- Ich sitze gemütlich im meinem warmen Büro - drei
Workstations und vier 21-Zoll-Bildschirme, nicht zu vergessen der Beamer
für meine Videoanlage sorgen für behagliche 29 Grad - und
stelle mich auf einen langen, ruhigen Winter an der Uni
ein.
Plötzlich wird ohne Vorwarnung die Türe aufgerissen, und Marianne
stürmt herein. Meine gut eingespielten Reflexe reagieren prompt, und ich
schaffe es, in 1 1/2 Sekunden aus der Hängematte zu springen und
mich hinter dem Terabyteserver in Sicherheit zu bringen. Erst dann bemerke ich,
daß Marianne nicht wie üblich ihren Posaunenkasten dabei hat,
sondern lediglich die heutige Tageszeitung wie eine Streitaxt über dem
Kopf schwenkt.
- "Hast du DAS schon gesehen!"
- ruft sie empört und bohrt ihren linken Zeigefinger mehrfach in die
Zeitung.
Selbst für einen tauben Maulwurf mit Zahnschmerzen ist es offensichtlich,
daß Marianne nicht wegen der falschen Kontaktanzeige hier ist, die ich
letzte Woche unter ihrem Namen in einer einschlägigen S&M-Zine
gepostet habe. Ich tue so, als ob ich hinter dem Server nach einem abgerissenen
Jackenknopf suchen würde, und sage:
- "Worum geht's denn?"
"Hier: Unser verehrter Ministerpräsident will, daß wir ab
nächstem Jahr 42 Stunden die Woche malochen! Das heißt im
Klartext, noch weniger Zeit für die
Doktorarbeit!"
- Zur Antwort setze ich lediglich mein feinstes Grinsen auf; das das die
Mundwinkel bis zu den Ohrläppchen zieht und das mit den acht funkelnden
Goldzähnen; ihr wißt schon, welches.
Marianne, die schon Luft für weitere Schimpftiraden geholt hat, bricht ab
und läuft vor Wut dunkelrot an.
- "Natürlich! DICH juckt das natürlich keinen Deut! Erstens bist du
sowieso selten länger als 15 Stunden am LEERstuhl, und zweitens
promovierst du ja bloß auf den Papier, damit du die ganzen Zuschüsse
für Bücher und Konferenzreisen kassieren
kannst!"
"Tststs! Marianne!"
- sage ich milde tadelnd.
- "Was sind das wieder für schreckliche Unterstellungen? Hier, in
unserem Online-Anwesenheits-Erfassungs-System, kannst du ganz klar sehen,
daß ich im Schnitt sogar 43,7 Stunden in der Woche ...
äh ... arbeite."
"Hah! Und daß du der Einzige bist, der Zugang zu diesen Daten hat, ist ja
wohl auch klar, oder?"
"Aber natürlich",
- sage ich sanft und in meinem speziellen, leicht erstaunten Tonfall, der
Marianne regelmäßig die Wände
hochtreibt,
- "irgendjemand muß sich ja opfern und sich um diese lästigen
Verwaltungsdinge kümmern ..."
- Marianne schnappt empört nach Luft, aber in diesem Moment kommt der
Kollege O. herein. Er hat ebenfalls eine Zeitung unter dem Arm und schaut
so unglücklich drein, wie wenn er gerade erfahren hätte, daß
das Tragen von lilafarbener Unterwäsche ab sofort mit der Todesstrafe
geahndet werde.
- "Was sollen wir bloß machen?"
- jammert er.
- "Wenn das stimmt, was in den Zeitungen steht, dürfen wir nächstes
Jahr keine HiWis mehr für die Betreuung im Mikroprozessor-Praktikum
einstellen. Dabei haben sich dieses Jahr 60% mehr Studenten eingeschrieben als
letztes Jahr ..."
- Frau Bezelmann, die immer dabei sein muß, wenn etwas den Bach
hinunter geht, schiebt sich mit dem Raben Nero auf der Schulter in mein
Büro.
- "Dasss Department hat sssich gerade gemeldet",
- zischt sie genüßlich.
- "Wegen der Haussshaltsssperre issst unsss ab sssofort untersssagt,
Briefmarken zu kaufen. Wir sssollen alle ausssgehende Possst bis zum Januar
zurückstellen!"
- Ich glaube, daß die Kollegen - abgesehen vielleicht von Frau
Bezelmann - reif sind für einen kleinen BMB (Bastard Morale
Boost).
- "Es bleibt uns nur ein logischer Ausweg",
- sage ich energisch.
- "Wir müssen die angekündigten Budget-Verschlankungen
präventiv und leistungsproportional in das operative Geschäft
transformieren!"
- Tiefes Schweigen, während die Kollegen versuchen, dieses
blödsinnige Politgefasel zu dekodieren.
Schließlich sagt der Kollege O.:
- "Äh ... was?"
