Das Telefon klingelt und tatsächlich: ein Benutzerin ist dran; und weil
wir das schon Monate nicht mehr hatten, und weil ich gerade mit dem dritten
DVD-Porno durch bin, und weil mir deshalb sowieso langweilig ist, und weil ich
noch mindestens fünfzehn Minuten warten muß, bis einer der
Koffein-Süchtigen im PC-Labor es einfach nicht mehr aushält und
endlich neuen Kaffee macht, und weil es ja manchmal sogar ganz witzig sein
kann, was so eine Benutzerin daherfaselt, hänge ich nicht gleich wieder
auf, sage auch nicht, daß diese Nummer seit Neuestem der Lohnbuchhaltung
gehöre, sondern frage ganz freundlich, was denn los sei.
Punkt.
(Ein schöner erster Satz, hah? Genau 100 Wörter! Thomas Mann hat
in irgendeinem seiner Wälzer ('Der Sepp und sei G'schwerl') mal mit einem
Satz begonnen, der 128 Wörter lang war; wahrscheinlich um dem Leser
unmißverständlich und von vorne herein klarzumachen, auf was er sich
da eingelassen hat! Ich dagegen mache so etwas nur, um ein gewisses
statistisches Defizit an Punkten im Text zu erzeugen. Der Leser lechzt dann
nach ein paar hundert Wörtern dermaßen nach einem Punkt, daß
das schließliche und ewig hinausgezögerte Auftauchen desselben wie
ein Mini-Orgasmus der Erleichterung wirkt ...
Bleibt noch anzumerken, daß 128 witzigerweise genau die Anzahl der
möglichen Zeichen im 7-Bit-ASCII-Zeichensatz darstellt, mit denen Thomas
Mann aber noch gar nichts anfangen konnte, weil es damals ja
glücklicherweise noch keine Windoofs-Rechner gab. Rechnet man die
128 Zeichen allerdings um in Standard-Schreibmaschinen-Äquivalente
und multipliziert das Ganze mit der Kreiszahl Pi, kommt man auf die
Zahl 14, was wiederum genau der Menge an Schreibmaschinen entspricht, die
Thomas Mann im Laufe seiner künstlerischen Laufbahn verheizt hat! Aus
alldem könnte ich jetzt die unglaublichsten Schlußfolgerungen ziehen
und auf allen möglichen Talkshows darüber quatschen, aber
letztendlich endet natürlich alles wieder bei der Antwort 42,
binär 101010, der Telefonnummer von Herrn Markus Mann in Osnabrück,
der nicht mit Thomas Mann verwandt ist und merkwürdigerweise bis dato auch
nicht mal den 'Anhalter' gelesen hat ...)
- "Ich habe Probleme mit meinem Office-Programm ...", sagt die weibliche
Stimme zögernd.
"Na! Wer hat das nicht heutzutage?" antworte ich aufmunternd. "Wo hakt's
denn?"
"Ja ... also: immer wenn ich ein Dokument mit mehr als 9 Seiten
abspeichern will, stürzt mein Rechner ab ..."
"Ah, ja", sage ich und klicke schnell in den Ausreden-Server
(www.cae.wisc.edu/cgi-bin/ballard/bofhserver.pl). "Das ...
äh ... ist kein Fehler sondern ein Feature!"
"Wie bitte?"
"Tja, ich habe eben bemerkt, daß die meisten Mitarbeiter ab einer
bestimmten Seitenzahl nur noch dummes Zeug
labern ..."
"Häh?!"
"... und deshalb hat jeder Benutzer seit neuestem in seinem Profil eine
sogenannten 'blabber threshold', zu deutsch Quasselschwelle, die verhindert,
daß wertvoller Speicherplatz für redundanten Quatsch vergeudet
wird."
"Aber ..."
"Und bei Ihnen ... Moment ...",
- ich drücke ein paar Male auf die Leertaste,
- "... ist die 'blabber threshold' zur Zeit gerade bei 9 pages.
Stimmt also genau", schließe ich gut gelaunt.
"Ich ..."
"Sie wollen jetzt sicher wissen, wie sich die Schwelle berechnet, nicht
wahr?"
"Also ... äh ..."
"Ganz einfach: ein hochwissenschaftlicher Algorithmus komprimiert jede Nacht
alle Ihre Text-Dokumente und mißt den Grad der Kompression im Vergleich
zum Originaltext. Können Sie mir noch folgen?"
"Eigentlich wollte ich ..."
"Gut! Je größer die Kompression ist, desto redundanter ist
natürlich auch der Inhalt. Ganz klar: stellen Sie sich nur eine Datei vor,
in der nur Nullen stehen; die kann man auf 4 Byte komprimieren, egal wie
lang sie vorher war. Interessant, nicht wahr?"
"Schon ... äh ... aber ..."
"Jetzt schneidet man hinten immer eine Seite ab und wiederholt das Ganze. Den
Kompressionsgrad trägt man über der Seitenzahl auf und stellt fest,
daß er irgendwann ganz plötzlich absinkt. Das ist dann das
sogenannte 'creative edge'. Das heißtr, bis zu dieser Seite hat der Autor
tatsächlich was zu sagen gehabt, und danach kommt nur noch BSD. BSD steht
übrigens für 'bull shit data'. Jetzt muß man nur noch den
minimalen 'creative edge' über alle Texte eines Benutzers bestimmen und
schon hat man die 'blabber threshold'. Klar?"
"Äh ... ja. Wenn ich jetzt aber ..."
"Übrigens", sage ich beiläufig, "habe ich gerade gemerkt, daß
der Algorithmus leider das Abschneiden letzte Nacht etwas zu wörtlich
genommen hat ..."
- Schweigen. Ich zähle lautlos: eins ... zwei ...
drei ... vier ... fünf ...
- "WAS!!!?"
"Ja ... äh ... so was kommt vor", sage ich bedauernd, "das
bringt der ... äh ... rasante Fortschritt eben mit sich. Aber
machen Sie sich keinen Sorgen ...
ähm ...",
- ich blättere kurz in meiner populären 'Sammlung praktischer
Lügen für den SysOp',
- "... wir haben ja Backup!"
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