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05.10.2009 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Wenn man den einen Flughafen verläßt, überall nur englische Schilder sieht, die Eingeborenen jedoch ein vollkommen unverständliches Kauderwelch daherbrabbeln, dann ... na? 
Genau! Dann kann man nur im United Kingdom sein! 
Der Chef hat gemeint, nach 15 Jahren wäre es langsam mal wieder an der Zeit, daß ich eine wissenschaftliche Konferenz besuchen sollte. 
"... ähm ... nur ... äh ... nur damit Sie ... hmm ... damit Sie nicht den ... den ... den Dings ... na! ... den äh ... Anschluß verpassen ... äh ... Leisch ..." 
Anschluß! Und das mir, der ich 55% meiner Wachzeit mit den Studium einschlägiger Fachmedia verbringe (hauptsächlich 'Hacker's Havoc' und 'Games Galore', ganz zu schweigen von allen neuen Ego-Shootern, die ständig im Internet auftauchen!). 
Aber das zählt ja leider nicht als 'Wissenschaft'! Als 'Wissenschaft' zählt logischerweise nur, was Wissen schaft und nicht, was Wissen löscht. Dabei kann ich euch flüstern, daß man sich manchmal ganz schön viel Wissen an-schaffen muß, bevor man anderes Wissen (sprich User-Daten) effektiv löschen kann ... naja. 
Jedenfalls sitze ich jetzt hier in einem abgefuckten Vorortszug, der an jeder Kuhweide hält, und tuckere nach Morgue's Seaside, wo die diesjährige WUERG ('XIII. Workshop on Unified Erected Rotation Gravitrons') stattfinden soll. 
Eigentlich sollte Marianne auch hier sein, aber infolge eines lustigen Computerfehlers (zumindest fand ICH es lustig!) wurde ihre Paßnummer bei der Immigration unter der Rubrik 'Besonders gefährliche Terroristen' gelistet, und sie darf sich jetzt erstmal einer ausgedehnten Serie von Leibesvisitationen unterziehen. 
Deshalb sitze ich jetzt nur mit dem Kollegen O. hier im Abteil, wenn man von den übrigen Eingeborenen absieht, die sich lautstark in ihrem unverständlichen Idiom unterhalten, Bier aus Dosen trinken und ab und zu vergeblich versuchen, mit uns zu kommunizieren. 
Korrektur: ich dachte nur, es handele sich um Bier. Mein rechter Nachbar hat mir mit Händen und Füßen zu verstehen gegeben, daß er mich auf eine Dose einladen wolle, und – soweit ich das kapiere – er sich im Falle einer Ablehnung meinerseits gezwungen sehe, mich aus dem Fenster zu kippen. 
Kann aber auch sein, daß er nur sein Bier aus dem Fenster zu kippen gedenkt. Nachdem ich versuchsweise einen kleinen Schluck probiert habe, neige ich entschieden zur zweiten Interpretation: eigentlich sollte so ein Gesöff in den Schweizer Konventionen geächtet werden! Und noch dazu ist es lauwarm und enthält Null Kohlensäure! 
Ich hole aus, um die Dose aus dem offenen Fenster zu schmeißen, aber der Kollege O. zischt mich an, ich solle mich nicht so anstellen, und um Gottes Willen nicht die Eingeborenen reizen. 
Also kippe ich das Gift auf Ex hinunter, was respektvolles Gemurmel bei den Eingeborenen hervorruft – und mir eine weitere lauwarme Büchse einhandelt. 
Morgue's Abby entpuppt sich als Kleinstadt am Meer – der Kollege O. behauptet, es handele sich um den Ärmelkanal – mit einem Bahnhof, der für eine 10mal so große Stadt gereicht hätte. Wir verlassen ihn (den Bahnhof, nicht den Kollegen O.) über ein Rolltreppe, und eingedenk der Tatsache, daß hier alles auf der linken Seite fährt/geht/schlurft, stelle ich mich ordentlich auf die linke Seite der Rolltreppe. Ein sehr junger Eingeborener macht mich sofort darauf aufmerksam, daß das genau falsch herum sei: rechts stehen und links gehen! Ich verstehe das nur, weil er auf ein entsprechendes Schild deutet; was er sagt, klingt ungefähr wie: "haimeitlaifsokondaronseitha?" 
Da wir keine Ahnung haben, wo das Hotel ist, nehmen wir ein Taxi. Die Taxis sind sehr leicht zu erkennen, weil sie wie eingeschrumpfte Lieferwagen ausschauen. Als wir drin sitzen, verstehe ich warum: ein normaler PKW wäre unter der Last der Panzerglasscheibe zwischen Fahrer und Fahrgastraum zusammengebrochen. 
