- Mißmutig blättere ich im neuen 'Hacker's Havoc'. Auf jeder
dritten Seite sind großflächige Werbeanzeigen für coole
DVD-Jukeboxen, riesige LCD-Displays und die neueste Ripper- und Cracker-Software
abgebildet. Und was hat der B.A.f.H.?
Eine läppische 24" Röhre, die mein halbes Zimmer beansprucht,
nebst uraltem VCR und DVD-ROM. Das ist eines wahren Bastards einfach nicht mehr
angemessen!
Ich gucke wieder in mein 'Hacker's Havoc'; hier: ein 36"-LCD-Schirm als
Sonderangebot für nur 3900 Mäuse. Praktisch geschenkt! Der Haken
ist nur, daß auf allen unseren Projektkonten nur noch sogenannte
'sachgebundene Gelder' geparkt sind. Das bedeutet, daß das Geld nur
für den dafür vorgesehenen Zweck ausgegeben werden darf (hat man so
einen Blödsinn schon gehört!), und noch schlimmer, daß ich jede
Anschaffung durch den Direktor genehmigen lassen muß!
Kurz entschlossen greife ich zum Telefonhörer und lasse mich von Frau
Bezelmann mit dem Direktor verbinden (bei allen Telefongesprächen, bei
denen man Geld herausschlagen möchte, darf man nicht selber anrufen,
sondern muß sich verbinden lassen; das ist ein ganz wichtiger Tipp,
Leute!).
Der Direktor ist ausnahmsweise zu sprechen, und wie immer klingt er so, als ob
ein Rudel ausgehungerter Tundrawölfe hinter ihm her sei (ich habe keine
Ahnung, was ein 'Tundrawolf' ist, aber es klingt
gut!).
- "Ich habe eigentlich gar keine Zeit",
- schnauft er atemlos,
- "um drei Uhr ist die nächste Haushaltsausschußsitzung. Worum geht
es?"
- So und so, erkläre ich dem Direktor. Wir bräuchten im
SCHWAFEL-Projekt dringend noch einen extra großen Bildschirm, einen
LCD-Schirm, um genau zu sein, um ... äh ... um bei den
Experimenten einer ganzen Gruppe von Versuchspersonen gleichzeitig die ...
äh ... konjugiert-komplexe Feedback-Parameterschleife in Echtzeit
anzeigen zu können.
- "Aber Sie haben doch erst vor 19 Monaten einen 24-Zoll-Schirm
gekauft",
- sagt der Direktor mißtrauisch. Ein Gedächtnis wie ein Elefant;
schrecklich, der Mann!
- Ich fasele etwas von nachlassender Tiefenschärfe bei konventionellen
Röhrendisplays und ge-cachten Farbtabellen, aber der Direktor war
irgendwann selber mal Ingenieur und läßt sich nicht so leicht
bullshitten.
- "Na, na, na! Ich habe hier doch auch einen konventionellen Schirm. Der ist
schon 3 Jahre alt und immer noch einwandfrei. Nein, nein, nein,
nein ... da nehmen Sie mal ruhig Ihren 24-Zöller. Außerdem sehe
ich, daß in Ihrem Projektplan so ein Schirm gar nicht vorgesehen ist, und
dann haben wir am Ende in den anderen Kategorien nicht mehr genug Geld. Also,
wie gesagt, ich muß jetzt weg. Habe die Ehre!"
- Zack! Aufgelegt.
Ich sitze da, den tutenden Hörer noch in der Hand, und denke scharf nach.
Könnte ja sein, daß der Direktor demnächst einen kleinen Unfall
hat? Aber dann dauert es ewig, bis ein Neuer installiert wird (ein neuer
Direktor), und bis dahin gibt es am Ende noch eine Mittelsperre. Nein, ich will
den 36"-Schirm JETZT!
Ich öffne meinen Mu-Metall-gefütterten Safe und hole meinen
'Seltene-Erden-Magneten' heraus. Zum Glück habe ich keinen
Herzschrittmacher, sonst wäre schon allein das Anfassen gefährlich, so
stark ist das Magnetfeld dieser schnuckligen, handlichen Dinger
(www.dansdata.com/magnets.htm; das war schon wieder ein kostenloser Tipp,
Leute!).
Ich begebe mich ins Damenklo unter dem Büro des
Direktors.
- "Sanitärkontrolle!"
- brülle ich und scheuche die ganzen Verwaltungsmiezen hinaus, die sich
dort zu ihrem Vormittagsplausch versammelt haben.
Dann befestige ich den Super-Magneten an der Oberkante einer Klotüre, so
daß bei jedem Öffnen und Schließen der Türe das Magnetfeld
ungefähr über den Bereich des Schreibtischs des Direktors streicht.
Ich brauche euch nicht zu erklären, was dann mit dem Bild auf dem Display
passiert ...
