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28.11.2005 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Bastard Mobil from Hell
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"Der B.X.f.H. spornt zu jeder Tages- und Nachtzeit seine geistige Aufnahmefähigkeit zur Höchstleistung an und verfügt stets über ein 100%ig funktionierendes sensorisches System." 
So steht es im 'Leitfaden für den erfolgreichen Bastard X from Hell', S. 367, Absatz 3. 
Während Professoren und Institutsleiter schon aus purem Selbstschutz ihre Sensorik auf 15% der Nennkapazität herunterfahren - ganz einfach, damit sie das unglaubliche Chaos um sie herum nicht mehr wahrnehmen müssen -, kann sich unsereiner so etwas gar nicht leisten. Ein Assistent, der nicht den Schimmelpilz in der Bibliothek wachsen hört, ist von vorne herein weg vom Fenster! 
Immer wachsam, immer die Sensorphalanx auf voller Empfindlichkeit, keine ruhige Minute, in der man die Seele mal baumeln lassen kann, den Adrenalinlevel immer an der physiologisch erlaubten Höchstgrenze, jederzeit bereit, in hektische Aktion zu treten: 
das ist es, was den wahren Bastard Ass(i) from Hell ausmacht! 
Ich gähne ausgiebig, blättere auf die nächste Seite des Leitfadens und rücke das Kopfkissen in meiner Hängematte in eine noch bequemere Position. Ein träger Blick auf die Uhr in meinem Bildschirmschoner sagt mir, daß es schon auf elf Uhr zugeht, und ich rufe per Funkmaus die Web-Seiten der Uni-Mensa auf und checke, was heute in der Cafete als Mittagsmenu angekündigt wird. 
Da schon allein die Ankündigung meinen kulinarischen Cortex erschaudern läßt, beschließe ich, heute mal wieder der kleinen Osteria in der Schellingstraße einen Besuch abzustatten. Schließlich schuldet mir der Besitzer noch was, seitdem ich die letzte Hochschulratsitzung aus dem normalerweise dafür vorgesehenen Senatssaal in die Osteria verlegt hatte. (Die Ankündigung der Sitzung lief ausgerechnet über unseren Sendmail-Server!) 
Dem Hörensagen nach war das übrigens die erste Hochschulratsitzung, in der kein Beiratsmitglied vor lauter Langeweile ins Koma gefallen ist, und obwohl hinterher keiner erklären konnte, wieso die Sitzung in der Osteria stattfand, hat die Univerwaltung anstandslos die Spesenrechnung berappt! 
Ich verlasse also gemessenen Schrittes mein Allerheiligstes und will mich gerade dem Ausgang zuwenden, als plötzlich ein eigentümlicher Geruch meine empfindlichen Nasenschleimhäute erreicht. Nur eine Andeutung, ein Hauch von säuerlicher Schärfe und blauem Schimmelpilz, vielleicht zusammen mit einem winzigen Zusatz an verfaulendem Schinken, der in Rattengift gewälzt wurde? 
Im ersten Augenblick denke ich an das Naheliegendste, nämlich daß unsere berserke Klimaanlage wieder mal die üblichen Ausdünstungen der Cafeteriaküche im ganzen Gebäude verteilt hat - aber warum, zum Teufel, läuten dann in sämtlichen Ganglien meines Kleinhirns die Alarmglocken? 
Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen, beziehungsweise wie Wattepfropfen aus den Nasenlöchern, woher ich diesem scharfen Geruch kenne: das ist der typische Geruch, der entsteht, wenn sich irgendwo in der Nähe eine echte kreative Idee formt! 
Vielleicht versteht ihr mein grenzenloses Erstaunen darüber besser, wenn ich euch sage, daß ich diesen Geruch das letzte Mal vor knapp 14 Jahren in der Nase hatte. Damals hatte der 'Oberste der Klingonen' (Leiter der Haustechnik) erkannt, daß sich die Zahl der gebrochenen Nasenbeine und Ellenbogenfrakturen unter der Studentenschaft drastisch reduzieren läßt, wenn man alle Flügeltüren an der Uni so konstruiert, daß sie sich nur noch nach einer Seite (nach außen) öffnen. Seither habe ich diesen Geruch nie wieder wahrgenommen - was eventuell diejenigen Leser erstaunen wird, die immer noch glauben, daß an einer Universität irgendetwas Neues erfunden wird. 
