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25.04.1999 BASTARD   MAILING   LIST   © Florian Schiel
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VORBEMERKUNG

Die folgende Episode aus dem Leben des Herrn Leisch ist tatsächlich von so hohem praktischen Nutzen für alle Uni-Angehörigen, daß eine unentgeltliche Verbreitung über das Internet nicht mehr zu verantworten ist. Wir fordern daher alle Leser, die direkten oder indirekten persönlichen und quantifizierbaren Nutzen aus der Lektüre der folgenden Seiten zu ziehen in der Lage sind, auf, 37.5% des erzielten pekuniären ('penny-caren') Vorteils auf das Konto des Autors zu überweisen.

Danke.

Das Semester fängt bald wieder an, und diese Woche ist Einschreibung für unsere Seminare. Alle Welt redet von der Studentenschwemme! Wir tun etwas dagegen! 
Schon früh am morgen (!) postiere ich mich unauffällig in der Nähe des Sekretariats in Gang, mache ein vertrauenerweckendes Gesicht (!) und tue so, als würde ich nur rein zufällig hier mit Marianne herumalbern (!). In Wirklichkeit warten wir nur darauf, daß die verwirrt umherirrenden Erstsemester uns danach fragen, wo man sich denn hier einschreiben könne. Dann versichern wir hilfsbereit, daß sie hier ganz total falsch seien und schicken sie hinüber ins geisteswissenschaftliche Seminar der Nachbar-Universität. Mit etwas Glück bleiben sie dort in irgendeinem philosophischen Proseminar kleben und verschonen unsere Grundkurse mit ihrer Anwesenheit.
Natürlich geht es nicht immer so glatt ab: 
Studentin: "Entschuldigen Sie, können Sie mir bitte sagen, wo man sich hier für die 'Einführungsvorlesung Subraum-Quanten-Transformation' einschreiben kann?" 
Ich: "Hmm! Ich FÜRCHTE, da sind Sie hier ganz falsch. Ich GLAUBE mich erinnern zu können, daß die Einschreibung dazu immer im Gebäude der evangelischen Theologie stattfand. War das nicht so, Marianne?" 
Marianne bestätigt, daß auch sie GLAUBT, daß die Einschreibung irgendwo dort stattfindet. 
Die Studentin läßt nicht locker: "Aber hier im kommentierten Vorlesungsverzeichnis der Fachschaft steht doch ..." 
Ich: "Ah-oh! Fachschaft! Da würde ich mich aber nicht drauf verlassen, was in so einem linksradikalen Studentenpamphlet drin steht! Wissen Sie nicht, daß der AStA und die meisten Fachschaften immer noch vom bayerischen Verfassungsschutz überwacht werden?"
Die Studentin zieht einschüchtert ab, und Marianne macht einen weiteren Strich auf ihrer Erfolgsliste. Das mit dem AStA stimmt sogar. Schließlich gibt es fast nix, was nicht von bayerischen Verfassungsschutz überwacht wird - mit Ausnahme vielleicht der CSU und der katholischen Kirche.
(Bei der Gelegenheit möchte ich es nicht versäumen, unsere fleißigen bayerischen Text-Schnüffler aufs Herzlichste in unserer Mitte zu begrüßen! Der Einfachheit halber habe ich sie nämlich gleich mit auf die Bastard-Mailing-Liste gesetzt; dann müssen sie sich die Bastard-Folgen nicht mehr mühsam aus dem Netz fischen. Wenigstens könnt ihr bei mir mal was anderes lesen als todlangweilige marxistische Pamphlete, was? Also, dann macht mal immer weiter so, Jungs! Und immer schön aufpassen, daß euch auch keine freche Bemerkung über unsere heilige staatstragende Partei entgeht, gell?)
Fast genauso wichtig wie das physikalische Abblocken der Erstsemester ist natürlich die richtig formulierte Vorlesungsankündigung. Keinesfalls sollte man als Dozent einen Titel auswählen, aus dem man erkennen kann, was da gelehrt werden soll. So was ist tödlich! Studenten besuchen bekanntlich am liebsten Vorlesungen und Seminare über altbekannte Themen, die sie schon in der Grundschule kapiert haben. Aus meiner Erfahrung haben sich am besten Titel bewährt, die erstens unverständlich sind, und zweitens nach Mathematik riechen. Allein mit der Mathematik hat man schon 96% aller Studenten in der Tasche. Es genügt völlig, ein oder zwei der folgenden Schlüsselwörter mit einzubauen: 'Quanten', 'Relativität', 'Stochastik', 'Differential', 'Tensor', 'Matrix'. Kein einigermaßen geistig gesunder Student schreibt sich für ein Proseminar ein, das sich 'Quantendifferentielle Relationsdynamik von stochastisch transformierten Matrix-Tensor-Beziehungen' nennt. Mit den paar Verrückten, die es dennoch tun, hat man dann später ein leichtes Spiel ... 
