VORBEMERKUNG
Die folgende Episode aus dem Leben des Herrn Leisch ist tatsächlich von
so hohem praktischen Nutzen für alle Uni-Angehörigen, daß eine
unentgeltliche Verbreitung über das Internet nicht mehr zu verantworten
ist. Wir fordern daher alle Leser, die direkten oder indirekten
persönlichen und quantifizierbaren Nutzen aus der Lektüre der
folgenden Seiten zu ziehen in der Lage sind, auf, 37.5% des erzielten
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Danke.
Das Semester fängt bald wieder an, und diese Woche ist Einschreibung
für unsere Seminare. Alle Welt redet von der Studentenschwemme! Wir tun
etwas dagegen!
Schon früh am morgen (!) postiere ich mich unauffällig in der
Nähe des Sekretariats in Gang, mache ein vertrauenerweckendes Gesicht (!)
und tue so, als würde ich nur rein zufällig hier mit Marianne
herumalbern (!). In Wirklichkeit warten wir nur darauf, daß die verwirrt
umherirrenden Erstsemester uns danach fragen, wo man sich denn hier
einschreiben könne. Dann versichern wir hilfsbereit, daß sie hier
ganz total falsch seien und schicken sie hinüber ins
geisteswissenschaftliche Seminar der Nachbar-Universität. Mit etwas
Glück bleiben sie dort in irgendeinem philosophischen Proseminar kleben
und verschonen unsere Grundkurse mit ihrer Anwesenheit.
- Natürlich geht es nicht immer so glatt ab:
- Studentin: "Entschuldigen Sie, können Sie mir bitte sagen, wo man
sich hier für die 'Einführungsvorlesung
Subraum-Quanten-Transformation' einschreiben kann?"
Ich: "Hmm! Ich FÜRCHTE, da sind Sie hier ganz falsch. Ich GLAUBE mich
erinnern zu können, daß die Einschreibung dazu immer im Gebäude
der evangelischen Theologie stattfand. War das nicht so,
Marianne?"
- Marianne bestätigt, daß auch sie GLAUBT, daß die
Einschreibung irgendwo dort stattfindet.
- Die Studentin läßt nicht locker: "Aber hier im kommentierten
Vorlesungsverzeichnis der Fachschaft steht doch ..."
Ich: "Ah-oh! Fachschaft! Da würde ich mich aber nicht drauf verlassen, was
in so einem linksradikalen Studentenpamphlet drin steht! Wissen Sie nicht,
daß der AStA und die meisten Fachschaften immer noch vom bayerischen
Verfassungsschutz überwacht werden?"
Die Studentin zieht einschüchtert ab, und Marianne macht einen weiteren
Strich auf ihrer Erfolgsliste. Das mit dem AStA stimmt sogar. Schließlich
gibt es fast nix, was nicht von bayerischen Verfassungsschutz überwacht
wird - mit Ausnahme vielleicht der CSU und der katholischen
Kirche.
(Bei der Gelegenheit möchte ich es nicht versäumen, unsere
fleißigen bayerischen Text-Schnüffler aufs Herzlichste in unserer
Mitte zu begrüßen! Der Einfachheit halber habe ich sie nämlich
gleich mit auf die Bastard-Mailing-Liste gesetzt; dann müssen sie sich die
Bastard-Folgen nicht mehr mühsam aus dem Netz fischen. Wenigstens
könnt ihr bei mir mal was anderes lesen als todlangweilige marxistische
Pamphlete, was? Also, dann macht mal immer weiter so, Jungs! Und immer
schön aufpassen, daß euch auch keine freche Bemerkung über
unsere heilige staatstragende Partei entgeht, gell?)
Fast genauso wichtig wie das physikalische Abblocken der Erstsemester ist
natürlich die richtig formulierte Vorlesungsankündigung. Keinesfalls
sollte man als Dozent einen Titel auswählen, aus dem man erkennen kann,
was da gelehrt werden soll. So was ist tödlich! Studenten besuchen
bekanntlich am liebsten Vorlesungen und Seminare über altbekannte Themen,
die sie schon in der Grundschule kapiert haben. Aus meiner Erfahrung haben sich
am besten Titel bewährt, die erstens unverständlich sind, und
zweitens nach Mathematik riechen. Allein mit der Mathematik hat man schon 96%
aller Studenten in der Tasche. Es genügt völlig, ein oder zwei der
folgenden Schlüsselwörter mit einzubauen: 'Quanten',
'Relativität', 'Stochastik', 'Differential', 'Tensor', 'Matrix'. Kein
einigermaßen geistig gesunder Student schreibt sich für ein
Proseminar ein, das sich 'Quantendifferentielle Relationsdynamik von
stochastisch transformierten Matrix-Tensor-Beziehungen' nennt. Mit den paar
Verrückten, die es dennoch tun, hat man dann später ein leichtes
Spiel ...