Prüfend sauge ich die verpestete Luft durch meine Nüstern und versuche, die Quelle des Kreativitätsgeruchs festzustellen. Ich schnüffele probeweise an der Türe des Kollegen Rinzling, weil die am nächsten zu meinem Allerheiligsten liegt. Aber da dringt nur der Gestank von Desinfektionsmitteln und Doppelherz hervor. Marianne reißt wütend die Türe auf, als ich gerade an ihrem Schlüsselloch schnuppere, und droht mir eins mit dem Posaunenkasten überzuziehen, wenn ich nicht sofort mit dem Quatsch an ihrer Tür aufhöre. Für Marianne ist das eine ziemlich normale Reaktion und außerdem kommt aus ihrem Büro nur ein überwältigender Schwall Jil-Sander, weswegen ich kommentarlos das Feld räume. Bei Frau Bezelmann brauche ich gar nicht erst Halt zu machen; ihre kreativen Ideen beschränken sich auf verbesserte Methoden der Rabenhaltung und auf das Austüfteln neuer, noch tödlicherer Handfeuerwaffen. Aber gleich hinter dem Sekretariat, beim Büro des Kollegen O., werde ich fündig: ganz deutlich dringt der Kreativitätsgeruch vermischt mit dem Geruch von frisch gewaschener und gestärkter Reizwäsche (lila) durch die Ritzen seiner fest geschlossenen Bürotüre. 
Nach kurzem Überlegen beschließe ich, den Feind frontal anzugehen. Ich klopfe nur einmal ganz kurz an und reiße dann sofort die Türe auf - genau so, wie es der Chef immer macht (nur daß der Chef aus Effizienzgründen auf das Anklopfen verzichtet). 
Der Kollege O. guckt erschreckt von seiner Arbeit hoch, sieht mich und klickt sofort auf eine andere Oberfläche in seinem Display. Der sekundenbruchteillange Blick vorher genügt mir aber schon: der Kollege O. arbeitet ganz eindeutig an einer wissenschaftlichen Veröffentlichung! Auf die heftige Frage, was ich denn von ihm wolle, frage ich ganz unschuldig, ob er heute nicht mit zum Essen in die Cafete kommen wolle. 
"Äh ... nein. Heute mal nicht. Zu viel zu tun ... du weißt schon ... die Skripten für das Physikalische Praktikum II und so weiter ..." 
Ich lasse mich anstandslos mit dieser offensichtlichen Lüge abspeisen, rase zurück in mein Allerheiligstes und leite sofort O.s X-Display-Output auf meinen Monitor um. Mein Verdacht erhärtet sich zur Gewißheit: der Kollege O. bereitet tatsächlich eine Veröffentlichung vor. Ich überfliege rasch sein fast fertiges Manuskript und erkenne sofort, daß der Kreativitätsgestank nicht unbegründet war. Der Kollege O. ist da wirklich auf eine hübsche neue Idee gekommen. Leider steht in seinem Manuskript aber nirgends, bei welcher Konferenz oder Zeitschrift er das Ding einreichen wird. 
Ich rufe bei Frau Bezelmann an und erkundige mich ganz unschuldig nach dem Reisebudget, wie viel denn da noch drin sei für dieses Jahr und ob noch irgendwelche größeren Auslandsreisen geplant seien. Frau Bezelmann erklärt ungnädig, daß sie mir diese Information nicht geben könne, weil zur Zeit der Zugriff auf ihren Rechner nicht funktioniere, weil - jetzt kommts! - der Prozessor-Lüfter zu langsam sei und ihr Prozessor sich deshalb im 'Hitzefrei-Modus' befände. 
Ich gucke reflexartig zu meinen Bastard-Ausredenkalender an der Wand, und für einen Moment lang bleibt mir tatsächlich die Spucke weg: 'Lüfter dreht zu langsam, Prozessor im Hitzefrei-Modus' lautet die Ausrede des Tages! Da hat sich diese Hexe tatsächlich heimlich eine Kopie besorgt! Und dann noch die Frechheit, mir mit meinen eigenen Ausreden zu kommen! 
