WARNUNG
Die folgende Geschichte hat ausnahmsweise einen tatsächlich brauchbaren
pädagogischen Lerninhalt. Wer mit sowas nicht zurechtkommt, sollte JETZT
mit dem Lesen aufhören!
Die Suizid-Rate an unserem LEERstuhl ist im letzten Jahr dramatisch
zurückgegangen. Damit ich nicht wieder einen Anschiß von unten
bekomme, steige ich mit einem Schallpegelmesser in den Klimaschacht über
den Rechnerknoten C und prüfe, ob der Helmholtz-Resonator, den ich dort
vor Jahren mit Hilfe eines alten Ventilators installiert hatte, noch
funktioniert. Jeder Organist und Pfarrer kennt die Wirkung der sog.
'Demutspfeife', die einen so tiefen Ton abstrahlt, daß man ihn zwar nicht
hören kann, der aber bei der 'Zufühlerschaft' prompte Depressionen
auslöst.
Wie ich's mir dachte, ist der Ventilator total verdreckt und läuft nicht
mehr rund. Mit Frau Bezelmanns Geschirrhandtuch hole ich den gröbsten
Tschernobyl-Dreck heraus und messe kurz darauf wieder in allen Laboren den
gewünschten 18-Hz-Dauerton. Das Geschirrhandtuch entsorge ich in Mariannes
Manteltasche, damit Frau Bezelmann später ein Opfer hat, wenn sie nach
ihrem Handtuch fahndet.
- Auf dem Rückweg zu meinem Büro läuft mir der Chef über
den Weg:
- "Ah ... äh ... Leisch ... gut, daß ich ...
äh ... daß ich Sie ... hmm ... treffe ...
äh ..."
- Der Chef hält den Kopf schief und schaut konzentriert zur Decke
hinauf, und einen kurzen Augenblick lang glaube ich schon, daß er durch
irgendein geriatrisches Wunder den 18-Hz-Ton hören kann. Aber dann geht's
weiter wie gewohnt:
- "... ja ... hmm ... haben wir uns eigentlich ...
äh ... eigentlich schon mal mit dem ... ähm ... mit
dem ... äh ... Dings ... dem Jahr-2000-Problem ...
hmm ... beschäftigt?"
- (Der Chef sagt immer 'wir' und 'uns', wenn er eigentlich 'Sie' und 'sich'
meint. Wahrscheinlich denkt er, daß es angemessener klingt. So
ähnlich wie Al Capone seinerzeit einem seiner 'Stammkunden' gut zugeredet
haben mag:
- Stammkunde: "... Nnnnnnggggh ..."
Al Capone: "Aber mein lieber Giovanni! WIR wollen UNS doch keine
Unannehmlichkeiten machen, nicht wahr? Nun erzählen WIR mal ganz brav dem
lieben Onkel Al, wie die Schweizer Kontonummer
lautet ..."
Stammkunde: "... HrrrchUuuuurgh ..."
Al Capone: "... sonst kann es sein, daß die Schlinge um UNSER liebes
Hälschen noch ein klein wenig enger gezogen
wird ..."
Stammkunde: "... WuoooorghRöchel ..."
Al Capone: "... und das wollen WIR doch bestimmt vermeiden, nicht
wahr?"
Stammkunde:
"... Arrrröööhööh ...")
"Sicher", antworte ich ernsthaft. "Ich habe mir ausgerechnet, daß ich
dann exakt 30 Jahre alt sein werde und immer noch nicht
promoviert ..."
"Ah ... hrrrm ... nein ...", sagt der Chef irritiert,
"... das ... das meinte ich ... äh ... eigentlich
nicht ..."
"Nicht? Ach so, Sie meinen sicher das Problem mit Frau Bezelmanns
Rabenfutter ..."
"Äh ... Rabenfutter ...?"
