- Es ist halb fünf (nachmittags!), ich sitze in meinem Allerheiligsten
und gucke aus dem Fenster. Fasziniert beobachte ich, wie es draußen
dunkler und dunkler wird. (Warum mich dieses einfache astronomische
Phänomen so fesselt, läßt sich eventuell damit erklären,
daß ich normalerweise nie länger als drei Uhr am LEERstuhl
anzutreffen bin.) Inzwischen ist so dunkel geworden, daß ich den Raben
Nero, der wieder mal die Abfalleimer vor der Cafeteria plündert, kaum noch
erkennen kann. Meine Gedanken schweifen müßig dahin ... naja,
so müßig auch wieder nicht. Ein Uni-Angestellter ist niemals
müßig; es gibt immer etwas zu tun!
Genau genommen überlege ich gerade, wie ich es dem
Rechnerbetreuungsreferat heimzahlen könnte, daß sie es gewagt haben,
einen Wartungsvertrag für meine Rechner abzuschließen. Aber mir
fällt partout nix ein; mein Gehirn ist völlig leer. Wohingegen meine
Gedärme alles andere als leer sind. Seufzend erhebe ich mich und wandere
in Richtung Toilette.
Ich zelebriere gerade heilige Riten auf dem Thron und rechne zum
hundertausendsten Mal aus, wie viel so eine durchschnittliche Sitzung
umgerechnet auf mein Bruttoeinkommen wert ist, als plötzlich jemand in den
Vorraum stürmt, kurz die Hände unters Wasser hält und beim
Hinausgehen das Licht löscht. Ich bin so verblüfft, daß ich
viel zu spät zu fluchen anfange; der Typ ist schon längst außer
Hörweite. Ich sitze also im Dunkeln. Und wenn ich dunkel sage, dann meine
ich, daß ich meine Hand erst sehen kann, wenn mir der Daumen schmerzhaft
auf den weit entblößten Augapfel drückt.
Stockdunkel!
Habt ihr schon mal versucht, im Stockdunklen euren Ritus ordentlich zu Ende zu
bringen? Ohne aus Versehen mit der Hand ins Klo zu greifen? Ich kann euch
versichern, es ist nicht gerade ein Highlight, selbst an den schlechteren
Tagen.
Wüst fluchend taste ich mich durch die riesige Herrentoilette und versuche
mich zu erinnern, wo der Lichtschalter oder der Ausgang sein könnte.
Natürlich greife ich gerade ins Pissoir, als die Infrarotlichtschranke die
Wasserspülung einschaltet! Warum, zum Teufel, wird heute alles mit
Infrarot gemacht? Was ist schlecht an der guten alten
Glühlampe-und-Phototransistor-Technik? Da hat man wenigstens einen
schwachen Lichtschein zur Orientierung gehabt ...
Endlich finde ich die richtige Klinke und reiße die Türe zum Gang
auf. Der Kerl, der mir das eingebrockt hat, ist nirgends zu sehen. Wenn der
wüßte, daß seine durchschnittliche Lebenserwartung heute
beinahe auf Null geschrumpft wäre! In Zukunft werde ich dafür
plädieren, daß man nur noch mit Magnetkarte Zugang zum Klo
bekommt!
Um meinen Blutdruck wieder auf einigermaßen vernünftiges Niveau zu
bringen, montiere ich mit meinem Schweizer Taschenmesser die Abdeckung des
Lichtschalters in der Toilette ab und lege die Phase frei. Mit etwas Glück
kommt der Lichtschalter-Typ nochmal zurück ...
Zurück in meinem Allerheiligsten finde ich zu meiner eigenen
Verblüffung eine email von der 'Bastard female Assistant from Heck'
(B.f.A.f.H.) in meiner privaten Mailbox. Sie schreibt, daß ihr Techniker
schon im Weihnachtsurlaub sei, und sie müsse aber dringend ein paar extra
lange Kategorie-6-Patchkabel ersetzen und komme nicht mit der Crimp-Zange klar
(wem das jetzt Spanisch vorkommt, der soll sich keine Sorgen machen; mir geht
es genauso, wenn Frau Bezelmann über ihre neuesten Waffensysteme
schwafelt).
Ich überlege kurz, was wirklich dahinter stecken könnte, aber da mir
nix einfällt (Gehirn ist anscheinend immer noch leer), marschiere ich
hinüber ins Rechnerbetreuungsreferat, das um diese Zeit schon völlig
ausgestorben ist.
Die B.f.A.f.H. hat ihr eigenes Büro, was an sich schon ein Skandal ist,
wenn an bedenkt, daß ich mein Büro mit 12 Rechnern und einer
Beamer-Video-Anlage teilen muß. Überall ist schon weihnachtlich
dekoriert: hübsche Schleifchen und Sterne kleben am Display und den
Raid-Arrays - alle natürlich in Militär-Tarnfarben. An der einen
Wand hängen ein paar dekorative Handgranaten unter einem Tannenzweig. In
der Ecke lehnt etwas, was wie ein Sturmgewehr mit einer roten Schleife dran
aussieht.
Die B.f.A.f.H. unterbricht meine verstohlene Inspektion ihres Büros, indem
sie mir brüsk die Crimp-Zange unter die Nase hält. So und so,
erklärt sie. Der Einsatz rutsche nicht richtig in die Plastikummantelung
und dann zerquetsche die Zange beim Crimpen das überstehende
Kabel.
- "Ah, ja",
- sage ich,
- "das kenne ich. Man muß den Einsatz vorher ein paar mal kräftig
durch die Hülse führen, damit sie geschmeidiger
wird."
- Ich nehme einen Steckereinsatz und stoße ihn mehrmals kräftig
durch eine Hülse.
Dann gucke ich die B.f.A.f.H. an und sie guckt mich an, und beide denken wir,
daß wir jetzt wahrscheinlich dasselbe denken, und ich denke noch
zusätzlich, daß die B.f.A.f.H. ein verdammt einladendes Dekollete an
ihrem Bundeswehr-T-Shirt hat.
Die B.f.A.f.H. fährt sich mit der Zunge über die feuchte
Oberlippe.
Danach wird es ziemlich ballistisch ...
Später humpele ich zurück zu meinem Büro, um meine Wunden zu
lecken. Während ich Heftpflaster aufklebe, überlege ich, was das
jetzt wieder für Komplikationen nach sich ziehen
wird.
Im meiner Workstation stöhnt es, weil eine neue Mail in meiner privaten
Mailbox gelandet ist. Sie ist natürlich von ihr. Die B.f.A.f.H. legt mit
knappen Worten dar, daß sie das beigefügte Bild sofort in campus.de
posten wird, wenn ich es wagen würde, irgendjemanden gegenüber auch
nur eine winzigste Andeutung über den heutigen Abend zu
machen.
Ich schaue mir das angehängte JPG an. Die kleine Hexe muß
tatsächlich irgendwo in ihrem waffenverseuchten Büro eine Web-Cam
versteckt haben, die alle paar Minuten ein Bild aufnimmt! Das Bild ist von
erstaunlich guter Qualität und garantiert nicht mehr
jugendfrei!
Nach kurzen Überlegen verschlüssele ich das JPG an einem sicheren
Platz und schreibe zurück an die B.f.A.f.H., daß ich mich sehr
für das Bild bedanke und daß ich es ohne zu Zögern sofort in
campus.de posten würde, wenn sie es wagen würde ... usw.
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