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02.07.2003 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Das Klingeln des Telefons reißt mich aus sanftem Schlummer. 
Anstatt die Hängematte zu nehmen, habe ich dummerweise einfach den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt, und jetzt kann ich infolge versteifter Nackenmuskulatur den Kopf nicht nach links drehen, wo das Telefon steht. Ich lasse den Kopf erstmal liegen und überlege eine Weile, ob das ein gute Ausrede ist, nicht ans Telefon zu gehen. 
Das Telefon klingelt. 
Andererseits könnte ich ja auch ganz einfach den Stuhl drehen. Hmm ... Vielleicht ist es ja auch zu heiß zum Telefonieren; seit einer Woche ist das Thermometer in meinem Büro nicht unter 27 Grad gefallen. Und so ein Telefonhörer wiegt mindestens ... wie viel? 150 Gramm? Schließlich ist der bayerische Landesbeamte laut Dienstverordnung angehalten, ich zitiere: '... seine Gesundheit zu erhalten, um unnötigen Dienstausfall infolge von Krankheit zu vermeiden ...' Wenn ich mir jetzt an dem Telefonhörer einen Bruch hebe und dann auf eine 8-wöchige Kur muß? Ich könnte sogar einen Hitzekollaps bekommen ... 
Das Telefon klingelt beharrlich. 
Ozonkonzentration! Das ist es! Was haben sie heute morgen im Radio gesagt? '... sollten anfällige Personen unnötige körperliche Anstrengung (im Freien) vermeiden ...' 
Ganz klar: das Anheben des Telefonhörers wäre so eine unnötige körperliche Anstrengung, die eventuell zu vermeiden ist. 
Das Telefon klingelt stoisch weiter. 
Andererseits gibt es ja so etwas wie Freisprechen. Dazu müßte ich zwar nicht den Hörer heben, aber den Arm, um auf den Knopf zu drücken. Hmm. Könnte sein, daß das nicht mehr unter unnötige körperliche Anstrengung fällt. Mist! 
Das Telefon klingelt immer noch! 
Wenn man bedenkt, daß ich die ISDN-Anlage so modifiziert habe, daß die ersten 10 Klingeltöne sowieso nicht bis zu meinem Anschluß durchdringen, muß es sich wahrlich um einen hartnäckigen Anrufer handeln. Am Ende irgendein DAU, der die 'Any'-Taste auf seinem Keyboard nicht finden kann! Großer Core-Dump! 
Das Telefon klingelt. 
Na, schön. Wenn es schon sein muß, dann sollte ich mich wenigstens vorher in die richtige Stimmung bringen. 
Hrrrm ... hrrrm ... so eine Sch ...! Das ist jetzt schon der fünfte Anruf in diesem Monat!! Kann man in diesem Hause keine Minute mehr in Ruhe arbeiten!!! Wo bleibt das die Qualität unserer beamtlich-wissenschaftlich-erzieherischen Tätigkeit, wenn man dauernd gestört wird!!!! Dem werd' ich helfen!!!!! 
Gerade als das Telefon zum 36sten Mal klingen will, drücke ich auf die Freisprechtaste. 
"Hmömmöm?!" 
"Wie bitte? Hallo? Hallo?" 
quäkt eine aufgeregte Stimme, die mir bekannt vorkommt. 
"Ich sagte 'hallo'!" 
sage ich lauter. 
"Wer ...? Spricht dort Herr Leisch? Hier ist Schmidt, Bundesfinanzministerium ... äh ... persönlicher Referent von Herrn Eichel. Ist dort Herr Leisch?" 
Ich seufze. Jetzt weiß ich, woher ich die Stimme kenne. Das war der schreckliche Anruf letzte Woche, der mindestens zehn Minuten gedauert hat. Komisch, daß solche Leute immer 'Schmidt' heißen; in Amerika heißen sie 'Smith'. 
Ich bestätige, daß ich es bin, und frage ungnädig, was er denn schon wieder von mir wolle. 
Der persönliche Referent druckst nervös etwas herum, bevor er mit seinem wahren Anliegen herausrückt. 
"... äh ... die Sache ist die ... wir müßten ... wir bräuchten ... also, um es ganz klar zu sagen ... hmm ... der Minister, Herr Eichel, läßt fragen, ob Sie uns nicht vielleicht noch einmal aushelfen ... ähm ... Assistenz leisten könnten ..." 