"Ich kann wirklich nichts dafür, daß sie gleich 4000 Dosen
gekauft hat, bloß weil es ein Sonderangebot bei Aldi gab. Sie hätte
ja nur mal kurz nachzurechnen brauchen, daß der Rabe es bis zum
Verfallsdatum im Jahr 2000 niemals schaffen wird, auch nur die Hälfte
aufzufressen ..."
"Äh ... Tatsächlich?" Der Chef schüttelt den Kopf. "Aber
Rabenfutter ist doch ... äh ... hrrrm ... nein, ich meinte
eigentlich ... äh ... das Problem mit den ...
äh ... Computern ... ähm ... Sie wissen
schon ..."
Ich nicke düster: "Ja, klar. Das schieben wir wohl alle ein wenig vor uns
her, nicht? Das größte Problem wird wohl der negative
Befehlsfluß werden ..."
"... ?"
"Ja, wenn Silvester '99 alle Systemuhren von 99 auf 00 zurückspringen,
denkt das Betriebssystem natürlich ganz folgerichtig, daß es sich um
einem negativen Zeitsprung infolge eines zu hohen Gravitationsgradienten im
Rechnergehäuse handelt, und kehrt sicherheitshalber die
Ausführungsrichtung der Microbefehle im RISC-Prozessor einfach
um ..."
"... ??"
"Faktisch bedeutet das, daß alle Programme plötzlich
rückwärts ausgeführt werden ..."
"... ???"
"... die Graphikausgabe steht plötzlich auf dem Kopf, Texte werden
rückwärts ausgedruckt, und natürlich berechnen sich alle
positiven Werte plötzlich negativ ..."
"... ????"
"... was vor allem bedeutet, daß unsere Januargehalt wohl
zunächst mal von unseren Konten ABGEBUCHT werden wird, bis die Verwaltung
das in den Griff bekommt ..."
"Oh!!!"
"... aber eventuell - mit den entsprechenden finanziellen
Mitteln - ließe sich da schon was machen ...", werfe ich
vorsichtig den Köder aus.
- Der Chef überlegt einen Augenblick; dann entschließt er sich,
beherzt zuzubeissen:
- "Hrrrm ... äh ... wieviel ...?"
- Ich lege meine hohe Denkerstirne (!) in dekorative Falten, kneife die Augen
zusammen und mümmle in meinen nicht vorhandenene
Bart:
- "... also mal sehen ... 67 Uhren-Chips auswechseln ...
Ausfallzeiten ... Einbau und Test ... Wochenendzulage ...
Software anpassen ... Mehrwertsteuer ... na, sagen wir mal so
etwa ... 3423 Euro und 40 Cents."
"Wie? Ah so ... ja ... da muß ich mich ...
äh ... auch erstmal ... hmm ... erstmal dran
gewöhnen ... ja ... gut, also, dann nehmen Sie's aus
dem ... äh ... SCHWAFEL-Projekt ... äh ... da
müßte noch etwas ... ähm ... Geld übrig
sein ... ja ..."
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen! 56 Sekunden später lasse ich
mir von Frau Bezelmann (die gerade just in diesem Augenblick ihr
Geschirrhandtuch zu vermissen beginnt) ein Auszahlungsformular geben. Nebenbei
bemerkt wird mein geplanter Frühjahrsurlaub auf den Fidschi-Inseln
ziemlich genau 6709 Mark und 86 Pfennige kosten. In manchen
Lebenssituationen sind gute Kopfrechner einfach klar im
Vorteil!
Ich gebe Frau Bezelmann noch einen dezenten Tipp wegen ihres Handtuchs und gehe
beschwingt zurück zu meinen Büro. Und wie um den erfolgreichen Tag
vollends abzurunden, sehe ich einen Studenten, der sich mit einem langen
Stück Thick-Wire in der Hand aus den EDV-Labor schleppt. Seine erloschenen
Augen suchen verzweifelt nach einem Haken an der
Decke ...
Pädagogisch wertvoller Nachtrag: 1 Euro = 1,955 DM
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