Alle Autos fahren auf der falschen Seite. Unser Taxi auch. Ich schaue mir auf der linken Seite die Geschäfte an, damit ich nicht die schwankenden Doppeldeckerbusse sehen muß, die von rechts mit gefährlicher Schräglage aus dem nächsten Kreisverkehr auf uns zu schlingern: 
Ein Musikladen, ein Pub, eine Fish&Chips-Bude, ein Pub, noch ein Pub, ein Musikladen, ein Pub, ein Tattoo-Laden, ein Pub, ein Musikladen, ein Pub, ein indisches Restaurant, ein Pub, ein Musikladen ... und dann wiederholt sich das Ganze. Mir fällt plötzlich auf, daß über die Hälfte der Lieferwägen, die ich von hier aus sehen kann, Bierlaster sind. 
Später: ich habe den Kollegen O. in der Hotel-Lobby abgehängt und schlendere durchs Gelände. In einer Fish&Chips-Bude namens 'Belcher' (Rülpser?) versuche ich, eine Portion Fish ohne Chips zu bekommen. Schon beim Anblick der fett-triefenden, mit Cheddarkäse überbackenen Kartoffelblöcke bekommen meine Herzkranzgefäße nämlich das nervöse Flattern. Die Fish&Chips-Verkäuferin erinnert der Form nach an ein mittelgroßes Weinfaß, was einerseits auf den Fettgehalt ihrer Ware schließen läßt, und mich andererseits zur Frage veranlaßt, wie sie durch eine so schmale Tür überhaupt in die Bude reingekommen ist? Vermutlich lebt sie da drin. 
Durch entsprechende Mimik und Gestik mache ich klar, daß ich keinen Wert auf die Chips lege. Aber das Weinfaß sträubt sich, und erst nach längeren Verhandlungen unterstützt durch eine Gruppe von Pennern, die sich nur noch mit Hilfe ihrer Bierdosen aufrecht halten können, einigen wir uns darauf, daß ich die Chips zwar bezahlen muß, aber gleich an den lokalen Verein zur Bekämpfung der Unterernährung ( = Pennergruppe) weiterspenden darf. 
Gleich darauf erhalte ich für überraschend wenig Geld einen riesigen panierten Fisch ausgehändigt, der zunächst nach gar nichts schmeckt. Nachdem ich tonnenweise Salz und – nach Aufforderung des Weinfasses – auch Essig (sic!) drauf gekippt habe, mundet das Zeug aber erstaunlich gut. Ein Vereinsmitglied möchte mir zum Dank eine Büchse lauwarmes Bier in die Hand drücken, was mich zu einem raschen Rückzug veranlaßt. 
Ich schlendere hinüber zum Konferenzzentrum, das sich hier – genau wie überall im Universum – direkt am Strand breitmacht, obwohl die Delegierten ja genau genommen nicht zum Baden hier sind. Ich frage die tief-dekolltierte Rezeptionsmaus nach der üblichen Internet/Mail-Lounge, wo sich Konferenzteilnehmer ohne Laptop ihre Mail abholen können. Der diensthabende Student dort erklärt mir umständlich, daß auf dieser Konferenz private Laptops zur Folien-Präsentation nicht erlaubt seien und daß sämtliche Präsentationen von einem zentralen File-Server abgerufen werden und daß ich bitte rechtzeitig, d.h. einige Tage vorher, meine Präsentation auf den Server laden und dort testen solle. Obwohl ich gar keinen Vortrag halten muß, ziehe ich meinen USB-Stick aus der Tasche und setze mich an einen der Rechner, die alle bereits eingeloggt sind UND FREIEN SCHREIBZUGRIFF AUF DEN SERVER HABEN. 
I guess that's what it feels like to be in Bastard's heaven! 
Ein paar Sekunden später sind vier nette kleine Trojaner auf dem Server, auf dem Client und – nur zur Sicherheit und weil's einfach zu geil ist – auf zwei weiteren Client-Rechnern installiert, auf die ich von hier aus problemlos Zugriff bekomme. 
Später im Hotel schreibe ich ein niedliches kleines Programm, das alle fünf Minuten in sämtlichen auf dem Konferenzserver gespeicherten Präsentationen die eingebundenen Graphiken austauscht. Nach einigem Suchen finde ich eine Gay Pride Web-Page der lokalen Schwulengruppe, natürlich mit Bildergalerie (ohne Bildchen geht bei denen nix!), und mische die Bilder von dort auch noch locker in die gespeicherten Vorträge. 
Hmm, was könnte man noch zu einer gelungenen Konferenz beitragen? Gelungene Konferenzen sind bekanntermaßen diejenigen, die allen Teilnehmern noch lange im Gedächtnis bleiben. Da es verdammt unwahrscheinlich ist, daß auf einer WUERG irgendwelche nobelpreisverdächtigen Entdeckungen präsentiert werden, sind es meistens die mehr oder weniger spektakulären Begleitumstände, welche den bleibenden Eindruck einer Konferenz bewirken. Zum Beispiel wird sich die Wissenschaftsgemeinde an die ICSLP 1996 für immer als 'die Konferenz, bei der der Wein ausging' erinnern, weil beim offiziellen Konferenz-Dinner schon nach einer Stunde kein Wein mehr zu haben war. Oder die LREC 2008 in Marokko, bei der die Veranstalter die glorreiche Idee hatten, die Welcome-Reception in einem Beduinenlager in der Wüste zu veranstalten – dummerweise gleichzeitig mit einem mittelschweren Sandsturm. Und von der IS2009 wird den meisten Teilnehmern in Erinnerung bleiben, wie sie während des sogenannten Konferenz-Dinners verzweifelt den viel zu wenigen Hostessen mit Snacks hinterherjagen mußten, um überhaupt etwas in die knurrenden Mägen zu bekommen. 
