26.01.2002 | BASTARD MAILING LIST | © Florian Schiel |
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Wir leben in einer Welt voller Fragen! Ich, zum Beispiel, frage mich jeden
Morgen, ob es sich überhaupt noch lohnt aufzustehen. Herr Schily muß
sich mit der V-Mann-Frage herumschlagen. Die K-Frage wurde ja jetzt endlich zur
Zufriedenheit aller patriarchalischen CDU/CSU-Anhänger geklärt, aber
nun steht die N-Frage drohend im Alpenvorland. Und eine gewisse Partei
grüner Grundfärbung muß sich, seitdem sie unerwarteterweise zu
Amt und Würden gelangt ist, pausenlos die G-Frage (Gretchen-Frage) stellen
lassen. Ein Kommentator hat kürzlich das erste Mal die RR-Frage
aufgebracht ('Renten-Reform') und deren Beantwortung wortreich eingefordert,
während die Gewerkschaftsbosse die angehende TF-Frage diskutieren
('Tarif-Forderung'). Alle Mädchen im heiratsfähigen Alter -
naja, fast alle; Marianne gehört jedenfalls nicht dazu - denken
ständig an DIE FRAGE überhaupt und wann er sie endlich stellen wird.
Aber alle Welt - das heißt ganz besonders die StudentInnen (da war's
wieder!) - jammern über die SMS-Frage, und zwar speziell die
angekündigte Anhebung der SMS-Gebühren. Geradezu Lachhaft! Was erwarten sich die Leute denn schon anderes von einer Sache die 'Sado-Maso-System' heißt? 'Sado' deshalb, weil nur ein ausgemacht sadistisch veranlagter Ingenieur auf die Idee kommen konnte, mit nur 10 Tasten Klartext schreiben zu lassen, und 'Maso', weil es unbegrenzt viele Idioten gibt, die das auch noch freiwillig und gegen Gebühr machen! Anstatt den Sadisten-Ingenieur zu lynchen! Muß ein echter Bastard Ing. from Hell (B.I.f.H.) gewesen sein. Vermutlich aus der gleichen Gruppe, die auch Windoofs verbrochen haben ... Andererseits muß ich zugeben, daß SMS auch seine guten Seiten hat. Wenn man es richtig einzusetzen weiß ... Zum Beispiel heute Mittag: Kurz nach meiner Ankunft am LEERstuhl fühle ich mich schon wieder eleven-clockish; vermutlich weil mich das Aufstehen, Duschen, Frühstücken und dann die ganzen Fragen in der Zeitung so angestrengt haben. Ich kontrolliere also meine WebCam in der Cafeteria, die beim letzten DFG-Projekt so nebenbei abgefallen ist (kein 25 Euro-Schund von Conrad, sondern eine hochempfindliche Meßkamera mit drei Freiheitsgraden und voll digital zu steuern!) und sehe mit Mißfallen, daß mindestens 200 Studenten in der Schlange stehen. Ein hochbezahlter Wissenschaftler meines Formats kann es sich schon aus rein volkswirtschaftlichen Gründen nicht leisten, während seiner kostbaren Arbeitszeit einfach nur unkreativ in einer Warteschlange herumzustehen! Ich hacke mich also in die lokale GSM-Zelle von D2 und E-Plus ein und schicke an alle aktiven Handys eine SMS des Inhalts, daß Vodafon, um die feindliche Übernahme von Mannesmann D2 (und die Übernahme von 2 Mio gut zahlender Idioten) zu feiern, am Odeonsplatz Telefonkarten im Wert von 100 Euro verteile. "Nur solange Vorrat reicht!" In der Cafete bricht ein akustisches Inferno gräßlicher Piepstöne aus, und eine der griechischen Essensausgabe-Walküren läßt sogar vor Schreck 10 Liter Knoblauchsauce auf den Boden schwappen. Bis ich gemächlich hinunter in die Cafete komme, hat sich die Schlange bis auf ein paar hartgesottene Handy-Gegener verdünnisiert und ich kann in aller Ruhe (mit zugehaltener Nase wegen der Knoblauchsauce) mein zweites Frühstück (oder Pre-Lunch, wie man