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09.08.2005 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Giga LAN
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Software Patents 2
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Ausnahmsweise bin ich heute mal in relativ guter Laune. Technisch heißt das, daß ich nicht gleich am Montag morgen sämtliche Raid-Konfigurationen der Genetiker im Erdgeschoß zerschieße, obwohl das eigentlich auf meiner Task-Liste steht. Ich beschränke mich lediglich darauf, ihrem Mail-Server einen milden kleinen Buffer-Overflow-Stups zu geben und lasse es damit gut sein. 
Der Grund für meine gute Laune ist zwei-rootig: Einerseits hat der Chef endlich seinen 6-monatigen Jahresurlaub angetreten (der in der offiziellen Amtsprache des LEERstuhls 'Sabbatical' genannt wird), und ich habe somit die nächste Zeit völlig freie Hand hier. Andererseits hat heute morgen ein unbedarfter Erstsemester es gewagt, mich vor der dritten Kaffee-Infusion auf dem Gang anzusprechen. 
Einfach so! 
Ohne Vorankündigung! 
Nicht mal einen Termin hat er gehabt! 
Wo kämen wir denn dahin, wenn hoch bezahlte Beamte mit Pensionsanspruch während der Ausübung ihrer Pflichten (ein Beamter hat keine feste Arbeitszeit, nur eine 'Treupflicht'!) so einfach mir-nichts-dir-nichts von jedem dahergelaufenen Primaten angesprochen werden könnte?! 
Nachdem der Notarztwagen wieder abgezogen ist, und während der Assistent des Hilfshausmeisters noch mit dem Dampfstrahler die Schmauchspuren auf dem Gang vor den Hochspannungspraktikum entfernt, fahre ich geistig und körperlich aufs Angenehmste angeregt die Schutzschilde hoch und freue mich auf einen langen, ungestörten Nachmittag mit dem 'Bastard Open Web Project' (bastard.netaction.de). 
Während ich noch darüber nachgrübele, mit welcher JavaScript-Funktion ich möglichst viele Browser-Typen gleichzeitig zum Absturz bringen könnte, läutet plötzlich das Telefon. 
Das ist insofern erstaunlich, als ich natürlich, um ungestört arbeiten zu können, in der ISDN-Anlage meine Nebenstelle auf die Telefon-Auskunft von Timbuktu umgelenkt habe. Und damit nicht genug: für den absolut unwahrscheinlichen Fall, daß ein Telecom-Techniker meine ISDN-Konfiguration bemerkt und mit den korrekten Daten überschreibt, habe ich einen kleinen Cron-Job eingetragen, der jeden morgen vor meinem Dienstantritt, also so gegen 12 Uhr, meine Konfiguration wieder einspielt. 
Nach allem menschlichen Ermessen KANN dieses Telefon also gar nicht klingeln! 
Einen Moment lang überlege ich, ob man es bei dieser logisch einwandfreien Argumentation belassen und das Klingeln ganz einfach als logisch Nicht-Existentes ignorieren solle, aber dann überwiegt doch meine angeborene Neugierde: Auf dem Display ist keine Caller-Id angegeben, nur daß der Anruf von außerhalb kommt. Hmm. Ich starte einen praktischen kleinen Tracer, den ich vor ein paar Monaten von einem Rechner im Polizeipräsidium geklaut habe, und hebe ab. 
"Hallo", 
sage ich neutral. 
"Hallo, Leisch", 
sagt es am anderen Ende der Leitung. 
"Kennen wir uns?" 
frage ich verblüfft. 
"Noch nicht", 
antwortet er, 
"ich würde ganz gerne am BOWP mitarbeiten." 
"Aha", 
sage ich, 
"aber wir lassen da auch nicht jeden ran. Haben Sie ... hast du denn irgendwelche Referenzen?" 
Der Anrufer überlegt kurz. 
"Ich denke, die Tatsache, daß ich auf diesem Telefon angerufen habe, sollte doch reichen, oder?" 
Inzwischen habe ich gesehen, daß jemand vor vier Minuten mit 'root'-Rechten die ISDN-Konfiguration geändert hat, und mein Tracer hat sich irgendwo auf einem australischen Telefon-Satelliten aufgehängt. 
"Na schön", 
knurre ich. 
"Hast du auch einen Namen?" 
"Äh ... Peter Mustermann", 
kommt prompt die Antwort. 
"Ok", 
sage ich, 
"wenn du deinen wahren Namen genannt hättest, wäre unser Gespräch sowieso beendet gewesen. Gratuliere, du bist - vorerst - mit im Team, zusammen mit den anderen 14 Peter Mustermännern! Um Verwechslungen auszuschließen, werde ich für dich einen Account unter dem Namen 'peter_mu15' anlegen, ok? Dein Paßwort schicke ich in ein paar Minuten an peter_mu15@web.de. Du solltest also dafür Sorge tragen, daß es diese Adresse dann auch gibt. Soweit zu den Formalien. Welche Aufgabe möchtest du in BOWP übernehmen?" 
"Äh ... hmm ... kümmert sich schon jemand um die sporadischen Serverausfälle?" 
"Peter Mustermann 7 schreibt gerade ein Skript dazu." 
"Ah! Na, dann ... wie wärs mit einem Mailbomben-Launcher?" 
Ich seufze. 
"Das machen schon Peter Mustermann No. 4 und 8. Wir bräuchten eher jemanden, der noch scheußlichere Hintergrundgeräusche entwickelt. Die, die wir jetzt haben, sind noch nicht nervig genug. Wie wär's damit?" 
"Ähm ... ich weiß nicht ..." 
"Oder du könntest die BAfH-Videoabteilung übernehmen. Du weißt schon: Harmlose Video-Clips mit verborgenen, sublimen Botschaften, die das Unterbewußtsein des Betrachters dazu bringen, noch mehr Bastard-Bücher zu kaufen." 
Das scheint peter_mu15 eher zu gefallen, und ich schicke ihm gleich mal ein paar Beispiel-Video-Clips, die erst mal SEIN Unterbewußtsein triggern werden. Hehehe! 
Kaum bin ich damit fertig, marschiert Frau Bezelmann im Sturmschritt und ohne anzuklopfen in mein Allerheiligstes, den mittlerweile fast kahlen Nero auf der Schulter. 
Mit drohender Null-Kelvin-Stimme informiert mich Frau Bezelmann, daß sowohl sie als auch der Rabe die Darstellung des Sekretariats in BOWP 'ssskandalösss' finden. 
"Besssondersss der Possstkaktusss!" 
zischt sie mit funkelnden Augen, 
"issst eine Frechheit! Schaut ausss wie ein misssglückter Weihnachtssssbaum mit rosssa Waschlappen drin! Und Nero sssieht ausss wie eine ordinäre, alte, russsische Krähe!" 
Ich gucke verblüfft Nero an, der sich theatralisch aufplustert und gleichzeitig versucht, mich mit seinen gelben Knopfaugen zu hypnotisieren, und sage unwillkürlich: 
"Aber Nero IST doch eine alte kahle Krähe!" 
Das erweist sich als schwerer taktischer Fehler. Frau Bezelmann hält mir einen unerbittlichen Zwei-Stunden-Vortrag über die Unterschiede zwischen Krähen und Rabenvögeln, mit ausführlichen Ergänzungen, was die gemeine russische Saat-Krähe und die oberbayerischen Karwendel-Kolkraben angeht. Als sie in der Dämmerung endlich das Feld räumt, bin ich so fertig, daß ich es gerade noch schaffe, eine Krankmeldung für den Rest der Woche zu fälschen.
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