"Laßt mich nur machen",
- sage ich,
- "ihr könnt euch voll und ganz auf mich
verlassen!"
- Die Kollegen betrachten mich skeptisch.
- "Das letzte Mal, als wir uns auf dich verlassen sollten, bist du mit dem
Rest-Budget vom SCHWAFEL-Projekt nach Hawaii
abgehauen",
- meint Marianne giftig.
- "Das stimmt",
- gebe ich zu,
- "aber dafür hat in der Riesenaufregung danach niemand gemerkt,
daß wir statt den zehn genehmigten, langweiligen Workstations einen
schicken Beamer gekauft hatten!"
"Mit dem DU die ganze Zeit in deinem Büro DVDs
anguckst!"
"Marianne, Marianne",
- sage ich besänftigend.
- "Wie oft muß ich dir noch erklären: der Haustechnik wäre es
sofort aufgefallen, wenn in unserem Hörsaal ein Beamer für
15000 Euro herumstehen würde. Das hätte nur zu unangenehmen
Fragen geführt, glaub' mir ..."
- Marianne zieht knurrend mit den anderen ab, und ich mache mich mit
Feuereifer ans Werk.
Als allererstes schreibe ich ein kleines Filter für unseren Email-Server,
das alle Mails an die Uni-Verwaltung oder an die Bezirksfinanzdirektion
herausfiltert und rigoros auf 90% der Textlänge abschneidet. Danach
hängt mein Filter noch den folgenden Satz an:
- "Im Zuge der von Herrn Ministerpräsident Stoiber angeordneten
Sparmaßnahmen mußte der Text dieser dienstlichen Email auf 90%
reduziert werden, um die Kürzungen des Netzwerk-Budgets von 10% umsetzen
zu können."
- 'Kürzungen umsetzen zu können', das ist auch so eine
Politikerphrase, die man einfach lieben muß! Was soll denn das
heißen: 'umsetzen'? Da sitzt die 10%-Kürzung ganz gemütlich im
Ohrensessel in der Ecke, und ganz plötzlich muß man sie umsetzen!
Wohin denn? Am Ende in den klapprigen Schaukelstuhl? Kein Mensch weiß,
wer als erster auf diesen Schmarrn gekommen ist, aber alle plappern es
nach!
Als nächstes rufe ich bei unserem Bastard Hausmeister from Hell an und
überrede ihn, daß er für alle unsere Hörsäle
Zeitschaltuhren einrichtet, so daß exakt viereinhalb Minuten vor Ende
einer Vorlesungsstunde das Licht ausgeschaltet wird. Der B.H.f.H. ist
begeistert!
Dann gehe ich in den Steuerungs-Computer unserer Tiefgarage und sorge
dafür, daß in Zukunft bereits bei 90%iger Belegung die Zufahrt
gesperrt wird. In unserer ISDN-Telefonanlage füge ich ein Skript ein, das
10% aller Gespräche per Zufallsfunktion trennt und nicht wieder
aufbaut.
Während ich noch völlig vertieft und glücklich C-Skripten
entwerfe, läutet das Telefon.
Ohne auf die Caller-ID zu schauen hebe ich ab:
- "Hallo?"
"Hallo! Ah, gut daß ich Sie erreiche ...",
- zwitschert es fröhlich im Hörer.
Es ist die Sekretärin des Direktors. Sie hat es sich zur
scheußlichen Angewohnheit gemacht, bei mir anzurufen, wenn sie
Rechnerprobleme hat, anstatt wie alle anderen die Microsoft-Hotline zu
belagern.
- "Mein Drucker funktioniert plötzlich nicht mehr und ich
müßte doch GANZ dringend dieses PDF für den Herrn DIREKTOR
ausdrucken und ..."
"Tut mir sehr leid",
- sage ich bedauernd,
- "aber Sie rufen ausgerechnet in den 10% meiner Arbeitszeit an, die den
neuesten Kürzungen zum Opfer gefallen sind. Kann Ihnen da leider nicht
weiterhelfen."
- Schweigen in der Leitung. Fast kann ich hören, wie nacheinander drei
Co-Prozessoren im Gehirn zugeschaltet werden.
- "Aber ...",
- versucht sie es zunächst mit Logik,
- "die Kürzungen betreffen doch nicht Ihre ARBEITSSZEIT! Im Gegenteil
sollen wir doch sogar mehr arbeiten ..."
- Ich gebe unumwunden zu, daß das richtig
sei.
- "Ja, aber dann gibt es doch keinen Grund zu sagen, daß ich gerade in
den 10% Ihrer gekürzten Arbeitszeit anrufe!"
- MATHEMATICAL-ECOLOGICAL BULLSHIT MODE ON
- "Ich sage ja auch nicht, daß meine Arbeitszeit gekürzt
wurde",
- sage ich fröhlich.