Die verbleibende Restmenge, den harten Kern sozusagen, kann man unter
Umständen auch noch abwimmeln, indem man die Ankündigung von Ort und
Zeit der Veranstaltung in Form einer Schnitzeljagd mit offenem Ausgang
gestaltet. Da gibt es verschiedene altbewährte Formulierungen. Zum
Beispiel der Klassiker:
- 'Ort und Zeit nach Vereinbarung'
- oder die Alles-ist-möglich-Variante:
- 'Die Veranstaltung wird als kombinierte Arbeitsgruppe oder Blockseminar zu
Beginn/am Ende des Winter-/Sommersemesters
abgehalten'
- oder die rekursive Variante für die
Mathematiker:
- 'Ort und Zeit des Seminars sind zentrale Inhalte des
Seminars'
- oder die Formulierung für theologische
Seminare:
- 'Gott allein weiß, wann wir uns treffen
werden'
- Besonders oft bei den Politologen ist
anzutreffen:
- 'Über Ort und Zeit der Veranstaltung wird demokratisch
entschieden'
Auf diese Weise kann man mit ein bißchen Einsatz zum Semesterbeginn die
Belegung seines Seminars locker um 40-60% drücken. Das ist ein
lebenswichtiger Tip, Leute! Aufschreiben!
Das KuMi (Kultusministerium) versucht spaßigerweise seit letztem Jahr das
gleiche durch die Einführung von horrenden Studiengebühren zu
erreichen. Lächerlich! Die sollten sich erstmal bei mir erkundigen!
(Andererseits haben die Studiengebühren natürlich auch wieder was
für sich; manche Studenten zahlen ja tatsächlich was; wo das wohl
wieder hinfließt ...)
Es gibt natürlich noch andere Praktiken; zum Beispiel die 'First Hour
Shock'-Methode. Der Dozent erzählt in der ersten Stunde ausführlich,
wie unglaublich schwer der Stoff sei, daß noch niemals seit dem Bestehen
dieser Universität jemand eine bessere Abschlußnote als vier minus
geschafft habe und daß man es mit so einem exotischen
Studienabschluß bestenfalls bis zum Hilfsschlauchträger bei der
städtischen Kanalreinigung bringen könne.
Wenn man gut drauf ist (und ein entsprechendes Parteibuch aufzuweisen hat, das
vor den Konsequenzen schützt), kann man noch ein paar kernige Sätze a
la 'Frauen hinter den Herd' etc. von sich geben. Obwohl diese Technik immer
noch besonders bei den älteren Professoren sehr beliebt ist, halte ich sie
doch für etwas umständlich: schließlich sind die Studenten ja
dann schon eingeschrieben und es ist gar nicht so leicht zu erklären,
wieso nach drei Wochen über 80% wieder abspringen. Meine Methode dagegen
bekämpft - ähnlich wie die Studiengebühren - das
Problem an der Wurzel.
- Am dritten Tag hat sich wohl herumgesprochen, daß in diesem
Gebäude überhaupt gar keine Einschreibung nicht möglich ist, und
der Zustrom der Erstsemester flaut allmählich ab. Dadurch habe ich Zeit,
Frau Bezelmann ein wenig bei der Arbeit zu beobachten. Gerade telefoniert sie
mit dem Kollegen Rinzling, unserem
Muster-Monster-Hypochonder:
- "..."
"Was? Entzündeter Blinddarm?! Aber den hatten Sie doch erst letztes Jahr!
Haben Sie etwa zwei Blinddärmer ... äh ...
Blinddarme ... äh ... wie sagt man das eigentlich?
Blindgedärme?"
"..."
"Ach so! Ein Geschwür am Hintern!"
- (prust)
- " ... ja, ich hatte Sie nur falsch
verstanden ..."
- (prustgacker)
- "..."
- (prust)
- "... ja, das kann ich mir vorstellen, daß das unangenehm
ist ... na, dann erstmal gute Besserung!"
- <klack>
(prustgackerkreisch ...)
Das Telefon klingelt sofort wieder.
- "InstitutfürBlablablarabbarberBezelmann?"
"..."
"Sie wollen sich einschreiben ... soso ... welches Fach denn?
'Elektrotechnik'. Soso ... hmm ... das Fach gibt es bei uns ja gar
nicht ..."
"???"