Die verbleibende Restmenge, den harten Kern sozusagen, kann man unter Umständen auch noch abwimmeln, indem man die Ankündigung von Ort und Zeit der Veranstaltung in Form einer Schnitzeljagd mit offenem Ausgang gestaltet. Da gibt es verschiedene altbewährte Formulierungen. Zum Beispiel der Klassiker:
'Ort und Zeit nach Vereinbarung' 
oder die Alles-ist-möglich-Variante: 
'Die Veranstaltung wird als kombinierte Arbeitsgruppe oder Blockseminar zu Beginn/am Ende des Winter-/Sommersemesters abgehalten' 
oder die rekursive Variante für die Mathematiker: 
'Ort und Zeit des Seminars sind zentrale Inhalte des Seminars' 
oder die Formulierung für theologische Seminare: 
'Gott allein weiß, wann wir uns treffen werden' 
Besonders oft bei den Politologen ist anzutreffen: 
'Über Ort und Zeit der Veranstaltung wird demokratisch entschieden'
Auf diese Weise kann man mit ein bißchen Einsatz zum Semesterbeginn die Belegung seines Seminars locker um 40-60% drücken. Das ist ein lebenswichtiger Tip, Leute! Aufschreiben! 
Das KuMi (Kultusministerium) versucht spaßigerweise seit letztem Jahr das gleiche durch die Einführung von horrenden Studiengebühren zu erreichen. Lächerlich! Die sollten sich erstmal bei mir erkundigen! (Andererseits haben die Studiengebühren natürlich auch wieder was für sich; manche Studenten zahlen ja tatsächlich was; wo das wohl wieder hinfließt ...) 
Es gibt natürlich noch andere Praktiken; zum Beispiel die 'First Hour Shock'-Methode. Der Dozent erzählt in der ersten Stunde ausführlich, wie unglaublich schwer der Stoff sei, daß noch niemals seit dem Bestehen dieser Universität jemand eine bessere Abschlußnote als vier minus geschafft habe und daß man es mit so einem exotischen Studienabschluß bestenfalls bis zum Hilfsschlauchträger bei der städtischen Kanalreinigung bringen könne. 
Wenn man gut drauf ist (und ein entsprechendes Parteibuch aufzuweisen hat, das vor den Konsequenzen schützt), kann man noch ein paar kernige Sätze a la 'Frauen hinter den Herd' etc. von sich geben. Obwohl diese Technik immer noch besonders bei den älteren Professoren sehr beliebt ist, halte ich sie doch für etwas umständlich: schließlich sind die Studenten ja dann schon eingeschrieben und es ist gar nicht so leicht zu erklären, wieso nach drei Wochen über 80% wieder abspringen. Meine Methode dagegen bekämpft - ähnlich wie die Studiengebühren - das Problem an der Wurzel.
Am dritten Tag hat sich wohl herumgesprochen, daß in diesem Gebäude überhaupt gar keine Einschreibung nicht möglich ist, und der Zustrom der Erstsemester flaut allmählich ab. Dadurch habe ich Zeit, Frau Bezelmann ein wenig bei der Arbeit zu beobachten. Gerade telefoniert sie mit dem Kollegen Rinzling, unserem Muster-Monster-Hypochonder: 
"..." 
"Was? Entzündeter Blinddarm?! Aber den hatten Sie doch erst letztes Jahr! Haben Sie etwa zwei Blinddärmer ... äh ... Blinddarme ... äh ... wie sagt man das eigentlich? Blindgedärme?" 
"..." 
"Ach so! Ein Geschwür am Hintern!" 
(prust) 
" ... ja, ich hatte Sie nur falsch verstanden ..." 
(prustgacker) 
"..." 
(prust) 
"... ja, das kann ich mir vorstellen, daß das unangenehm ist ... na, dann erstmal gute Besserung!" 
<klack> 
(prustgackerkreisch ...) 
Das Telefon klingelt sofort wieder. 
"InstitutfürBlablablarabbarberBezelmann?" 
"..." 
"Sie wollen sich einschreiben ... soso ... welches Fach denn? 'Elektrotechnik'. Soso ... hmm ... das Fach gibt es bei uns ja gar nicht ..." 
