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09.04.2001 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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Professional Substitute
Bastard's Doom Day weiter 
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Es gibt Tage, eigentlich ziemlich viele, an denen würde man am liebsten die Jalousien herunterfahren und mit dem Laptop im Bett bleiben. Viel seltener - aber es kommt vor - vielleicht einmal in 600 Jahren, gibt es auch Tage, die würde ich nicht für 100 Mio Mark missen wollen. Heute ist so ein Tag! Heute ist Bastards Doom Day! 
Die Geschäftsleitung (Nicht die! Die andere!) hat mir sämtliche Freiheiten gegeben! Tag der offenenen Türe, hehehe! Ein Plätzchen ist für jeden noch frei, harharhar! Heute kann mir niemand was!!! 
Es beginnt schon, als ich in der frischen Morgenluft beschwingt zu meinem Roadster schlendere: Der Penner, der seit 16 Jahren auf der Heizungsentlüftung des Allianzgebäudes seinen Stammplatz hat, hält mir seinen stinkenden, aufgeweichten Pappbecher unter die Nase und lallt mit alkoholgeschwängertem Atem: "Ey, Mann! Haste mal 'ne Maaak?" 
Ohne mit der Wimper zu zucken, schicke ich ihn in die 'Hölle-der-nicht-alkoholoischen-Getränke'. 
Auf dem Weg zum LEERstuhl schneidet mich auf der Leopoldstraße beim Spurwechsel ein MX5 mit einer geföhnten Blondine am Steuer. Ich muß tatsächlich scharf auf Tempo 110 herunterbremsen, um eine Kollision gerade noch zu vermeiden. Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, pudert sich die geföhnte Blondine beim nächsten Rotlicht direkt vor mir in aller Ruhe die Nase, obwohl die Ampel schon seit eineinhalb Sekunden auf grün steht. 
Mit besonderer Genugtuung versetze ich die geföhnte Fahrkünstlerin samt ihrem MX5 in den 'Höllenkreis-der-Einbahnstraßen-ohne-Parkplätze-und-Linksabieger'. 
Wie jeden dritten Mittwoch im Monat (d.h. wie an jedem NORMALEN dritten Mittwoch) hole ich mir noch schnell die neueste Ausgabe von 'Hacker's Havoc' am Kiosk. Wie jeden dritten Mittwoch mault mich der Zeitungsverkäufer an, daß ich kein passendes Kleingeld habe und mit einem Tausender bezahlen muß. Vor den Augen der entsetzten Klientel schicke ich den impertinenten Zeitungsverkäufer in die 'Hölle-des-ewigen-Wechselgeld-Mangels'. Da hat er dann Zeit bis in alle Ewigkeit, sich über sein Lieblingsthema aufzuregen. 
Nur so nebenbei, und um nicht aus der Übung zu kommen, schicke ich diverse Studenten, die mir auf dem Weg zum Aufzug begegnen, in die Höllenkreise der verloren gegangenen Hauptseminarscheine und der niemals endenden Examensprüfungen. 
Bevor ich noch die Schilde hochfahren kann, klingelt auch schon das Telefon. Normalerweise würde ich zu dieser nachtschlafender Stunde, um elf Uhr vormittags, niemals 'rangehen, aber heute hechte ich zum Schreibtisch und schnappe mir den Telefonhörer. Die Sekretärin von den Alttestamentlern im Hintergebäude ist dran. Ich erkenne sie an ihrer salbungsvollen Predigerstimme. 
"Ja, äh ... ist dort die ... die Rechnerbetreuung?" 
Noch gestern hätte ich sie allenfalls mit der R.K.f.H. (Reisekostenstelle from Heaven) weiter verbunden; heute erkläre ich mit zuckersüßer Stimme, daß sie hier genau richtig sei und um was es sich denn handele. 
"Ja ... also: ich muß für den Herrn Professor einen Antrag auf Erteilung eines Freisemesters ausfüllen. Und ich komm' mit den neuen Formularen in Word nicht zurecht ..." 
"Aha", sage ich gespannt, "und was genau klappt nicht mit dem Formular?" 
"Äh ... der Herr Professor will sein Freisemester in Oxford verbringen und ich weiß nicht, wie ich die Kosten eintragen soll, weil ... es gibt doch kein Pfundzeichen auf der Tastatur, oder?" 
Oh, Jubel! Ohne mich weiter auf dieses fundamentale Problem der deutschen PC-Bürokratie einzulassen, schicke ich die Alttestamentlerin mitsamt ihrem Pfundzeichen-losen PC in die 'Hölle-der-ewig-falschen-Tastaturtreiber'. 
