- Im Biergarten vor der Cafeteria sind die Bierbänke zu 187% besetzt. Ein
untrügliches Zeichen, daß jetzt (im Juni!) nach diesem endlosen
Winter das Klima endlich beschlossen hat, sich zur Abwechslung mal wieder nach
der Wetterstatistik zu verhalten. Höchste Zeit also, sich auf die
Sommerzeit vorzubereiten.
Ich hänge ein uraltes Terminalkabel an die serielle Schnittstelle unserer
Hausklimaanlage und schiebe das andere Ende durch die Mäuseautobahnen bis
in mein Büro. Vermutlich haben selbst die Techniker der Wartungsfirma schon
längst vergessen, daß man auf diese Weise mit Hilfe der guten alten
Kommandozeile die gesamte Kühlanlage konfigurieren kann. Über einen
Terminalemulator kann ich jetzt für jeden Raum am LEERstuhl die Luftmenge
und Temperatur einstellen.
Natürlich denken jetzt alle: na klar, der sonnenscheue BAfH will sein
Büro auf optimales Klima einstellen. Weit gefehlt! Selbstlos wie ich bin,
denke ich natürlich nur an das Wohl meiner Studenten und
Mitarbeiter!
Als erstes reduziere ich den Luftaustausch in allen unseren Hörsälen
und der Bibliothek auf Null. Bei schönen Wetter sollen die jungen Leute
sowieso lieber nicht so lange im Haus herumhocken, also
bitte!
Die Temperatur im Linux-Cluster regele ich auf vernünftige
15 Grad - schließlich will ich nicht, daß den neuen
Rechnern was passiert! -, während in den Mitarbeiterräumen
angenehme 42 Grad erreicht werden. Da braucht wirklich niemand mehr nach
Mallorca fliegen!
In Frau Bezelmann Sekretariat erhöhe ich die Luftfeuchte auf 100%. Mit
etwas Glück verfault dann endlich ihr blöder
Postkaktus.
Im Büro des Chefs herrschen natürlich wie immer angenehme 23 Grad
und optimaler Luftaustausch - nicht etwa weil ich den Chef so mag, sondern
damit er das übliche Unverständnis zeigt, wenn sich die Kollegen
über die Klimaanlage beschweren.
Inzwischen ist es zwölf Uhr und die meisten Hörsäle sind jetzt
während der Mittagspause verwaist. Ich gehe mit einem Maßband
bewaffnet durch alle Seminarräume und kürze sämtliche
herumliegenden Tafelkreiden auf exact 87 Millimeter Länge. Es hat mich
ganze drei Jahre gekostet herauszufinden, daß diese Länge das
optimalste Resonanzverhalten mit geradezu nervenzerreißenden Gekreische
hervorruft.
Gerade bin ich zurück in meinem Allerheiligsten und will mich nach einem
anstrengenden Arbeitstag in den Feierabend verabschieden, da läutet das
Telefon. An der Nummer sehe ich, daß es ein Anruf aus dem Bereich der
Sozialpsychologen ist, die seit ein paar Monaten - theoretisch - zu
unserem Netzbetreuungsbereich gehören. Da mir niemand nachsagen soll, ich
sei nicht aufgeschlossen für was Neues, hebe ich
ab.
- "Hallo?"
"Ah! Hallo!"
- Eine jungenhafte Stimme trompetet mir 30 dB zu laut ins
Ohr.
- "Gut, daß ich sofort Jemanden erreiche. Sie sind doch der neue
Ansprechpartner für Computerprobleme, oder?"
- Ich gebe einen unverbindlichen Knurrlaut von mir, der alles Mögliche
heißen kann, aber der junge selbstbewußte Mann interpretiert ihn
wohl als Zustimmung.
- "Gut. Ich habe folgendes Problem: Mein Doktorvater wünscht, daß
ich ihm regelmäßig Kopien meiner Arbeit mitbringe, und zwar auf einem
Sony-Memory-Stick."
"Und wo ist das Problem?"
- frage ich.
- "Haben Sie keinen Sony-Laptop?"