"???" 
"Natürlich bin ich sicher! Ich habe doch das Vorlesungsverzeichnis vor mir liegen!" 
"..." 
"Tut mir leid! 'Elektrotechnik' gibt's hier nicht! Kann Ihnen da nicht weiterhelfen.!" 
<klack> 
Und damit hat sie sogar recht: Im Vorlesungsverzeichnis steht wortwörtlich 'Elektrotechnik und Informationstechnik'. Kann sie was dafür, wenn die Studenten nicht mal lesen können? (Außerdem zahle ich für jeden abgewimmelten Erstsemester eine Prämie von 20 DM aus dem Etat des Schwafel-Projekts.) 
Während ich noch fasziniert zuhöre und deshalb nicht aufpasse, gelingt es tatsächlich einem Studenten, sich an mir vorbei ins Sekretariat zu schlängeln. 
"Äh ... guten Tag ... ähem ..." 
Frau Bezelmann wirft zuerst mir einen mißbilligenden Blick zu, dann fixiert sie durch ihre blitzenden Brillengläser das Milchbüblein. Wer schon mal von Frau Bezelmann so richtig ins Korn genommen wurde, versteht, wieso der Student plötzlich um 12 Zentimeter einschrumpft, akute Artikulationsstörungen bekommt und sich hilfesuchend an seinem Studienbuch festklammert. 
"Sie wünschen?" 
fragt Frau Bezelmann mit so eisiger Stimme, daß es mir noch auf dem Gang in den Zähnen zieht. 
"Ja ... äh ... ich woll ... ähm ... ich würde mich gerne ... äh ... gerne einschreiben für ... für den ... ähm ... für den Compilerbau ..." 
Auf dem Gang mache ich verzweifelt das 'Cut-your-throat'-Zeichen. 
'Tensor-Orientierter Compilerbau' ist eines meiner Seminare, die ich immer wieder erfolgreich ankündige, ohne daß sich mehr als zwei Studenten einschreiben. Dieses Jahr haben sich aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen schon zwei eingeschrieben, und ab drei Studenten muß die Veranstaltung stattfinden. Ich strecke dreimal alle zehn Finger in die Höhe, um Frau Bezelmann zu bedeuten, daß ich die Prämie in diesem besonderen Falle auf 30 DM erhöhe. 
"'Tensor-Orientierter Compilerbau' heißt das!" 
bemerkt Frau Bezelmann streng, und der Rabe Nero krächzt mißbilligend in seinem goldenen Käfig. 
Der Student schluckt verunsichert: 
"Äh ja ... natürlich ... 'Tensor ... äh ... Dings ..." 
"'Tensor-Orientierter Compilerbau'" wiederholt Frau Bezelmann bissig. "Wie wollen Sie denn die Vorlesung verstehen, wenn Sie nicht mal den Titel aussprechen können?" 
Dem Studenten bricht der Schweiß aus sämtlichen Poren. Auf seinem Studienbuch erscheinen schon dunkle Flecken. Aber er reißt sich zusammen: 
"Ich wollte mich ja erstmal nur einschreiben ..." 
Frau Bezelmann nickt finster. 
"Erfüllen Sie denn überhaupt alle Voraussetzungen? Vordiplom abgelegt? Programmierpraktikum? Industriepraktikum? ..." 
Der Student nickt eifrig und blättert heftig in seinem schweißnassen Studienbuch. 
"... Pentium III mit 450 Mhz und mindestens 256 MB RAM?" 
Der Student zuckt zusammen. 
"Äh ... was?" 
fragt er verwirrt und läßt vor Aufregung das Studienbuch fallen. 
"Haben Sie etwa keinen Pentium III?!" bohrt Frau Bezelmann sofort nach. 
"Äh ... nein ..." 
"Tja, dann tut's mir sehr leid" sagt Frau Bezelmann genüßlich, "aber infolge der letzten Haushaltskürzungen kann die Universität keine Rechnerausstattung für die fortgeschrittenen Kurse mehr anbieten. Daher dürfen nur noch Studenten teilnehmen, die selbst über die notwendige Hardware verfügen!" 
Damit ist für Frau Bezelmann das Gespräch beendet und sie wendet sich wieder ihrer 28.000-Mark-Workstation mit 22-Zoll-Schirm, Scanner und Farblaserdrucker zu. 
Dem Student bleibt nichts anderes übrig, als unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Ich tröste ihn mit dem Tip, es doch mal drüben bei den evangelischen Theologen zu probieren. Die hätten keine so hohen Hardware-Voraussetzungen ...
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