Ich hab' noch nicht mal den Hörer wieder auf der Gabel, da stürzt Marianne wutschnaubend mit ihrem Posaunenkasten unterm Arm in mein Allerheiligstes. 
"Du hast heut' Nacht wieder meine Jobs auf dem Rechnerknoten B ge-killed!" beschuldigt sie mich, bevor ich ihr einen wunderschönen guten Morgen wünschen kann. "Und die Zwischenergebnisse auf dem Raid-Array sind auch weg, obwohl ich sie gestern Abend noch dort gesehen habe! Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?!" 
Marianne rückt drohend gegen meinen Schreibtisch vor, hinter dem ich mich einem ersten Reflex folgend verschanzt habe, und hebt den Posaunenkasten. Dann erst fällt mir ein, daß heute ja Bastard's Doom Day ist. 
"In der Simulation waren 65% redundante Rechenschritte", behaupte ich frech und betrachte ungerührt den Posaunenkasten, der dunkel über meinem Haupt schwebt. "Deshalb habe ich mir erlaubt, den Job zu stoppen, damit die Rechenzeit für sinnvollere Aufgaben eingesetzt werden kann ..." 
In Wirklichkeit brauchte ich mehr Platz auf dem Raid für meine DVD-Raubkopien, und Mariannes blöder Job hat die gelöschten Files immer wieder neu angelegt. 
"Waaas?! Redundante ... was erlaubst du dir ... und selbst WENN da ein paar redundante Rechenschritte drin waren, gibt dir das noch lange nicht das Recht ... he!" 
Ich habe den Posaunenkasten blitzschnell in den Heizungsraum von Dantes Inferno versetzt; dort kann er helfen, die höllische Temperatur aufrecht zu erhalten. Marianne guckt verdutzt auf ihre leeren Hände. Bevor sie sich noch von dem Schreck erholen kann, schicke ich sie zum 'Höllenkreis-der-niemals-endenden-FI-Simulationen'. 
Die Sache macht richtig Spaß! Ich ändere noch ein paar Parameter an Mariannes Höllenkreis, füge ein paar klassische Paradoxa hinzu und erhöhe den Gödelfaktor um 1000, so daß schon ganz harmlose mathematische Herleitungen unweigerlich auf das Ergebnis 1=2 führen. Da wird Marianne ihre wahre Freude dran haben! 
Später schlendere ich nach vorne zum Sekretariat, um Frau Bezelmanns ekelhaften Raben Nero in die 'Hölle-voller-Katzen' zu schicken, aber bevor ich dort ankomme, fängt mich der Chef im Gang ab. 
"Ah ... äh ... Leisch ... hmm ... gut ... äh ... gut, daß ich Sie ... ähm ... daß wir uns ... hmm ... begegnen ... hrrrm ... ich muß ... äh ... soll morgen einen kurzen Vortrag ... hmm ... ein ... ähm ... eine Kurzdarstellung unserer ... äh ... der laufenden Projekte am ... hmmm ... Institut geben ... äh ... beim Kultusministerium ... ja ... äh ... könnten Sie ... ich bräuchte dazu ein paar ... äh ... Power-Point-Folien ... hmm ... so etwa zwanzig ... fünfundzwanzig Folien würden ... äh ... würden reichen ..." 
Mit besonderem Genuß schicke ich den Chef stante pede in die 'Hölle-mit-der-niemals-endenden- Rede-vor-der-UN-Hauptversammlung- ohne-Konzept-und-mit-Power-Point- Präsentation-die-sich-nicht- öffnen-läßt'. 
Ich will gerade weiter zu Frau Bezelmann ins Sekretariat - vielleicht braucht sie eine spezielle 'Close-Combat-Hölle-mit-ungeladener-Kalaschnikow'? -, da kommt plötzlich eine durchdringende Stimme aus dem Off: 
"He, Leisch!!" 
Ich drehe mich um - und sehe den Kollegen O. in der Türe zu meinem Büro stehen. 
"He, Leisch! Schläfst du, oder geht deine Kalenderfunktion falsch? Das SCHWAFEL-Projekt-Vorbereitungs-Meeting hat vor 10 Minuten begonnen; wir warten nur noch auf dich! Jetzt komm schon!" 
Seufzend klicke ich auf den Abort-Button in meinem neuesten DooM-Clone und mache mich auf den Weg zurück in die langweilige Wirklichkeit ...
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