19.11.1999 | BASTARD MAILING LIST | © Florian Schiel |
Phoney Bezelmann |
Workshop |
LEERstuhl Outing |
FREUNDLICHER HINWEIS Das folgende ist für jemanden, der nicht im aktiven Universitätsleben steht so wie ich, nur sehr schwer verständlich. Wenn ihr nach dem Genuß dieser Geschichte plötzlich das Verlangen habt, euren letzten Steuerbescheid hervorzuholen und darüber zu jammern, was mit euren Steuergeldern für Schindluder getrieben wird, geht sofort auf www.spiegel.de oder www.focus.de und lest über die letzten deutschen Politskandale. Danach werdet ihr euch zwar nicht besser fühlen, aber dann habt ihr wenigstens Grund, richtig zu jammern ...Wer heutzutage als Ass(i) an der Uni arbeitet, ist nicht nur immer der Gearschte, weil er die Arbeit eines Top-Managers macht, aber nur das Gehalt eines Müllfahrers bekommt, sondern es wird auch noch von ihm erwartet, daß er mindestens einmal in drei Jahren so ganz nebenher einen wissenschaftlichen Workshop veranstaltet. So was macht sich eben immer gut im CV ('csurriculum vitae'). Wo doch so was gar kein Problem ist; das kann man doch locker in seiner Freizeit organisieren, zusammen mit dem Korrigieren von Klausuren, dem Querlesen der Studenten-Email und dem periodischen Abschießen von feindlichen Windoofs-Rechnern! (Falls ihr es nicht mitbekommen habt: das eben war tiefster, zähneknirschendster Sarkasmus!) Wenn wir schon mal beim Thema sind: Gerade lese ich in www.heise.de, daß die deutschen Beamten die nächsten zwei Jahre lang nur Gehaltsaufbesserungen in Höhe der Inflationsraten erhalten sollen. Na, da sind wir aber wirklich froh! Froh macht uns natürlich die Tatsache, daß unsere Politiker heute schon genau wissen, wie hoch die Inflationsrate im nächsten Jahr (1,1%) sein wird. Eigentlich kann uns doch da gar nix passieren, wenn wir genial-visionäre Volksverräter ... pardon ... Volksvertreter haben, die so problemlos in die Zukunft schauen können! Ich werde demnächst mal persönlich bei den Herren vorsprechen; vielleicht können sie mir ja dann auch die genauen Aktienkurse von SAP für das Jahr 2001 anvertrauen; nur so als kleiner Ausgleich für die Inflationsratenbezügeerhöhung ... Zurück zum Problemfeld Workshop: Da auch mein CV in letzter Zeit ziemlich jungfräulich aussieht, organisiere ich eben auch so ein Ding zum Thema: 'Theoretische Aspekte von Semi-Conducting Hyper-Wavelets in Angewandter Lingualer Logik' (TASCHWALL). Im Geheimkode erfahrener Uni-Assistenten bedeutet die Tatsache, daß im Titel die Wortkombination 'Theoretische Aspekte' vorkommt, daß auf diesem Workshop allenfalls lauwarme Luft produziert wird und niemand ernsthafte Arbeit zu investieren braucht. Den Termin für TASCHWALL lege ich auf die erste Oktoberfestwoche, um das Ganze wissenschaftlich etwas attraktiver zu gestalten. (Natürlich muß der Workshop eine ganze Woche dauern, damit wir die fetten Zuschüsse von der DFG bekommen, mit denen wir schon fast das ganze Konferenz-Bankett bestreiten können.) Dann schicke ich Einladungen an sorgfältig handverlesene Wissenschaftler, die mit dem Pseudothema gar nichts zu tun haben, aber alle bei früheren Gelegenheiten angedeutet hatten, daß sie irgendwann gerne mal nach München kommen würden. Von denen kann ich dann auch getrost ausgehen, daß sie in ihrem 'Invited Paper' einen Slot lang ungefährliches, belangloses Schwafel liefern. Um der Form zu genügen, veröffentliche ich natürlich auch einen offiziellen 'Call for Papers', wobei aber das wissenschaftliche Programm-Komitee, bestehend aus Frau Bezelmann, dem Chef (vertreten durch Nero) und mir, strikt angewiesen ist, praktisch alle eingereichten Vorschläge abzulehnen. Schließlich wird das Niveau einer wissenschaftlichen Konferenz immer noch am Prozentsatz der abgewiesenen Paper gemessen. Mit 84% ist TASCHWALL zweifellos ganz an der Spitze! Außerdem möchte ich keinesfalls den harmonischen Fortgang des Workshops durch irgendwelche kreativen Ideen stören; wo kämen wir dahin, wenn da jeder einfach erzählt, was ihm so ganz spontan eingefallen ist! Ein Wochenprogramm für einen Workshop zu füllen, ist gar kein Problem:
So einfach wäre das, wenn alle sich friedlich verhalten und sich an die Spielregeln halten würden! Dummerweise hat sich einer der eingeladenen Redner eine Mordserkältung zugezogen und als Ersatz einen seiner Doktoranden zum Workshop geschickt. Der junge Spund hat natürlich gar keine Ahnung, in was er da hineingeraten ist, und denkt, daß hier ernsthaft über Wissenschaft debattiert wird.
Ich fange den Spund ab, bevor er zum Mittagessen entfleuchen kann, und teile ihm mit, daß eine wichtige Email für ihn angekommen sei. Dann lotse ich ihn in das Büro unseres Prodekans, von dem ich weiß, daß er in wenigen Minuten, pünktlich wie die Darmstädter Atomuhr vom Mittagessen zurückkommen wird. Unser Prodekan Prof. Lüdenköter, ein leidenschaftlicher Rotschopf mit einem stattlichen Bierbauch, leidet seit neuestem an notorischem Verfolgungswahn. Insbesondere hat er sich in die Idee verbissen, daß er das zentrale Opfer einer internationalen Hackerverschwörung ist. Kann sein, daß das auch etwas mit dem Vorfall Ende letzten Jahres zu tun hat, als infolge mehrerer merkwürdiger, technischer Zufälle ein Teil seiner Email-Korrespondenz beim bayerischen Rechnungshof anstatt bei seinem Steuerberater abgeliefert wurde. Jedenfalls hat der Prodekan seit dieser unerfreulichen Geschichte seinen PC vom Netz trennen lassen und wittert hinter jedem, der weiß, wie man einen Rechner anschaltet, ein potentielles Mitglied der globalen Internet-Verschwörung. Ich logge mich mit dem System-Passwort rasch in Lüdenköters Rechner ein, rufe einen Mailer auf und sage den Spund, daß er darin seine email finden könne. Dann verschwinde unauffällig. Später höre ich aus vierter oder fünfter Hand, daß der Prodekan jetzt tatsächlich endlich mal einen der Internetverschwörer auf frischer Tat ertappt habe. Wer hätte das gedacht! Also leidet der arme Mann gar nicht unter Verfolgungswahn! Er habe ihn auch gleich eigenhändig - der Prodekan war früher aktiver Boxer - beim BND in Pullach abgeliefert! Von da an läuft der Workshop völlig reibungslos - wie ein Pentium III unter Linux. |
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