Zurück in meinem Allerheiligsten leite ich meinen Telefonanschluß an
die Hotline des Maggi-Küchenstudios weiter. Am zugänglichsten sind
hartgesottene Verwaltungsbeamte, wenn man sie erstmal ein paar Tage im eigenen
Saft schmoren läßt.
Als nach vier Tagen immer noch kein verzweifelter Hilferuf bei Frau Bezelmann
eingegangen ist, werde ich langsam unruhig. Kann es sein, daß der Direktor
Lunte gerochen, vielleicht sogar in eigener Initiative sein Display aus dem
Bereich des Supermagneten gerückt hat? Kann eigentlich nicht sein! Es
wäre der erste Entscheidungsträger, den ich kennen lerne, der
Entscheidungen bezüglich seines Rechners selber
fällt.
Am fünften Tag komme ich wie üblich um elf Uhr in den LEERstuhl und
denke im ersten Moment, ich bin auf einer Cocktail-Party: Auf den Gängen
lungern die Mitarbeiter herum, trinken Kaffee und tratschen, überall wuseln
HiWis ziellos durch die Gänge, kein Mensch arbeitet, niemand sitzt
ordentlich an seinem Arbeitsplatz und lädt die neuesten Pornos aus dem
Internet. Auf Anfrage erfahre ich von einer Gruppe schadenfroher Diplomanden,
daß der Hauptserver des LEERstuhls mit allen Homes ge-crasht sei, und
daß der Kollege O. ihn nicht mehr hoch bekomme (den SERVER; nicht,
was ihr schon wieder denkt!). Ich merke mir die Namen der am meisten feixenden
Studenten für später und begebe mich in den Rechnerraum. Der
Kollege O. sitzt an der Konsole, und Marianne äugt ihm kritisch
über die Schulter. Frau Bezelmann, die immer dabei ist, wenn eine
Katastrophe passiert oder im Anzug ist, steht mit verschränkten Armen im
Hintergrund und läßt ständig sarkastische Kommentare von Stapel,
die den Kollegen O. auf die Palme bringen.
- "Ich sags jetzt zum letzten Mal",
- sagt der Kollege O. mit gereizter Stimme, gerade als ich
hereinkomme,
- "die Platten im Raid sind NICHT kaputt. Der Server meldet zwar
plötzlich, daß acht Platten auf einmal ausgefallen sind - acht
auf einmal! -, aber wenn ich dann die Platten hardware-mäßig
teste, sind sie völlig in Ordnung ... Ich verstehe das
nicht!"
- Marianne berichtet mir genervt, daß sie jetzt schon dreimal das
Raid-Array neu initialisiert hätten, aber es laufe immer nur ein paar
Minuten einwandfrei - und dann fallen plötzlich ohne Anlaß
mehrere Platten aus und der Server schmeißt natürlich den
Löffel.
- "Vermutlich hat Herr Leisch uns wieder einen hübschen kleinen Virus
eingeschleppt!"
- zischt Frau Bezelmann mit unterkühlter Begeisterung in der Stimme. Ich
werfe ihr nur einen verächtlichen Blick zu und enthalte mich jeden
Kommentars. Marianne erklärt Frau Bezelmann geduldig, daß auf diesen
Server unter anderem auch meine Collection gerippter DVDs gespeichert sei
(1,8 TeraByte), und es daher ziemlich unwahrscheinlich sei, daß ich
meine eigenen Daten sabotieren würde. Frau Bezelmann schnauft nur
verächtlich.
Inzwischen hat der Kollege O. wieder das Array initialisiert und den Server
gestartet. Wir beobachten, wie sich die Platten einordnen und das Backup
automatisch losläuft.
Keine drei Minuten später stürzt der Server wieder ab. Panik-Meldungen
huschen über die Konsole.
- "Was war das eben?"
- frage ich plötzlich.
- "Schscht! Still!"
- Alle Anwesenden erstarren zu Salzsäulen. Ganz schwach ist ein Rauschen
zu hören, das rasch abebbt.
- "Ähm ... Ich glaube, das ist nur die Klospülung im Herrenklo
unten bei den Theologen ..."
- sagt Marianne zögernd und guckt mich verwundert an. Ein
fürchterlicher Verdacht steigt in mir auf und ich verlasse ohne ein
weiteres Wort den Rechnerraum. Unten im Theologenklo (es hängt
tatsächlich ein schlichtes Holzkreuz über den Pissoirs) brauche ich
nicht lange zu suchen: In einem der Abteile liegt ein älterer,
ohnmächtiger Fundamental-Theologe (später im Krankenhaus stellt sich
heraus, daß er einen Herzschrittmacher trägt). Auf der Innenseite der
Klotüre, genau unter unserem Rechnerraum, finde ich eine ganze Batterie von
20 Supermagneten befestigt. Auf dem Bündel klebt ein ordinärer
gelber Notizzettel:
- "With the best compliments, Bastard female Assistent from Heck"
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