DISCLAIMER
Die folgende Geschichte ist ausdrücklich NICHT zur Nachahmung
gedacht!
(Und wer mit dem ganzen Tech-Talk nicht klarkommt, für den habe ich
am Ende ein kleines Glossar zusammengestellt.)
- Nachdem ich mich acht Jahre lang erfolgreich gegen alle Arten von
Fortbildungsmaßnahmen gewehrt habe, hat mich das
Rechnerbenutzerbetreungsreferat (RBBR) zu einem Kurs über Windows XP
zwangseingeteilt.
Die Argumentation des RBBR war ungefähr die Folgende: Genau genommen sei
mein Posten seit der Einrichtung des RBBR überflüssig geworden. Die
Uni könne mich aber leider(!) nicht feuern, weil mysteriöserweise
alle Unterlagen über meine Einstellung verschwunden sind, und daher
niemand mit Sicherheit sagen könne, wann ich eigentlich an die Uni
gekommen bin. Folglich könnte es sein, daß ich schon länger als
sechs Jahre unter Vertrag stehe und damit unkündbar bin. Andererseits
können sie mich nicht einfach zum RBBR versetzen, weil meine Stelle nunmal
zum LEERstuhl gehört. Obwohl sie also zähneknirschend zugeben
müssen, daß ich mich ausschließlich um die Rechner am
LEERstuhl zu kümmern habe, bestehen sie darauf, daß ich dieses (das
Kümmern!) nach ihren idiotischen Standards
mache.
Und daher die Zwangsfortbildung in Windows XP!
Ich habe schon den Mund offen, um zu sagen, daß bis jetzt in meiner
Einflußsphäre sowieso kein Windoofs-System länger als 13einhalb
Sekunden überlebt hat, als jemand beiläufig den Veranstaltungsort
'London' erwähnt. Also klappe ich den Mund wieder zu und begebe mich zur
vorgeschriebenen Zeit zum Flughafen.
Bei den Etix-Terminals treffe ich wie erhofft auf die B.f.A.f.H., ausnahmsweise
heute nicht im Military-Look, vermutlich, weil sie keine Lust auf eine
Leibesvisitation bei den Sicherheitskontrollen hat. Der Gedanke an
'Leibesvisitation' ruft heiße Erinnerungen in mir wach, aber die
B.f.A.f.H. funkelt mich mit ihren grünen Augen warnend an. Ein falsches
Wort und du bist der erste Bastard-SysOp der Geschichte, der auf einem
Windoofs-Seminar das Zeitliche segnet, sagt ihr Blick, in 96er font, courier,
boldface und zwanzig Ausrufungszeichen dahinter. Außer der B.f.A.f.H.
sind noch ein halbes Dutzend Kollegen vom Rechenzentrum dabei und ein paar
hochnäsige Ingenieure von der FH, die sich für was Besseres halten,
weil sie schon mal einen PC von innen gesehen haben.
Weil wir noch einen Haufen Zeit haben, schließen wir Wetten ab, wer ein
Etix-Terminal zum Absturz bringen kann. Nachdem alle anderen vergeblich ihr
Glück versucht haben - einer von der Hotline hat sogar eine
Dataport-Karte dabei, die am USB-Port seines PDA hängt -, bin ich
dran. Ich ziehe meinen Kurzschlußstecker aus der Tasche, den ich immer im
Physikpraktikum III verwende (für was wohl?), und stecke ihn kurz in
die Steckerleiste hinter den Terminals ('Steck ihn kurz und
Schluß' - daher der Name). Es gibt ein kurzes, angenehmes Knacksen
und die ganzen Etix-Terminals sterben an akutem
Elektronenmangel.
Während wir zu den Sicherheitskontrollen sprinten, bricht eine heiße
Debatte darüber aus, ob das jetzt ein 'Absturz' im Sinne der Wette
war. Da ich aus Erfahrung weiß, daß Techis sowieso niemals ihre
Spielschulden bezahlen (nicht etwa weil sie geizig sind, sondern weil
sie es nicht ertragen können, nicht recht gehabt zu haben), halte ich
mich da raus und konzentriere mich lieber darauf, meinen Technologiepark
heil durch die Kontrollen zu bringen.
- "Was ist das hier?"
- fragt mich eine untersetzte Sicherheitsbeamtin, mit zu wenig Training und
zu viel Kartoffelchips im Küchenschrank.
- "Das",
- erläutere ich geduldig,
- "ist ein modifiziertes WLAN-Modem mit zugehörigem
Netzteil."
"Und warum hängen da überall Drähte
heraus?"