Um mich einzustimmen, manipuliere ich ein wenig den time dämon des Konferenzservers, weil ich sehen kann, daß die Gongsignale, welche den Beginn der Vorträge signalisieren, auch von diesem Rechner aus gesteuert werden. Dann – manchmal muß man eben Glück haben – finde ich zufällig ein Netzlaufwerk, daß wohl zur Buchhaltung des Konferenzzentrums gehört und der Einfachheit halber auf dem Server eingebunden wurde. Es ist zwar 'geschützt', aber da es sich um einen Windoofs-Rechner handelt, kann ich 7einhalb Sekunden später das Buchungssystem einsehen. Ich finde ziemlich rasch die Bestellungen für das Konferenzdinner und ändere die Bestellung für 40 Flaschen Weißwein in 400 Flaschen Whisky und 60 Flaschen langweiligen Rotwein in 600 Flaschen Tequila. Die 200 Flaschen Tafelwasser ersetze ich durch 200 Flaschen Ouzo – schaut ja eh fast gleich aus, wenn man's nicht so genau nimmt! Das Essen lasse ich so, wie es ist – am britischem Fraß läßt sich sowieso nichts mehr verschlechtern! 
Dann schau ich nach, ob über den Server irgendwelche Drucker oder Faxgeräte angesteuert werden können (ein, zwei Kilometer schwarzes PDF nach Indonesien faxen, kommt immer wieder gut!). Dabei entdecke ich einen merkwürdigen Gerätetreiber, den ich noch nie gesehen habe. Nachdem ich die Daten, die über die Schnittstelle geschickt werden, eine Weile analysiert habe, kapiere ich, daß es sich um die Steuerung von LCD-Hinweistafeln handeln muß, die vor den verschiedenen Konferenzräumen die jeweiligen Sitzungen ankündigen. Ein glückliche halbe Stunde lang erfinde ich phantasievolle Sitzungsthemen und 'verbessere' den langweiligen Konferenzplan grundlegend. Morgen früh wird es zum Beispiel eine Keynote geben mit dem vielversprechenden Titel 'Smith&Wesson Silencer: How to Silence Speakers and to Solve all Communication Problems for Ever' und am frühen Nachmittag die Plenary Session 'The Bastard Blabber from Hell: Effective Communication in the New Millenium'. 
Am Donnerstag spricht einer meiner bekanntesten Kollegen über das Thema 'Does the Bra Size Influence Female Language? An Empirical Study.' Um die Kollegen fit zu halten, programmiere ich außerdem ein selbst-replizierendes Skript, das alle 15 Minuten die Anzeigen für alle Räume zyklisch vertauscht. 
Inzwischen ist es spät geworden. Gähnend hacke ich mich noch rasch in den alten Interpol-Rechner in Paris (eine NT-Kiste – man möchte es ja nicht glauben!), wo sie immer noch die aktuellen Fahndungslisten verwalten, und kopiere die Teilnehmerliste in die Topliste gesuchter Terroristen – nicht ohne vorher meine Wenigkeit zu löschen: Diskretion ist das Merkmal des wahren Gentleman! 
Dann überlege ich, ob ich noch was vergessen habe? Ich glaube nicht. Und wenn ich's mir genau überlege, dann lohnt es sich kaum noch weiter dazubleiben. Ich weiß ja jetzt sowieso schon, wie die Konferenz ablaufen bzw. nicht ablaufen wird. Also gehe ich in das Buchungssystem von British Air und ändere meine Rückflug vom Freitag auf morgen Vormittag nach Dubai – erste Klasse, versteht sich! 
Am nächsten Morgen sage ich dem Taxifahrer, der mich zum Flughafen bringt, daß er einen Umweg über die Strandpromenade machen soll. Als wir am Konferenzzentrum vorbeikommen, sehe ich drei schwarze Einsatzwagen der hiesigen Polizei mit blinkenden Blaulichtern und der Aufschrift 'SWAT TEAM' vor dem Haupteingang stehen. 
Vier erholsame Urlaubstage später treffe ich den Chef auf dem Gang. 
"Und ... ähm? Wie ... äh ... wie war die ... hmm ... die  ... die Dings ... hmm ... die WUERG?" 
erkundigt er sich. 
"Ganz normal", 
antworte ich, 
"eigentlich die reinste Routine-Veranstaltung ..." 
Merkwürdigerweise sind der Kollege O. und Marianne bis jetzt nicht von der WUERG zurückgekommen ...
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