), wirft sie einen lässigen Blick auf die Einladungs-Email, die ich ihr unter die beiden beachtlichen Sprungschanzen halte (Sie muß tatsächlich ein ganz klein wenig das Kinn nach vorne schieben, um sie lesen zu können! (Da war er, der Chauvi-Spruch in dieser Kolumne!)). Plötzlich weiten sich sprunghaft ihre Pupillen. Sie guckt mich an, dann guckt sie wieder in die email, dann legt sie den Telefonhörer mit einem "Ich ruf dich gleich zurück, Schatzi!" beiseite. Klar, Windoofs kann ja auch kein Multitasking! Warum sollte also die blondierte Empfangsmieze ...? Mir kommt zu allerersten Mal der Gedanke, daß Windoofs blond sein könnte. "Sie heißen wirklich Marianne?" vergewissert sich die Empfangsmieze ungläubig. Ihre Stimme quietscht wie die blaue Gummiente, die ich zu Hause in der Badewanne gefangen halte.Aber zuallererst werde ich an den firmeneigenen Seelenklempner weitergereicht, einen blassen Halbalbino ohne Haare und mit dem typischen Killerblick Hannibal Lectors. Der Typ ist womöglich noch cooler als die Miezen im Vorhof; er hat scheint's einen permanenten Krampf in sämtlichen Gesichtsmuskeln, und die Türklinken beschlagen sich, wenn er sie anfaßt. Ich frage mich, ob er mit Frau Bezelmann verwandt sein könnte. Ohne lange zu fackeln führt er mich in einen Raum voller Displays und fragt, welches Display ich für meinen Arbeitsplatz auswählen würde und warum. Ich wähle ohne zu zögern einen uralten verstaubten grünen Monochrom-Schirm, der in der Ecke vor sich hin muffelt. Als Begründung sage ich herablassend, daß ich bisher noch kein Software-Problem erlebt habe, daß sich nicht mit 7-Bit-ASCII in grüner Schrift und ohne Maus in den Griff bekommen ließe. Der Seelenklempner ist sichtbar beeindruckt; man kann es deutlich am Zucken des linken Ohrläppchens bemerken. Nach ein paar Standard-IQ-Tests, bei denen ich wie üblich eher mittelmäßig abschneide, weil ich die Fragen todlangweilig finde und nach dem Zufallssystem ankreuze, kommt noch ein Assoziationstest. Hannibal Lector liest Wörter vor und ich soll 'ganz spontan' äußern, was mir dazu einfällt. Hannibal Lector, der alles, ohne mit der Wimper zu zucken, mitgeschrieben hat, packt meine Unterlagen und verschwindet mit einem gemurmelten 'Bin gleich wieder da!' aus seinem Büro. Ich gucke mich unauffällig um, wo denn die Kamera versteckt sein könnte. Aha, sie wollten ganz besonders schlau sein und haben das Ding breit und frech als Minicam auf dem Bildschirm gesetzt. Na gut, dann wollen wir den HR-Jungs mal was bieten. Ich setze mich an den Rechner, der freundlicherweise eingeloggt ist (!), und lenke den Videostrom der Überwachungssoftware vorübergehend auf 'www.wetgirls.com' um. Das wird sie solange fesseln, bis ich ihren Rechner aufgespürt habe. Aha, da haben wir ihn ja! Ich hole mir rasch 'Satan4.1' von meinem Host an der Uni und übernehme mal kurz die Kontrolle in ihrem Kontroll-PC. Als ich den Treiber für die Minicam finde, kann ich ein Triumphgrunzen nicht mehr unterdrücken. Eins muß man den Microsoftlern lassen: Gute Hardware-Ausstattung! Jeder Rechner mit Kamera. Nur schade, daß ein so schlecht geschütztes OS darauf läuft, hehehe! Ich hole mir das Bild der Minicam aufs Display und sehe Hannibal Lector und einen anderen Typen, die sich gerade wundern, wieso ihre Maus so komische Bewegungen auf ihrem Display macht. Dann kopiere ich das letzte Bild von meiner Minicam auf ihren Bildschirm und werfe 'morph' an. Die beiden Micro-Nerds sehen mit aufgerissenen Augen, wie sich meine Nase langsam in eine Essiggurke verwandelt, und aus den Ohren Selleriestauden wachsen. Dann fällt endlich der Groschen, der andere Typ sagt irgendwas zu Hannibal Lector und fummelt an der Tastatur. Gleich darauf bricht die Verbindung ab. Schade! Ich hätte vielleicht ihre Tastatur abtrennen sollen. Aber man kann nicht an alles denken ... Ich habe gerade noch Zeit, die Mailbox der blonden Gummiente ausfindig zu machen und eine gefälschte Liebeserklärung von Hannibal Lector darin zu plazieren, da kommt er schon wieder und bringt diesmal den HR-Chef gleich selber mit. Unnötig zu sagen, daß sie mich nach dieser Performance um jeden Preis einstellen wollen. Sie sagen's zwar nicht, aber der Hauptgrund ist wahrscheinlich, daß sie nicht riskieren wollen, jemanden wie mich frei herumlaufen zu lassen. Ich laß mich auf keine Diskussion ein und sage nur, daß noch andere Firmen hinter mir her seien und daß sie mir so schnell wie möglich ein schriftliches Angebot schicken sollen. Am besten ein Angebot, daß ich nicht ablehnen kann, füge ich bedeutsam hinzu, und sie nicken beide wissend. In der dritten Kaffeepause am nächsten Tag kommt plötzlich Marianne hereingeplatzt und wedelt mit einem Blatt Papier:
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