Ich gebe einen unbestimmten Laut von mir, der alles heißen könnte. Schmidt nimmt dies zum Zeichen, daß ich nicht gänzlich abgeneigt sei, und fährt hastig fort: 
"... die Sache ist die, daß ... nun ja ... die finanzielle Situation wird immer schlimmer und Herr Eichel dachte, daß Sie vielleicht noch einmal in Ihrem Buch nachschauen könnten ... so wie letzte Woche ...?" 
Ich schweige abwartend. 
"... und wie die Woche davor ... und wie ... wie im April und so ... es wäre uns wirklich ein großes Anliegen, weil ... weil ... und jetzt mit der vorgezogenen Steuerreform, Sie verstehen, ..." 
Ich seufze. 
"Also schön", 
sage ich, 
"haben Sie noch meine Kontoverbindung auf den Caymans?" 
Herr Schmidt beeilt sich zu versichern, daß ich in dieser Hinsicht ganz beruhigt sein könne. 
"Gut", 
sage ich und greife nach dem zerfledderten 'Leitfaden für den praktischen Einsatz als Bastard X from Hell', der immer griffbereit unter meinem Ausredenkalender liegt. 
"Dann schauen wir mal. Hm. Hatten wir schon die Kürzung der Eigenheimzulage?" 
"Ja, das war schon Anfang des Jahres ..." 
"Ok, 'Urlaubsgeld von Beamten' hatten wir auch schon, 'Kürzung der Beihilfe', das war schon letztes Jahr, nicht? Hmm, 'Einfrieren der Renten' hatten wir letzte Woche, 'Selbstbeteiligung am Krankengeld' war auch schon ..." 
Ich blättere weiter in meinem Kompendium. 
"... äh ... Herr Eichel dachte an so etwas wie die Tabaksteuer, die Sie uns letztes Jahr empfohlen haben ..." 
"Wenn Herr Eichel auf meinen Rat Wert legt, dann soll er das bitte auch mir überlassen!" 
sage ich streng. 
"Natürlich, selbstverständlich ...", 
beeilt sich Schmidt zu versichern. 
"Also, wenn ich das so überblicke, bleiben eigentlich nur noch die Quellensteuer und die Mehrwertsteuer ..." 
"Ausgeschlossen. Das wurde schon zu oft zerredet!" 
"... allgemeine Autobahngebühren für alle ..." 
"Auf keinen Fall! Herr Eichel will keinen Ärger mit dem ADAC. Schließlich ist er Ehrenmitglied!" 
"... und das war's", 
sage ich bedauernd, 
"mehr steht hier nicht. Warum holen Sie sich Ihre Anregungen nicht bei der FDP; die haben immer die unmöglichsten Ideen ..." 
Der persönliche Referent ist entsetzt. 
"Das ... das darf doch nicht wahr sein ... fällt Ihnen nicht vielleicht noch etwas ein. So eine ganz klitzekleine Abgabe, mit der wir ein paar Dutzend Milliarden 'reinbekommen könnten? Da MUSS es doch noch was geben ..." 
Der Herr Schmidt weint fast. 
"Wir bereiten doch eine Marsmission vor, oder?" 
frage ich. 
"Herr Eichel soll ganz einfach eine Marsabgabe erheben. Zur Entwicklung der neuen deutschen Marskolonien ..." 
"Aber die Marsmission ist doch erst für 2024 geplant ..." 
"Na, und? Die Solidaritätsabgabe, die wir jetzt haben wird ja auch nicht für die neuen Bundesländer verwendet, oder?" 
Aber Herr Schmidt meint, daß sich eine Marsabgabe 'zur Zeit dem Bürger nicht vermitteln ließe'. 
"Also gut ... wie wäre es mit einer Handy-Einschalt-Steuer? Für jede Minute, die das Handy beim Netzprovider eingeloggt ist, ziehen wir einen Cent ab. Bei 80 Mio Bundesbürgern, die praktisch alle ihr Handy mindestens 12 Stunden am Tag anhaben, wären das ... Moment ... rund 210 Milliarden Euro im Jahr." 
Herr Schmidt schweigt zweifelnd. 
"Aber die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes?" 
wendet er ein. 
"Sie üben ja damit kein Monopol aus; es trifft ja alle gleichermaßen", 
sage ich. 
"Und die Abrechnung wäre total simpel. Dazu braucht man eigentlich nur ein paar zusätzliche Zeilen Code in den Vermittlungsprogrammen." 
"Also gut", 
meint der persönliche Referent zögernd, 
"ich kann das ja mal weitergeben ..." 
"Tun Sie das!" 
sage ich aufmunternd. 
"Und ... Herr Schmidt?" 
"Ja?" 
"Sie denken dann auch an meine üblichen 0,001%, wenn es klappen sollte ..."
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