will) zusammenstellen. Oder meine neueste Erfindung: Der HäSi ('Händy-Simulator'). Ein handlicher kleiner Chip, der auf Knopfdruck die typischen gräßlichen Piezo-Melodien von sich gibt, mit denen die sadistischen B.I.f.H.s ihre Mitmenschen quälen. Der HäSi bietet erstaunlich viele Einsatzmöglichkeiten. Wenn man zum Beispiel in einem 'Never-Ending-Meeting-from-Hell' feststeckt, läßt man unauffällig den HäSi jodeln und eilt dann mit einem verlegenen "Bin gleich wieder da!" auf den Flur. Es versteht sich von selbst, daß man dann nie wieder auftaucht. Nach fünf, sechs solchen 'Vorkommnissen' kann es sogar sein, daß der genervte Meeting-Leiter einen gar nicht mehr zum Meeting beordert! Oder ich lasse das Ding programmiert auf Mariannes Handy-Sound im Hauptseminar des Chefs loskreischen. Der Chef kann alles vertragen, aber nicht wenn ihn ein Handy in seinem geheiligten Gedanken-/Redefluß unterbricht. Er verhaspelt sich in der siebten Häsitations-/Nebensatzebene, verliert den Faden (oder besser das Fadengewirr; beim Chef weiß man nie so genau) und guckt sich mißbilligend nach der Ursache der Störung um. Marianne fällt immer wieder darauf rein: Sie zuckt hoch, bekommt in Null-Komma-Nix einen Kopf wie eine überreife Tomate und stürzt mit ihrer Handtasche auf den Gang hinaus. (Nach dem Hauptseminar lauert sie mir dann allerdings im Gang mit ihrem Posaunenkasten auf. Aber bei jedem gelungenen Spaß muß man ein kalkulierbares Risiko in Kauf nehmen!) Auch für mich, den B.A.f.H. ergeben sich ganz neue ungeahnte Betätigungsfelder: Wie quält man am einfachsten einen Studenten? Indem man die Codierung in seinem Handy so verändert, daß anstatt normaler Buchstaben koreanische Bilderschrift erscheint. Was macht der B.A.f.H. mit einem Studenten, dessen Handy in seiner Vorlesung losdudelt? Er zwingt ihn vor versammelter Zuhörerschaft, das Gespräch entgegenzunehmen und schaltet den Ton auf die Saallautsprecher (angeblich hat eine Studentin nach dieser beschämenden Prozedur ihr Studium sofort abgebrochen und arbeitet jetzt als Handy-Model bei E-Plus; aber das ist bestimmt wieder nur eines der bösartigen Gerüchte, die über mich verbreitet werden!). Der Kollege O. hat den Rechner in seiner Bibliothek so programmiert, daß automatisch eine SMS an sein Handy geschickt wird, wenn jemand 'weggesperrte' Bücher einsehen will. In letzter Zeit sieht man den Kollege O. allerdings immer häufiger durch die Gänge hetzen, obwohl kein Mensch in der Bibliothek ist. Könnte irgendwie damit zusammenhängen, daß ich seine Handy-Nummer auf einer einschlägigen Web-Page (Bastard Azubis from Hell) ge-postet hatte. Leider wird er die Sache wohl bald wieder aufgeben ... Die einzige am LEERstuhl, die nicht dem Handy-Wahn verfallen ist, Frau Bezelmann natürlich, hat für das ganze Handy-Treiben nur zwei verächtlich nach unten gezogene Mundwinkel übrig. Wenn jemand sie beim Kaffeetrinken fragt, wieso sie eigentlich kein Handy habe, erklärt Frau Bezelmann mit eisiger, vor Verachtung triefender Stimme, daß sie für die mobile Kommunikation das NATO-Handsprechgerät HaFuGe 1760 bevorzuge - und das bereits seit 25 Jahren. Wenn dann der ahnungslose Frager sie darauf hinweist, daß man damit ja wohl kaum über das Telefonnetz erreichbar sein, schaut Frau Bezelmann ihn nur fünf Sekunden lang vernichtend an und zischt dann: "Eben!" |
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