"Natürlich bin ich sicher! Ich habe doch das Vorlesungsverzeichnis vor
mir liegen!"
"..."
"Tut mir leid! 'Elektrotechnik' gibt's hier nicht! Kann Ihnen da nicht
weiterhelfen.!"
- <klack>
Und damit hat sie sogar recht: Im Vorlesungsverzeichnis steht wortwörtlich
'Elektrotechnik und Informationstechnik'. Kann sie was dafür, wenn die
Studenten nicht mal lesen können? (Außerdem zahle ich für jeden
abgewimmelten Erstsemester eine Prämie von 20 DM aus dem Etat des
Schwafel-Projekts.)
Während ich noch fasziniert zuhöre und deshalb nicht aufpasse,
gelingt es tatsächlich einem Studenten, sich an mir vorbei ins Sekretariat
zu schlängeln.
- "Äh ... guten Tag ...
ähem ..."
- Frau Bezelmann wirft zuerst mir einen mißbilligenden Blick zu, dann
fixiert sie durch ihre blitzenden Brillengläser das Milchbüblein. Wer
schon mal von Frau Bezelmann so richtig ins Korn genommen wurde, versteht,
wieso der Student plötzlich um 12 Zentimeter einschrumpft, akute
Artikulationsstörungen bekommt und sich hilfesuchend an seinem Studienbuch
festklammert.
- "Sie wünschen?"
- fragt Frau Bezelmann mit so eisiger Stimme, daß es mir noch auf dem
Gang in den Zähnen zieht.
- "Ja ... äh ... ich woll ... ähm ... ich
würde mich gerne ... äh ... gerne einschreiben
für ... für den ... ähm ... für den
Compilerbau ..."
- Auf dem Gang mache ich verzweifelt das
'Cut-your-throat'-Zeichen.
'Tensor-Orientierter Compilerbau' ist eines meiner Seminare, die ich immer
wieder erfolgreich ankündige, ohne daß sich mehr als zwei Studenten
einschreiben. Dieses Jahr haben sich aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen
schon zwei eingeschrieben, und ab drei Studenten muß die Veranstaltung
stattfinden. Ich strecke dreimal alle zehn Finger in die Höhe, um Frau
Bezelmann zu bedeuten, daß ich die Prämie in diesem besonderen Falle
auf 30 DM erhöhe.
- "'Tensor-Orientierter Compilerbau' heißt
das!"
- bemerkt Frau Bezelmann streng, und der Rabe Nero krächzt
mißbilligend in seinem goldenen Käfig.
Der Student schluckt verunsichert:
- "Äh ja ... natürlich ... 'Tensor ...
äh ... Dings ..."
"'Tensor-Orientierter Compilerbau'" wiederholt Frau Bezelmann bissig. "Wie
wollen Sie denn die Vorlesung verstehen, wenn Sie nicht mal den Titel
aussprechen können?"
- Dem Studenten bricht der Schweiß aus sämtlichen Poren. Auf
seinem Studienbuch erscheinen schon dunkle Flecken. Aber er reißt sich
zusammen:
- "Ich wollte mich ja erstmal nur
einschreiben ..."
- Frau Bezelmann nickt finster.
- "Erfüllen Sie denn überhaupt alle Voraussetzungen? Vordiplom
abgelegt? Programmierpraktikum?
Industriepraktikum? ..."
- Der Student nickt eifrig und blättert heftig in seinem
schweißnassen Studienbuch.
- "... Pentium III mit 450 Mhz und mindestens 256 MB
RAM?"
- Der Student zuckt zusammen.
- "Äh ... was?"
- fragt er verwirrt und läßt vor Aufregung das Studienbuch
fallen.
- "Haben Sie etwa keinen Pentium III?!" bohrt Frau Bezelmann sofort
nach.
"Äh ... nein ..."
"Tja, dann tut's mir sehr leid" sagt Frau Bezelmann genüßlich, "aber
infolge der letzten Haushaltskürzungen kann die Universität keine
Rechnerausstattung für die fortgeschrittenen Kurse mehr anbieten. Daher
dürfen nur noch Studenten teilnehmen, die selbst über die notwendige
Hardware verfügen!"
- Damit ist für Frau Bezelmann das Gespräch beendet und sie wendet
sich wieder ihrer 28.000-Mark-Workstation mit 22-Zoll-Schirm, Scanner und
Farblaserdrucker zu.
Dem Student bleibt nichts anderes übrig, als unverrichteter Dinge
wieder abzuziehen. Ich tröste ihn mit dem Tip, es doch mal drüben bei
den evangelischen Theologen zu probieren. Die hätten keine so hohen
Hardware-Voraussetzungen ...
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