"Weil es modifiziert ist."
"Und das hier?"
- Sie hält mir meinen Multi-Tastkopf unter die
Nase.
Meine Geduld ist am Ende.
- "Das ist ein Kernel-Callibrator zum Rekonfigurieren der
Dilithium-Kristalle, falls der Warp-Kern nach übermäßiger
Tachionen-Belastung mal instabil werden sollte."
"Ist das Ding gefährlich? Es ist ziemlich lang und
spitz ..."
"Nur außerhalb der Atmosphäre - kann ich jetzt gehen? Meine
Crew ist schon fast am Gate und das Shuttle wartet nicht. Schließlich
müssen wir das Universum retten wie jeden
Dienstag!"
- In London im Hotel ist eine lange Schlange vor der Rezeption. Die
Höflichkeit in Person lasse ich alle meine Kollegen und noch ein paar
andere Hotelgäste vortreten. Meine Geduld wird belohnt, als eine junge
Rezeptionistin sich genau vor einem mächtigen viktorianischen Spiegel im
Zeitlupentempo in ihr Terminal einloggt. Ich lasse mir mein Zimmer anweisen,
das sich erwartungsgemäß als Hundehütte ohne Blick aber mit
Internetanschluß herausstellt. Ohne lange auszupacken gehe ich mit meinem
Laptop ins Netz und logge mich über den Webhost in den Hotelrechner ein.
Zehn Minuten später bin ich wieder an der Rezeption und erkundige mich
höflich, ob da nicht vielleicht ein Fehler vorliege. Meine
Sekretärin(sic!) habe eigentlich gesagt, daß ich dieselbe Suite
bekommen würde wie das letzte Mal. Die Terminal-Huschen gucken in ihren
Computer und winden sich buchstäblich vor Entsetzen. Natürlich sei da
nur ein Fehler passiert, bitten tausendmal um Entschuldigung, unverzeihlich,
die Prince-of-Wales-Suite steht Ihnen natürlich sofort zur Verfügung,
und hier noch ein Gutschein für ein Dinner im 3-Sterne-Restaurant
gegenüber, sie können es gar nicht verfehlen, fragen Sie nach George
und sagen Sie, daß Sie ein Gast des Hotels seien, ist das ihr ganzes
Gepäck? Bitte sehr, hier entlang!
Später rufe ich die B.f.A.f.H. an und frage, ob sie nicht Lust hätte,
in die Prince-of-Wales-Suite zu ziehen. Leider stellt sich heraus, daß
sie inzwischen im Lady-Di-Palais im Roof-Garden wohnt und sich dort sehr wohl
fühlt. Zumindest zieht sie gnädigerweise in Erwägung, mich mal
zu besuchen.
Das Windoofs-Seminar beginnt zu nachtschlafender Zeit um 10 Uhr am
nächsten Tag (vormittags!). Während die anderen mit blinzelnden Augen
und hemmungslos gähnend dem XP-Gedröhne zuhören, scanne ich in
der hintersten Reihe mit meinem PDA nach dem Firmen-WLAN. Leider waren die
Kerle immerhin so schlau, Zugang nur über VPN zu gewähren und ich
habe bis jetzt keine Kennung erhaschen können. Aber zum Glück habe
ich ein kurzes Patch-Kabel dabei, mit dem ich an einen freien Netzport im
Seminarraum connecten kann. Ein paar Minuten später bin ich in ihrem
Linux-File-Server, mache mir einen VPN-Account für später,
programmiere ein paar Dutzend selbst löschende Shutdowns in die
Cron-Tabellen und verteile locker ein paar simple
Trojaner.
Nach dem dritten rätselhaften Crash und nachdem dem Seminarleiter die
theoretischen Themen ausgegangen sind, werden wir kurz vor Lunch für den
Nachmittag entlassen.
Reisen bildet, das steht fest. Keine vier Stunden später bin ich um
zahlreiche unschätzbare Erfahrungen reicher geworden:
- Erstens, 'Tourist' ist in London ein Euphemismus für 'armes Schwein,
das dauernd frierend herumstehen muß, und gleichzeitig gemolken wird wie
eine Allgäuer Preiskuh'.
- Zweitens, England ist sehr wohl der Währungsunion beigetreten, nur
haben sie vergessen, ihr Pfund in Euro umzubennen und die Wechselbuden
abzubauen.
- Drittens, weiß ich jetzt, daß Lunch genauso schmeckt wie es
klingt. Und mir ist jetzt klar, wo Fast-Food erfunden wurde und warum es eine
evolutionäre Notwendigkeit war (sonst wäre diese Insel schon lange
unbevölkert).