Um der Sache ein Ende zu machen, erkläre ich Frau Bezelmann freundlich aber bestimmt, daß ich mich leider gezwungen sehe, den Chef auf ihre ganzen mit Photoshop gefälschten Genehmigungen aufmerksam zu machen, in denen ihre ausgefallenen Kampfsportkurse allesamt als Fortbildungsmaßnahmen deklariert seien. 
"Es sei denn", 
füge ich hinzu, 
"Sie beschaffen mir innerhalb von zehn Sekunden Einblick in das Reisebudget." 
Zischend rückt Frau Bezelmann mit der Info heraus. Tatsächlich ist für den Kollegen O. noch dieses Jahr eine geplante Kongressreise nach Sydney budgetiert! Und was noch besser ist: im Budget ist durchaus noch Raum für eine zweiten Reise! 
Da ich schon ewige Zeiten nicht mehr in 'down-under' war, beschließe ich, mich selbst mit sofortiger Wirkung zum Co-Autor von O.s Konferenzbeitrag zu ernennen. (Nur Autoren bekommen nämlich die Reise als Dienstreise bezahlt!) 
Bleibt nur noch die kleine technische Nebensächlichkeit, wie ich den Kollegen O. von der Notwendigkeit dieser Maßnahme überzeugen kann. 
Ich gehe wieder in O.s Account und stöbere etwas herum, bis ich die Auswertungen seiner Experimente finde. Glücklicherweise ist er mit der graphischen Darstellung der Ergebnisse noch nicht weit gediehen, so daß die meisten Daten noch roh auf dem Server herumlungern. Kurzentschlossen gehe ich hinüber in den Serverraum, ziehe zwei der Hot-Swap-Platten aus unserem Server und lasse sie in einem Elektroschrott-Haufen in der Ecke verschwinden. Ich habe gerade noch Zeit, zwei neue Platten in den Server zu stecken, da erscheinen auch schon die ersten, aus ihrer Mittagsruhe aufgescheuchten Mitarbeiter im Rechnerraum. 
"Ruhe, Ruhe", 
sage ich, 
"bitte keine Panik! Es sieht tatsächlich so aus, als ob der äußerst unwahrscheinliche Fall eines Doppel-Platten-Crashs eingetreten ist. Das ganze Raid-5 ist natürlich hinüber, aber keine Sorge: wir haben ja alles im Backup. Ist also nur eine Frage der Zeit ..." 
Der Kollege O. sieht plötzlich so aus, als leide er ganz plötzlich an galoppierendem Eisenmangel. 
"Aber ich habe am Freitag eine Dead-Line ...", 
stottert er, 
"... ich meine, ich muß ganz dringend was fertig machen! Wie lange ..." 
Ich wiege sorgenvoll meinen Kopf. 
"Erst muß ich die richtigen Versionen lokalisieren ... dann eins Komma acht Terabyte von Bändern herunterspielen ... alles auf Konsistenz überprüfen ... tja, und dann müßte ich ja zuerst noch das Microprozessor-Praktikum vorbereiten ... naja, so ein, zwei Wochen wird's schon dauern ..." 
In einer hastig anberaumten Unter-Vier-Augen-Konferenz klärt mich der Kollege O. nach vielem Hin- und Hergeeiere über seine peinliche Zwangslage auf. Als hilfsbereiter Mitarbeiter bin ich natürlich sofort bereit, meine ganze Arbeitskraft nur noch auf die Wiederherstellung seiner wertvollen Daten zu konzentrieren. Als kleine Gegenleistung allerdings ... Dem Kollegen O. bleibt natürlich keine andere Wahl, als mich zähneknirschend als Co-Autor zu akzeptieren. 
Drei Tage später, gerade noch rechtzeitig vor dem Abgabetermin, stecke ich die zwei fehlenden Platten wieder in den Server und schicke eine freudige Email an alle Mitarbeiter, daß es mir dank pausenlosem Tag-und-Nacht-Einsatz gelungen sei, bereits früher als geplant sämtliche Daten des Servers zu rekonstruieren.
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