"Doch, doch. Ich hab' ja auch schon einen Stick mit 256 MB gekauft, aber er
funktioniert nicht."
- Ich frage geduldig, was er denn genau mit dem Stick gemacht
habe.
- "Ich stecke ihn in das dafür vorgesehene Loch, aber es passiert einfach
nix. Der Verkäufer hat gesagt, es müsse irgendwie 'Ping!'
machen ..."
- Großer Core-Dump! Da hat man das Gehirn von drei
Nobelpreisträgern, und dann muß man sich mit kleinen Jungs
herumschlagen, die es nicht schaffen, ihn ins richtige Loch zu stecken, so
daß es 'Ping!' macht. (Dieser Satz führt wahrscheinlich wieder mal
dazu, daß diese BAfH-Episode vom Katholischen Bücherbund auf den
Index gesetzt wird!)
- "Vielleicht ist es ganz einfach ein
Kontaktproblem?"
- mutmaße ich nach weiteren fünf Minuten fruchtlosen
Nachforschens.
- "Sind vielleicht die Kontakte auf den Stick irgendwie
verschmutzt?"
"Nein, das kann nicht sein",
- sagt er,
- "da ist ja noch der Virenschutz drumherum."
"Was denn für ein Virenschutz?"
- frage ich, nun ehrlich verblüfft.
Der Doktorand erklärt mir ausführlich, daß sein Memory-Stick mit
einem extra Virenschutz ausgestattet sei, eine durchsichtige Nano-Menbran, die
verhindere, daß Viren auf den Stick übertragen würden. Mir
dämmert schließlich, daß er von der üblichen
Verpackungsfolie faselt. Ich frage vorsichtig, woher er denn wisse, daß es
sich bei der Folie um einen Computervirenschutz
handele.
- "Oh, das hat mir der gleiche Verkäufer erklärt, der auch gesagt
hat, es müsse 'Ping!' machen",
- erklärt der Doktorand unschuldig.
- "Wieso? Kann es sein, daß der Virenschutz das Problem
ist?"
"Nein, nein",
- sage ich hastig.
- "Der Virenschutz ist natürlich lebenswichtig, wenn Sie nicht aus
Versehen den Rechner Ihres Professors infizieren möchten. Stellen Sie sich
bloß vor, was dann los ist!"
- Der Doktorand stellt es mit Grausen vor.
- "Und was soll ich jetzt machen?"
- fragt er hilflos.
- "Hmm ... vielleicht ist die hydrophobe Oberflächenspannung in
Verbindung mit dem spezifischen Brechungsquotienten des Virenfilters zu hoch, so
daß die Elektronen nicht normal durch die Nano-Membran tunneln
können."
- Pause im Telefon. Dann:
- "Äh ... was?"
"Die technischen Details sind nicht so wichtig. Im Endeffekt ist wahrscheinlich
die zu trockene Sommerluft schuld. Versuchen Sie mal folgendes: Gehen Sie in die
nächste Apotheke und besorgen sich eine Tube 'Lubricant
Gel'."
- Der Doktorand bittet um eine Buchstabierung des schwierigen Namens,
und ich gebe sie ihm bereitwillig.
- "Damit Sie die richtige Sorte Lubricant bekommen, nehmen Sie am besten den
Memory-Stick mit und zeigen ihn dem Apotheker. Sagen Sie ihm, daß es
Probleme beim Einführen des Sticks mit dem Virenschutz
gibt."
- Der Doktorand macht sich Notizen, damit er sich das alles korrekt
merken kann. Schade, daß ich später das Gesicht des Apothekers nicht
sehen kann.
- "Dann streichen Sie die Virenschutzfolie dünn mit dem Gleitgel ein und
probieren es noch einmal."
"Ok, und dann?"
"Wenn es dann immer noch nicht funktioniert, bringen Sie alles zusammen,
am besten auch den Laptop, wieder zu dem Verkäufer, der Ihnen den Stick
verkauft hat."
- Ich kenne den Typen zwar nicht, aber er verdient meiner Meinung nach, auch
etwas Spaß an der Sache zu haben.
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