- Viertens, die B.f.A.f.H. hat viel mehr Ausdauer als ich, obwohl sie
hochhackige Schuhe trägt (wie macht sie das
bloß?!).
- Fünftens, entgegen aller Erwartungen leben in England keine
Engländer sondern Inder, Afghanen, Pakistani, Perser, Afrikaner jeglicher
Schattierung und Asiaten aus mehr Ländern als in 'Wer wird
Millionär?' vorkommen.
- Sechstens, die Engländer sprechen bis auf wenige Ausnahmen kein
Englisch (zumindest klingt's nicht so und ich versteh's
nicht!)
- Siebtens, die grundlegenden Regeln der Ökonomie gelten nicht in
England: eine einzelne U-Bahn-Fahrt kostet fast so viel ein Tagesticket
für den Bus. Und das, obwohl die U-Bahn stinkt, dreckig ist, eng,
überfüllt und man nix sieht.
- Achtens, im British Museum kann man, wenn man geschickt ist, im Lesesaal
seinen PDA ans Netz bekommen.
- Neuntens, selbst der leichteste PDA ist nach vier Stunden bleischwer.
Muß an der abnehmenden Akku-Kapazität liegen ...
(Bleiakku?)
- Zehntens, die Oxford-Street ist vermutlich die einzige Straße des
Universums, wo man einen Doppeldeckerstau mit 300 Fahrzeugen erleben kann.
- Am nächsten Morgen versammeln sich die Windoofs-XP-Seminaristen zu
einem neuen Anlauf. Noch vor dem Frühstück logge ich mich per VPN in
der Firma ein und sehe, daß sie meine Cron-Einträge und die Trojaner
gefunden haben. Das ist gut, weil sie jetzt vermutlich so zufrieden sind,
daß sie nicht auch noch die VPN-Accounts prüfen. Ich lasse sie
erstmal in dem Glauben, daß jetzt alles wieder ok
ist.
Einer der Kollegen vom Rechenzentrum hat einen Hot-Spot dabei, den er unter dem
Tisch in Betrieb nimmt, und wir loggen uns allesamt mit unseren Laptops und
PDAs bei ihm ein. Während der Seminarleiter glaubt, wir würden uns
eifrig Notizen machen, spielen wir über unser privates Funknetzwerk DooM
oder chatten abschätzig über die Kravatte des
Seminarleiters.
Gegen elf haben alle Hunger, und ich logge mich auf dem Server ein,
überschreibe den MBR und mache einen Shutdown.
Den Nachmittag verbringen die B.f.A.f.H. und ich damit, die teuersten
Leckereien und Getränke beim Zimmerservice zu bestellen und
anschließend die Buchungen im Hotel-Computer auf andere Zimmernummern zu
verteilen.
In der Nachtmaschine nach München grübele ich darüber nach,
daß Windoofs-Fortbildungen vielleicht doch nicht ganz so nutzlos sind,
wie ich mir das immer vorgestellt hatte. Vielleicht sollte ich bald wieder eine
machen. Viel hab' ich ja bisher nicht gelernt ...
Nach der Ankunft begegnet mir im Terminal zufällig die untersetzte
Sicherheitsbeamtin, die mich sofort wiedererkennt (das ist der Nachteil, wenn
man originell ist).
- "Na, haben Sie das Universum retten können?"
- fragt sie sarkastisch.
- "War gar nicht nötig",
- antworte ich kopfschüttelnd,
- "diese Woche waren es bloß ein paar schwatzhafte Billgatianer. Da
genügen ein, zwei Quantentorpedos ..."
Glossar
(kaum zu glauben, aber manche von euch brauchen das wohl)
Windoofs |
Euphemismus für 'Monopolistisches Betriebssystem' |
Cron |
Kleiner Dämon (Hintergrundprozeß), der auf richtigen Rechnern
wie Linux zu bestimmten Zeiten Prozesse startet |
WLAN |
Wireless Local Area Network, Funknetzwerk |
PDA |
Kleiner tragbarer Rechner mit keiner/rudimentärer Tastatur (ein
Muß für alle Techis auf Reisen) |
VPN |
Virtual Private Network, Software, die es erlaubt, über unsichere
Netzwerke (z.B. Funk) sicher in ein bestimmtes Netzwerk einzuloggen (u.a.) |
Hot-Spot |
Fest installierte Relais-Station für ein Funknetz |
MBR |
Master Boot Record, vereinfacht gesagt, die Stelle auf der Festplatte, wo
drinstehen muß, welches Betriebssystem gestartet wird und wo es
liegt |
|