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14.10.2004 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Ich bin zu nachtschlafender Zeit, also so gegen elf Uhr, schon in meinem Allerheiligsten und schon voll im Streß. Das heißt, ich browse in den Online-Zeitungen. 
Hmm, sieht ganz so aus, als ob ich mich mit der Anschaffung der neuen DVD-Beamer-Dolby5.1-Anlage für das SCHWAFEL-Projekt beeilen sollte: die Mehrwertsteuer wird wohl sehr bald angehoben werden. Wie ich darauf komme? 
Beweis No. 1: Alle Politiker beteuern unisono, daß sie NICHT angehoben werden wird. 
Beweis No. 2: Im IKEA-Katalog ist vermerkt, daß alle Bruttopreise nur vorbehaltlich einer Erhöhung der Mehrwertsteuer gelten ... 
Das kostet mich bestimmt wieder drei bis vier Stunden, allein bis ich die besten Geräte im Internet identifiziert habe! Und dann muß ich auch noch das Beschaffungsformular ausfüllen, und Frau Bezelmann mit irgendetwas bestechen, damit sie es auch an das Department weiterleitet ... Großer Core-Dump! Was für ein Streß! 
Ich seufze ergeben und nehme noch einen Schluck aus meiner Mega-Thermo-Tasse. Aber der Stoff ist schon wieder alle, und so mache ich mich auf in Richtung Teeküche (warum heißt die eigentlich hartnäckig 'Teeküche'? Bei uns hat noch nie jemand da drin Tee gekocht. Stoff, für dessen Herstellung man keine HighTech-Anlage für 500 Euro benötigt, kann ja auch gar nicht gut sein!) 
Auf dem Weg dorthin komme ich am Sekretariat vorbei, dessen Türe zu meiner Verwunderung weit offen steht. Drinnen sitzt Frau Bezelmann vor ihrem Mac und hackt eifrig. 
"Ich dachte, Sie sind schon im Urlaub?" 
sage ich und gucke Frau Bezelmann über die Schulter, was sie da so eifrig tippt. Sie ist ganz offensichtlich im Account des Chefs und aktiviert gerade das vacation Programm. Ich sehe folgende Out-of-Office-Nachricht auf dem Schirm: 
"Ihre Email mit dem Titel $SUBJECT kann bis zum 29. Oktober leider nicht gelesen werden, weil meine Assistentin im Urlaub ist, und ich weder Email lesen, geschweige denn beantworten kann. Mit freundlichen Grüßen, Prof. Dr. ..." 
"Am besten gefällt mir das 'Mit freundlichen Grüßen'", 
sage ich, 
"das gibt dem Ganzen erst den richtigen absurden Touch." 
Frau Bezelmann würdigt mich wie üblich keiner Antwort. Nur an der Art wie sie ganz leicht die Mundwinkel nach unten zieht, sehe ich, daß sie aufs äußerste befriedigt ist. 
In der Teeküche steht ein angegrauter Alttestamentler und betrachtet mit sorgenvoll gerunzelter Stirne die Spülmaschine. Bei meinem Eintritt blickt er auf und sein bekümmertes Gesicht erhellt sich augenblicklich. 
"Ah", 
sagt der Alttesti erfreut, 
"täusche ich mich oder sind Sie von der Computergruppe?" 
Ich lächele säuerlich und bestätige notgedrungen, daß dem so sei. Immerhin trage ich ein schwarzes T-Shirt mit der der Aufschrift 'Never touch a running SysOp!'. Gleichzeitig male ich mir aus, was ich in ein paar Minuten mit dem Mailserver der Theologen im vierten Stock machen werde. Von wegen Computergruppe! 
"Na, da kennen Sie sich doch sicher auch mit elektrischen Geräten aus, nicht wahr?" 
"Computer", 
sage ich noch säuerlicher, 
"werden im Allgemeinen elektrisch betrieben ..." 
"Und ein Computer ist doch auch ein Haushaltsgerät, oder? Da sind Sie doch sicher in allen technischen Dingen versiert." 
"Was bin ich?" 
frage ich in scharfem Ton. 
"Versiert. Technisch versiert. In technischen Dingen versiert. So sagt man doch ...", 
stammelt der Alttesti und windet sich unter meinem stahlblauen Blick. 
"Ich dachte schon, Sie sagen, ich sei versehrt ..." 
brumme ich. 
"Worum geht es denn nun eigentlich. Ich muß dringend in meine Sitzung zurück ..." 
Das ist zwar gelogen, aber ich wette, dafür hat der Alttesti schon jahrelang nicht mehr gelogen. Also gleicht sich, wenn man die ganze Teeküche betrachtet, das alles wieder aus. 
"Die Spülmaschine ist kaputt", 
läßt der Alttesti endlich die Katze aus dem Sack. 
"Sie gibt keinen Mucks mehr von sich. Dabei habe ich alles genau so gemacht, wie es sich gehört. Ich habe sogar Klarspüler nachgefüllt. Keinen Mucks ..." 
Ich gucke die Maschine an, dann gucke ich den Alttesti an. Aber auf dessen Gesicht ist nur die ernsthafte Trauer über die unbegreifliche und plötzliche Verweigerungshaltung der Spülmaschine zu lesen. Keine Spur von Sarkasmus oder Ironie. 
Ich schaue über seine Schulter in den Flur hinaus und rufe: 
"War das nicht eben der Hausmeister? Der könnte vielleicht ..." 
Während der Alttesti auf den Gang schaut, stecke ich den Netzstecker der Spülmaschine, der fett und breit mitten auf der Ablage liegt, wieder in die Steckdose. 
"Ich fürchte, Sie haben sich getäuscht", 
sagt der Alttesti, 
"ich kann den Hausmeister nicht entdecken." 
"Schade", 
sage ich, 
"dann schauen wir mal. Also: Türe ist ganz geschlossen ... Sprüher können sich frei drehen ... Netzstecker ist eingesteckt ... hmm ... also, die technischen Sachen scheinen alle ok zu sein. Tja, ich fürchte da hilft nur noch ein kleiner Ex ..." 
"Ein Ex?" 
"Ja, klar. Wenn ein Computer nicht so funktioniert wie er sollte, ist er meistens von einem harmlosen Incubus oder Succubus befallen. Da hilft am besten eine sanfter Exorzismus." 
"Exorzismus?!" 
Dem Alttesti treten die Augen sichtbar aus den Höhlen. 
"Ich zeig's Ihnen gleich", 
sage ich und gehe vor der Spülmaschine in die Knie, hole meinen Tux-Schlüsselanhänger aus der Tasche und lasse ihn vor dem Einschaltknopf der Spülmaschine pendeln. Dann spreche ich feierlich die Worte: 
"Ich gebiete dir, unreiner Geist, als Diener der großen Maschine und Kraft des wundersamen und mächtigen Linux, weiche!" 
Dann drücke ich langsam mit dem linken Zeigefinger den Einschaltknopf. 
Ein paar Wochen später höre ich aus dritter Hand, daß der Alttesti mittlerweile das Kloster wieder verlassen hat und daß es ihm den Umständen entsprechend recht gut geht. Angeblich hat er beschlossen, der Universität den Rücken zu kehren und eine christliche Beraterfirma zu gründen, die scheinbar unlösbare technische Probleme mit religiösen Methoden löst.
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