- "Passen Sie auf: Unser Budget wird um 10% pauschal gekürzt, nicht
wahr? Deshalb kann ich statt 20 HiWis von jetzt an nur noch 18 einstellen.
Folglich muß ich die Arbeit von 2 HiWis mit erledigen. Ein
durchschnittlicher HiWi leistet Null Komma Null Sieben Fünf mal soviel wie
ich selber. Das muß stimmen, weil es so toll wissenschaftlich klingt und
bis auf die dritte Stelle hinter dem Komma angegeben werden kann. Die zwei
fehlenden HiWis muß ich folglich mit 15% meiner Arbeitskraft ersetzen.
Berücksichtigt man, daß wir alle in Zukunft sowieso 5% länger
arbeiten müssen, verbleibt ein Rest von 10% meiner Arbeitszeit, die jetzt
nicht mehr zur Verfügung stehen."
- Erste Grundregel im Umgang mit der Verwaltung: Man muß diese Leute
mit ihren eigenen Waffen schlagen. Wenn sie dir mit Logik kommen, schlage mit
dreifacher Logik zurück!
Das Direktorat scheint meine Argumentationskette geschluckt zu haben. Jetzt
wollen sie wissen, WANN ich denn immer diese 10% erledigen müsse, damit
sie es in Zukunft dann gar nicht mehr bei mir
probieren.
- "Ah, tut mir leid, aber das weiß ich selber
nicht!"
- sage ich fröhlich.
- "Wieso?!"
"Weil ich noch nicht herausgefunden habe, wann denn die beiden HiWis, die ich
eingestellt hätte, wäre das Budget nicht gekürzt worden, ihre
Arbeit erledigt hätten. Das kommt so ganz unerwartet, wissen Sie. Gerade
dachte ich noch an was ganz anderes, dann klingelt das Telefon, und
plötzlich fällt mir ein, daß ich noch den Kühlschrank
putzen muß, weil ja die beiden HiWis nicht da
sind ..."
"Aber ..."
"Dummerweise kann ich die beiden Schlawiner ja auch nicht fragen, wann sie
normalerweise den Kühlschrank putzen, weil sie ja leider gar nicht
eingestellt wurden. Sie sehen, das Ganze ist ganz außerordentlich
kompliziert. Das Beste wird sein, Sie rufen überhaupt nicht mehr bei mir
an ..."
- Man kann über unsere Verwaltung sagen, was man will, aber kaum
daß man mit dem Eifelturm winkt, kapieren sie schon woher der Wind weht:
Als Antwort bekomme ich nur noch ein hartes Klicken.
Befriedigt gehe ich hinüber in den Hörsaal D16, wo die Studenten der
Vorlesung 'Einführung in die Mikroprozessor-Technologie' auf den
Kollegen O. warten. Als ich nach vorne zur Tafel gehe, wird es schlagartig
mucksmäuschen still. Daran kann ich erkennen, daß es sich
durchgehend um höhere Semester handeln muß, die mich in der einen
oder anderen Form schon mal kennen gelernt haben; vermutlich als letztes bei
der Einschreibung zum Mikroprozessor-Praktikum. Ein frecher Studentenvertreter
hat angeblich mal in einer Studentenvollversammlung bemerkt, die Einschreibung
für dieses Praktikum sei Dank meinerseits eine der schwierigsten
Studienleistungen an unserer Universität. Ich erläutere der
lauschenden Studentenschaft in dürren Worten die Situation und
erkläre, daß leider jeder Zehnte von ihnen am Praktikum im
nächsten Semester nicht teilnehmen könne.
- "In wenigen Minuten wird Ihr Dozent erscheinen und die Sitzreihen
abzählen. Die Studenten, die dann auf den jeweils zehnten Plätzen
sitzen, müssen sich im übernächsten Semester erneut anmelden.
Ich bitte Sie also jetzt, ruhig und gesittet Platz zu nehmen, damit wir die
Auszählung zügig durchführen
können!"
- Alle Studenten springen wie ein Mann von ihren Sitzen auf, als ob sie
plötzlich eine mutierte Tarantel unter ihrem Tisch entdeckt hätten,
und ein ohrenbetäubender, vielstimmiger Tumult bricht
aus.
Am Ausgang treffe ich den Kollegen O., der gerade ahnungslos in seine
Vorlesung gehen will.
- "Um Gottes Willen, Leisch! Was ist denn bloß
los?!"
- brüllt er geschockt über das Getöse.
Ich schreie in sein Ohr, daß ein paar Witzbolde fünf mutierte
Nuklear-Taranteln aus der zoologischen Sammlung geklaut und im Hörsaal
ausgesetzt hätten.
- "Wahrscheinlich sind auch schon welche gebissen worden und flippen jetzt
aus!"
- schreie ich.
- "Am besten alarmierst du gleich die Hausmeister! Die sollen einen
Feuerwehrschlauch mitbringen! Kaltes Wasser bei fünf atü wirkt sicher
beruhigend!"
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